Ein Großteil der Patienten, die an einem chronisch diskoiden oder subakut kutanen LE leiden, erreicht mit konsequentem Lichtschutz, Lokaltherapie und gegebenenfalls Hydroxychloroquin einen stabilen Hautzustand oder Erscheinungsfreiheit. Dennoch bleiben eine Reihe von Patienten, bei denen eine weitergehende systemische Therapie notwendig wird. Es besteht Bedarf für eine verbesserte und effektive Lokaltherapie sowie für Marker, die auf Wirkstoff oder die Wirkstoffkombination hinweisen, die für den jeweiligen Patienten den besten Therapieerfolg erbringen.
Die Pathophysiologie des Lupus erythematodes (LE) ist nach wie vor nur unvollständig verstanden. Untersuchungen werden auch durch die unterschiedlichen klinischen Ausprägungen und Verlaufsformen erschwert. Es kommt auf der Grundlage eines empfänglichen genetischen Hintergrundes zur immunologischen Fehlregulation. Eine große Anzahl von Suszeptibilitätsgenen [1] wurde beschrieben, deren Bedeutung jedoch nicht immer in unterschiedlichen Kohorten bestätigt werden konnte. Derzeit wird ein Beitrag von Varianten des IRF5-Gens für die Lupus-Pathogenese diskutiert [2]
[3].
In dem Bemühen, therapeutische Zielstrukturen bzw. Aktivitätsmarker zu identifizieren, wurde die Expression von proinflammatorischen bzw. immunregulatorischen Zytokinen untersucht. Es liegt eine Vielzahl von Untersuchungen vor, die bei Patienten mit LE Zytokine, insbesondere im Serum, bestimmt haben und darin Hinweise für Krankheitsaktivität oder auch Therapieansprechen sehen. Ein wesentlicher Anteil der publizierten Daten bezieht sich auf den systemischen LE. Es sind u. a. folgende Zytokine mit einer erhöhten Krankheitsaktivität in Zusammenhang gebracht worden: IL-6 [4]
[5]
[6], IL-10 [7], sowie auch in läsionaler Haut erhöht gefunden: Typ I-Interferone [8]
[9], IL-18 [10]
[11]
[12], [13]
[14], TNFα [15]
[16]
[17] und high mobility group box chromosomal protein 1 (HMGB-1) [16]. Weiterhin mehren sich die Hinweise, dass insbesondere bei Patienten mit systemischem LE Interferon-responsive-Gene hochreguliert werden, was als „Interferon-Signature” in mRNA-basierten Mikroarrays nachgewiesen, aber auch in läsionaler Haut [18] gezeigt wurde. Es besteht eine Korrelation zwischen dieser „Interferon-Signature” und der Krankheitsaktivität [19].
Seit Langem wird die so genannte „Clearance Hypothese” für den LE diskutiert, welche besagt, dass vermehrt anfallende apoptotische Zellen nicht im „geordneten” Maß und, wie physiologischerweise üblich, entzündungsfrei eleminiert werden. Dies kann entweder damit zusammenhängen, dass zu viel apototisches Material vorliegt oder dass die abbauenden Mechanismen gestört sind. Für beides gibt es Hinweise. Beim LE fallen - soweit vorhanden - insbesondere Antikörper auf, die gegen nukleäre, also intrazelluläre Antigene gerichtet sind. Bei einem „geordnet” ablaufenden apoptotischen Zelltod werden solche Antigene dem Immunsystem nicht zugänglich. Im Gegensatz dazu geht man bei LE davon aus, dass die ehemals intrazellulär gelegenen Antigene an B- und T-Zellen präsentiert werden und somit den Autoimmunprozess triggern können.
In den letzten Jahren ist von unterschiedlichen Diziplinen her intensiv auf dem Gebiet der regulatorischen T-Zellen geforscht worden. Hierdurch ist ein verändertes Verständnis für die periphere Toleranz als ergänzender Mechanismus zur zentralen Toleranz entstanden. Es scheint, dass eine lebenslange, aktive periphere Toleranz notwendig ist [20], um autoreaktive Zellen, die jeder in sich trägt, in Schach zu halten. Für den LE sind einige Arbeiten erschienen, die auf eine Verminderung bzw. verminderte Aktivität der regulatorischen T-Zellen hinweisen [21]
[22]. In der Durchbrechung der Toleranz (vermittelt u. a. über unreife DC oder plasmazytoide DC) kommt wohl den erhöht gefundenen Typ I-Interferonen ebenfalls eine wichtige Rolle zu [23].
Die Hautentzündung
Die Haut ist bei allen bekannten Formen des LE ein wichtiges Zielorgan. Obwohl die Hautveränderungen morphologisch unterschiedlich erscheinen, vergleicht man den chronisch diskoiden, subakut kutanen und systemischen LE, so sind dennoch immunhistologisch ähnliche Veränderungen zu beobachten. Eine Interfacedermatitis mit vakuoliger Degeneration im Bereich der Basalschicht der Keratinozyten und eine vorwiegend lymphozytäre Infiltration in den Bereichen des dermo-epidermalen Übergangs sind häufig zu finden.
Drei wesentliche pathophysiologisch vermutlich relevante Veränderungen bezüglich der Keratinozyten sind seit Längerem bekannt:
-
Es findet sich eine Neigung zum apoptotischen Zelltod [24]
[25]
[26]
[27]. (Es ist anzumerken, dass eine kürzlich publizierte Arbeit keine vermehrte Apoptoserate in UV-exponierter Haut von LE-Patienten finden konnte [28]).
