Einleitung
Klarzellakanthome (KZA) werden selten bereits klinisch diagnostiziert. Gewöhnlich
handelt es sich um uncharakteristische, solitäre, aufsitzende, rötliche Tumoren an
den unteren Extremitäten. Die typischen Veränderungen des KZA sind erst feingeweblich
nachweisbar und wurden 1962 von Degos erstbeschrieben [1]. Varianten wie das pigmentierte [2] oder ein keratoakanthomartiges KZA mit pseudokarzinomatöser Hyperplasie [3] sind bekannt. Ungewöhnlich ist die Manifestation multipler KZA, die klinisch eine
breitere Differenzialdiagnose eröffnen, histologisch aber dem solitären Typ entsprechen.
Kasuistik
Anamnese
Bei dem 65-jährigen Patienten sind im Laufe der letzten 10 Jahre spontan multiple
rötliche Tumoren aufgetreten. Betroffen waren vorwiegend die Arme und Beine, wenige
Tumoren fanden sich am Stamm. Auffällig war eine Gruppierungsneigung. Die Schleimhautübergänge
waren nicht beteiligt. Mehrere der Tumoren wurden exzidiert und lieferten jeweils
gleichartige histologische Ergebnisse. Dermatologische oder interne Vorerkrankungen
waren unbekannt.
Dermatologischer Befund
An den Ober- und Unterschenkeln sowie an den Armen finden sich teils gruppiert angeordnet
aufsitzende Tumoren mit rötlich matter Oberfläche und 0,4 bis 1,0 cm Durchmesser ([Abb. 1]
[Abb. 2]
[Abb. 3]). Randständig betonte Schuppenkrausen. Das nicht betroffene Integument weist keine
sonstigen entzündlichen oder neoplastischen Veränderungen auf.
Abb. 1 Multiple Klarzellakanthome: gruppierte rötlich-keratotische Tumoren an den Beinen.
Abb. 2 Multiple Klarzellakanthome am linken Arm.
Abb. 3 Aufsitzende Klarzellakanthome mit gepunzter Oberfläche, diskreter Schuppenauflagerung.
Histopathologischer Befund
Plumpe psoriasiforme Akanthose. Von der umgebenden Epidermis scharf abgesetzt, wird
der akanthotische Bezirk aufgebaut aus monomorphen größeren Keratinozyten mit breitem
hellem Zytoplasma, das PAS-anfärbbar ist ([Abb. 4] u. [5]). Im Papillarkörper zahlreiche gewundene Kapillaren, umgebend geringes chronisches
Entzündungsinfiltrat. Aufgelagerte Parakeratose mit Mikroabszessen neutrophiler Granulozyten.
Keine Koilozytose. Keine Pilzelemente.
Abb. 4 Hellzellige Keratinozytenpopulation scharf von der Umgebung abgesetzt (HE).
Abb. 5 PAS-positives Zytoplasma suprabasaler Keratinozyten, psoriasiforme Architektur, Granulozyten
intracorneal (PAS).
Therapie und Verlauf
Wiederholt wurden einzelne der Tumoren exzidiert und histologisch gesichert. Molekularbiologisch
(sequentielle PCR) [4] war HPV-Genom bei Untersuchung drei separater Tumore nicht nachweisbar.
