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DOI: 10.1055/s-2007-972755
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Therapie und Begutachtung psychischer Traumata im Spiegel der Belletristik - Teil 3: Von der Nachkriegszeit bis in die 80er-Jahre
Publication History
Publication Date:
28 March 2007 (online)
Einleitung
Im Zweiten Weltkrieg hatten Psychiater umfangreiche Gelegenheit, die unmittelbaren Auswirkungen traumatisierender Ereignisse an den Betroffenen zu beobachten und zu beschreiben. Die klinischen Bilder fanden Eingang in die entstehenden diagnostischen Systeme, etwa als abnorme Erlebnisreaktion in Kurt Schneiders triadisches System. Sein Hauptwerk, die Klinische Psychopathologie, erschien 1950 in der entscheidenden dritten Auflage. Im entsprechenden Kapitel nimmt er Bezug auf seine Beobachtungen "im Felde" bzw. "in der Heimat" ([1], S. 59f.; vgl. [2] S. 150f.). Zwei Jahre später, noch während des Korea-Krieges, nahm auch die American Psychiatric Association die gross stress reaction (schwere Belastungsreaktion) in das DSM I auf, strich den Begriff in dem 1968 erschienenen DSM-II aber wieder. Viel zögerlicher noch sollten die langfristigen Folgen extremer Belastungen wahrgenommen und konzeptualisiert werden. Allzu unverrückbar schien die zum Ideologem geronnene Annahme, primär psychisch Gesunde müssten sich nach Fortfall des belastenden Umstandes vollständig erholen können. Doch an der Anerkennung der psychischen Realität zahlreicher Holokaust-Opfer führte kein Weg vorbei. In Europa waren vor allem west- und nordeuropäische Forschergruppen aktiv; in den USA formulierte der New Yorker Psychoanalytiker William Niederland mit dem Überlebenden-Syndrom ein klares Konzept ([3], S. 297; [4], S. 360). In der Bundesrepublik Deutschland wurde diese Diskussion mit Verspätung geführt und fokussierte auf gutachterliche und kaum auf therapeutische Aspekte. So beruft sich die Psychiatrie der Verfolgten von von Baeyer, Häfner und Kisker aus dem Jahr 1964 auf etwa 700 Begutachtungen, welche die Autoren auf der Basis des Bundesentschädigungsgesetzes durchgeführt hatten [5]. In der Folge sollten auch die Leiden anderer Opfergruppen Eingang in den wissenschaftlichen Diskurs finden. 1965 veröffentlichte Robert Jay Lifton seine Untersuchungen an Betroffenen der Nuklearexplosion von Hiroshima, 1974 erschien - ebenfalls in den USA - eine feministische Studie über das rape trauma syndrome (RTS) ([6], S. 213). Und Lifton war auch in Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen von Vietnam-Veteranen zentral an der Entwicklung eines allgemeinen Konzeptes von verzögerten Traumafolgestörungen beteiligt, das 1980 als posttraumatic stress disorder (posttraumatische Belastungsstörung) in das DSM-III aufgenommen wurde.
Im Folgenden kommen zwei prominente Autoren der Gegenwartsliteratur zu Wort. Sie beschreiben die Beschädigungen, die Männer in Kriegen der späten 60er- und frühen 70er-Jahre erlitten haben, zum einen in den portugiesischen Kolonialkriegen, zum anderen im Vietnamkrieg, und sie schildern deren therapeutischen Versuche. In beiden Fällen erfuhren die Truppen der vermeintlich überlegenen Industrienation empfindliche Niederlagen gegen lokale Gegner, die in Guerillataktik vorgingen.