-
Es finden sich Anzeichen einer Zellaktivierung, insbesondere in Form einer Hochregulation immunologisch wichtiger Oberflächenmoleküle [29]
[30]
[31]
[32] und der Produktion von Chemokinen [33] und proinflammatorischen Zytokinen (s. o.).
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Es kommt zur Translokation von nukleären Antigenen an die Zelloberfläche. Dies ist insbesondere für Ro (SSA) gezeigt. Diese Translokation ist durch UVB-Licht [24]
[34] und TNFα [35]
[36] auslösbar. Es wird vermutet, dass die so an die Zelloberfläche gelangten Autoantigene durch das Immunsystem erkannt werden können.
Eine wichtige Rolle für das Zustandekommen und der Chronifizierung der kutanen LE-Symptome ist vermutlich in der „entzündlichen” Lokalantwort zu sehen. Aktivierte Keratinozyten sind potente Produzenten von Chemokinen und Zytokinen [37]. Diese wiederum wirken auf Nachbarzellen (z. B. professionelle APC), aber auch chemotaktisch dahin [33]
[38], vermehrt Blutleukozyten in die oberen Hautschichten zu dirigieren.
Mit unserer Arbeit wollten wir die Frage beantworten, ob Keratinozyten von LE-Patienten im Vergleich zu Normalkeratinozyten ein anderes proinflammatorisches Verhalten zeigen. Hierfür haben wir Keratinozyten aus epidermalen Stammzellen der äußeren Haarwurzelscheide [39] isoliert ([Abb. 1]). Wir haben also Patientenzellen untersucht, die aus nicht-läsionaler Haut stammen. Die bisherigen Ergebnisse dieser Untersuchungen sind in [Tab. 1] aufgeführt. Wir konnten an isolierten Hautzellen zeigen, dass Keratinozyten von LE-Patienten in einer „Entzündungsumgebung” vermehrt in den apoptotischen Zelltod gehen. Weiterhin produzieren diese Zellen auch basal größere Mengen von pro-inflammatorischen Mediatoren und scheinen sich in einem selbstverstärkenden Rückkopplungskreislauf gegenseitig zu aktivieren. Problematisch in dieser Situation erscheint die verminderte Produktion von Botenstoffen, die einen vermehrten Zelltod verhindern [40] wie u. a. IL-12 ([Abb. 2]). Unsere bisherigen Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass Keratinozyten eine durchaus aktive Rolle bei der Krankheitsentstehung und -aufrechterhaltung des LE spielen.
Abb. 1 Patientenbezogene Keratinozyten werden gewonnen, indem sie aus epidermalen Stammzellen der äußeren Haarwurzelscheide angezüchtet werden.
Abb. 2 Beitrag von Keratinozyten an der Pathogenese des LE. Von außen einwirkendes UV-Licht oder pro-entzündliche Botenstoffe führen dazu, dass Hautzellen von LE-Patienten ebenfalls vermehrt proinflammatorische Botenstoffe freisetzen, die wiederum auf andere Keratinozyten wirken. Gleichzeitig bleibt die Produktion von schützenden Mediatoren aus. Unter diesem Einfluss sterben die Zellen vermehrt. Es kommt neben der Produktion von entzündungsfördernden Botenstoffen auch zum Transport von „Autoantigenen” (hier beispielhaft Ro dargestellt) an die Zelloberfläche, wo sie durch das Immunsystem erkannt werden können.
Tab. 1 Unterschiede zwischen Keratinozyten von Lupus erythematodes (LE)-Patienten und gesunden Kontrollpersonen
| „gesunde” Keratinozyten | „Lupus”-Keratinozyten |
Sterbeverhalten (Apoptose) | zeigen Apoptose nach Einfluss von UV-Licht und bestimmten Entzündungsbotenstoffen wie TNFα | zeigen eine basal etwas erhöhte Apoptoserate; sind empfindlicher gegenüber Entzündungsbotenstoffen - insbesondere gegenüber IL-18 |
Schutz vor Apoptose | gegeben u. a. durch Mitglieder der Interleukin-12-Familie | Schutz erfolgt im gleichen prozentualen Ausmaß wie bei Gesunden |
Produktion von Zytokinen im Ruhezustand | im Ruhezustand werden einige Chemokine, entzündungslimitierende Stoffe und nur sehr geringe Mengen an pro-inflammatorischen Mediatoren sezerniert | erhöhte Produktion von pro-inflammatorischen Mediatoren auch durch nicht stimulierte/aktivierte Zellen |
Produktion von Zytokinen nach Aktivierung | pro-inflammatorische Mediatoren werden gleichzeitig mit vermehrten „Schutz-” und anti-inflammatorischen Botenstoffen produziert | vermehrte Produktion pro-inflammatorischer Botenstoffen, insbesondere auch TNFα und wenig „Schutzzytokine”, z. B. der IL-12-Familie |
Wie können diese Erkenntnisse das therapeutische Vorgehen beeinflussen und optimieren? Zum einen erscheint die bislang häufig eingesetzte Therapie mit (Hydroxy)Chloroquin auch positiv im Sinne der hier vorgestellten Erkenntisse zur epidermalen Entzündung zu wirken. So konnten Wozniacka u. Mitarb. eine verminderte TNFα, IL-6 und IL-18 Expression (im Serum) unter Hydroxychloroquin Therapie finden [41]. Dennoch fehlt eine effektive, topisch anwendbare immunmodulatorische Therapie. Für die genaue Identifizierung therapeutischer Zielstrukturen in der entzündeten Haut ist wichtig, die Hierarchie der proinflammatorischen Botenstoffen noch besser zu identifizieren. Daher besteht klarer Forschungsbedarf, die epidermale Pathogenese des LE weiter aufzuklären.