Diskussion
Klarzellakanthome (KZA) sind geläufig als solitäre gutartige Tumoren von Patienten
in der 3. bis 7. Dekade (bei ausgeglichenem Geschlechterverhältnis) mit uncharakteristischem
klinischem Bild. Die häufigsten klinischen Verdachtsdiagnosen lauten seborrhoische
Keratose, Virusakanthom, Histiozytom und eruptives Angiom. Feingeweblich typisch ist
ein psoriasiformes Akanthom. Scharf von der umgebenden Epidermis und Adnexepithelien
abgesetzt, findet sich eine hellzellige (PAS-reaktive, glykogenspeichernde) suprabasale
Keratinozytenpopulation, die als Ausdruck einer lokalen Differenzierungsstörung des
betroffenen Epithelabschnitts gewertet wird [5]. Das Zytoplasma ist aufgehellt, aber nicht vollkommen klar. Daher wären die zytologischen
Merkmale des „Klarzellakanthoms” eigentlich besser im Sinne einer „pale cell acanthosis”
[5]
[6] zu charakterisieren, um eine eindeutige Abgrenzung von der heterogenen Gruppe „echter”
klarzelliger Tumoren (wie dem Klarzellhidradenom oder dem Nierenzellkarzinom) mit
typisch pflanzenzellartigem klarem Zytoplasma zu erhalten. Der histopathologische
Befund der KZA entspricht im übrigen weitgehend dem übersteigerten Bild einer Psoriasis
vulgaris [7], den Kerl [5] als eigenen Subtyp (Klarzellakanthome mit psoriasiformer Akanthose) darstellte.
Akanthose, Hypogranulose, Parakeratose; interzelluläres Ödem; Diapedese neutrophiler
Granulozyten aus hochreichenden Papillenspitzen mit gewundenen Kapillaren sind gemeinsame
histologische Kriterien von Psoriasis und KZA. Für KZA wurde daher bereits in der
älteren Literatur [8] sowie neuerdings mehrfach eine primär entzündliche Genese favorisiert [7]
[9]
[10]. In Einzelfällen bestand unabhängig [11] oder lokal assoziiert eine Psoriasis vulgaris [12]. Das immunhistologische Profil der Zytokeratinexpression im KZA hat Parallelen zur
normalen Epidermis und zur Psoriasis, die Unterschiede sind lediglich quantitativ
[10]. Auch eine familiäre Manifestation von KZA wurde beschrieben [13].
Psoriasiforme Merkmale fanden sich weiterhin in der Auflicht- bzw. Videodermatoskopie
bestätigt, die damit für die Verbesserung der klinischen Diagnosepräzision empfohlen
wurden [14]
[15]. Neuerdings haben Kovacs et al. [16] anhand der hochregulierten Expression des Keratinozyten-Wachstumsfaktors KGF und
seines Rezeptors in KZA ein weiteres Indiz für dessen Interpretation als hyperproliferativen
und entzündlichen Prozess geliefert. Alternativ wird ein primär neoplastischer Prozess
epidermaler Genese seit der Erstbeschreibung wiederholt postuliert [1]
[5]
[17]. Für die Interpretation als Neoplasie können die scharf umschriebene tumorartige
Konfiguration, eine langfristige Persistenz ohne wesentliche lokale Progression und
die fehlende Spontanheilung sprechen. Eine nicht-epidermale Herkunft der KZA lässt
sich bezüglich Haarfollikeln und Schweißdrüsengängen bzw. poroider Differenzierung
[18]
[19]
[20] aufgrund abweichender immunhistologischer Profile nicht herleiten. Damit bestätigen
sich Aussagen, die Kerl [5] bereits anhand des enzymhistochemischen Reaktionsmusters gemacht hatte. Auch die
Interpretation des KZA als Variante der seborrhoischen Keratose wurde aufgrund immunhistochemischer
Merkmale (Expression des epithelialen Membanantigens nur im KZA) verworfen [9]. KZA zeigen einen Transferstop von Melanin aus den ortsständigen Melanozyten, sodass
pigmentierte KZA auf einer sekundären Population verstärkt pigmentführender Melanozyten
beruhen [2]. Die Beteiligung dendritischer Zellen ist auch bezüglich der Langerhanszelldichte
gesteigert [21].
Das multiple Auftreten von KZA stellt eine Rarität dar, insgesamt wurden in der Literatur
bisher rund 30 Fälle dargestellt; eine Gesamtzahl an Tumoren über 100 [23] bis 400 [24] hat auch das Etikett „eruptive” KZA erhalten, allerdings ohne dass die multiple
Manifestation als rapide beschrieben wurde. Die Vorzugslokalisationen entsprechen
dem solitären KZA; außer den Extremitäten sind aber auch häufiger andere Lokalisationen
[25], z. B. die Rumpfhaut, beteiligt.
Eine Gruppierungsneigung der Tumoren und das sequenzielle Auftreten über einen längeren
(mehrjährigen) Zeitraum sind als typisch beschrieben [26]. Dies könnte auch mit einer infektiösen Genese vereinbar sein. Sangueza und Sangueza
[27] hatten eine durch Insektenstich übertragene epidermotrope Virusinfektion als Ursache
des KZA postuliert. Ein Fall eines solitären KZA lieferte ein negatives immunhistologisches
Ergebnis für humane Papillomviren [22]. Weiterhin wurde über ein auf dem Boden eines KZA entstandenes in situ Karzinom
berichtet [28], was auch als HPV-Onkogenese denkbar wäre. Die Assoziation mit humanen Papillomviren
(low und high risk) konnten wir in unserem Fall mittels standardisiertem PCR-Protokoll
[4] nicht bestätigen.
Klinisch-differenzialdiagnostisch sind bei multiplen KZA neben Viruswarzen und seborrhoischen
Keratosen disseminierte Hautadnextumoren und ggf. Xanthome in Betracht zu ziehen.
Der protrahierte klinische Verlauf und der unbeeinträchtigte Allgemeinzustand der
Patienten sprechen dagegen schon klinisch gegen kutane Metastasen etwa eines viszeralen
Malignoms. Zur Therapie multipler Klarzellakanthome haben sich als Alternative zur
Exzision 5-Fluorouracil [11] und Kryotherapie [29]
[30], neuerdings auch die CO2-LASER-Ablation [32] als erfolgreich erwiesen.
Ein histologisch typisches KZA fand sich in einem seit Kindheit bestehenden epidermalen
Naevus einer asiatischen Patientin [31]. Dabei handelte es sich um einen umschriebenen Befund auf sonst typischem Naevus
epitheliomatosus. Auch wenn das „Reaktionsmuster” einer „pale cell acanthosis” hier
nicht als feingewebliches Leitmotiv des gesamten naevoiden Befundes auftrat, könnte
über eine zufällige Assoziation hinaus an einen naevoiden Lokalisationsfaktor gedacht
werden. Dies regt anstelle der alternativen Beurteilung der KZA als primär entzündlichen
versus neoplastischen Prozess zum Versuch einer nosologischen Gesamtsicht an. Bei
anderen histologischen Reaktionsmustern (wie z. B. der epidermolytischen Hyperkeratose)
existieren unterschiedliche klinische Manifestationsformen, die von lokalisierten
Herden (z. B. epidermolytisches Akanthom) über striäre „naevoide” Ausprägung (epidermolytischer
Naevus) ggf. bis zum Vollbild einer Genodermatose mit ausgedehntem Hautbefall (kongenitale
bullöse ichthyosiforme Erythrodermie Brocq) reichen [6]. Die im Grundsatz bereits von Kúta 1963 [8] gezogene Parallele zwischen dem KZA als lokalisierter hyperplastischer und der Psoriasis
vulgaris als disseminierter Erscheinungsform der gleichen Keratinozytendifferenzierungsstörung
wurde entsprechend von Fukushiro et al. 1985 [6] aktualisiert. Die Existenzberechtigung dieses Konzepts wäre weiter zu untermauern
durch die bisher noch nicht erfolgte Beschreibung einer „Klarzellakanthose” unter
dem Bild eines striären bzw. systematisierten Naevus epitheliomatosus sowie einer
Assoziation multipler KZA mit Psoriasis vulgaris.
Nachtrag bei der Korrektur
Als „missing link” wurde jüngst die Manifestation multipler Klarzellakanthome unter
Infliximab-Therapie einer Psoriasis mit Psoriasis-Arthropathie vorgestellt (Frau Dr.
S. Thoma-Uszynski, Univ-Hautklinik Erlangen; Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft
Dermatologische Histologie der DDG, Freiburg, 23. - 25. 3. 2007).