Der Klinikarzt 2007; 36(4): 194-196
DOI: 10.1055/s-2007-974630
Medizin & Management

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Universitätskliniken - Hochleistungsmedizin im Umbruch

Privatisierung als Ausweg aus der "Krise"
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Korrespondenz

Dr. Reinhard Schwarz

Sana Kliniken GmbH & Co. KGaA

Gustav-Heinemann-Ring 133

81739 München

eMail: r.schwarz@sana.de

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
02. Mai 2007 (online)

 
Inhaltsübersicht

Der Startschuss fiel mit der Einführung der sogenannten DRGs ("diagnosis related groups"): Die Krankenhauslandschaft hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt, und der Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen. Dies gilt auch für die universitären Einrichtungen, die sich auf veränderte Rahmenbedingungen einstellen müssen. Die Probleme, denen sich Universitätskliniken stellen müssen, fangen bei den Auswirkungen der Konvergenzphase an und reichen bis hin zu Verlagerungen vieler Leistungen in den ambulanten Bereich. Immer mehr Bundesländer denken vor dem Hintergrund zum Teil hoher Verluste der universitären Häuser darüber nach, sich von ihren Universitätskliniken zu trennen. Andererseits besteht großes Interesse privater Betreiber an den Häusern der Maximalversorgung - eine Option mit durchaus interessanten Perspektiven für alle.

Die Universitätskliniken in Deutschland sind ein bedeutender Leistungsträger in der Wissenschaft und der Gesundheitsversorgung. Mit 9 % der Bettenkapazität behandeln sie 13 % aller stationären Patienten und sind Maximalversorger für schwerstkranke Patienten wie auch die entscheidenden Ausbildungs- und Forschungsstätten der Medizin. Jeder Klinikarzt kennt die ganz spezielle Situation in einem deutschen Universitätsklinikum zumindest aus seiner eigenen Ausbildung.

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Wo liegen die Probleme?

In letzter Zeit sehen sich universitäre Kliniken mit immer drängenderen Problemen konfrontiert:

  • einem großen Investitionsstau aufgrund mangelnder Förderung durch die Länder und den Bund

  • den Auswirkungen der fortschreitenden Konvergenzphase bei offenbar immer noch nicht ausreichender Berücksichtigung der Hochleistungsmedizin

  • kostenintensiver werdenden medizinischen Geräten, Medikamenten und Behandlungsmethoden

  • einer massiven Verlagerung von stationären Leistungen in den ambulanten Bereich.

Auch die Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs zur Bezahlung von Bereitschaftsdiensten als volle Arbeitszeit oder die finanziellen Konsequenzen aus neuen Tarifverträgen für Ärzte und bestehende Zusatzversorgungsregelungen belasten die Unikliniken sehr. Immer mehr Bundesländer denken vor dem Hintergrund zum Teil hoher Verluste der universitären Häuser darüber nach, sich von ihren Universitätskliniken zu trennen. Als Ausweg aus der Krise werden die Privatisierung oder ein Public-Private-Partnership (PPP) genannt.

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Private Anbieter zeigen großes Interesse

Einige Fragen tauchen in der oft leidenschaftlich geführten Debatte zwischen Vertretern des Landes, der Universität, der Medizinischen Fakultät, des Universitätsklinikums und der Öffentlichkeit insgesamt regelmäßig auf: Warum zeigen die großen privaten Klinikkonzerne so großes Interesse an den Universitätskliniken? Weshalb glauben sie, dass sie die Leistungen in der Spitzenmedizin, der Forschung und Lehre wirtschaftlicher erbringen können als die Unikliniken in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft? Und schließlich: Warum ist es anscheinend auch für die Privaten von großer Bedeutung, sich in der Forschung zu engagieren?

Zunächst ist die Antwort auf die letzte Frage auch die für die erste: Zwischen den großen Krankenhausverbünden wird der Wettbewerb intensiver. Es wird immer wichtiger, die medizinischen und pflegerischen Leistungen, qualitativ von den Konkurrenten abzuheben. Das kann durch standardisierte und optimierte Prozesse geschehen, die durch eine Zertifizierung auch für Externe hohe Qualität signalisieren. Außerdem müssen auch, ähnlich wie in der Industrie, ständig wahrnehmbare Verbesserungen an den Leistungen erfolgen.

Innovationen kommen aber in der deutschen Medizin fast ausschließlich aus den Universitätskliniken, weil dort gemäß ihrem Auftrag hochqualifizierte Mitarbeiter und modernste medizinische Geräte auch für die Forschung vorgehalten werden. Das Universitätsklinikum soll in einem Klinikverbund also das oft zitierte "Flaggschiff" oder der "Leuchtturm" sein, ein ständiger Quell für Innovationen und zugleich das Ende in der Versorgungskette, also der Maximalversorger im Verbund. Universitätskliniken haben für einen Krankenhauskonzern auch den Vorteil, dass sich attraktive Fortbildungs- und Karrierechancen für die medizinischen Nachwuchs- und Führungskräfte bieten.

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Krankenversorgung, Forschung und Lehre unter einem Dach

Eines der wichtigsten und wohl auch schwierigsten Probleme bei der Privatisierung eines Universitätsklinikums ist die Verzahnung von Forschung und Lehre als hoheitliche Aufgabe mit der Krankenversorgung. Forschung, Lehre und Krankenversorgung können und sollten in der Hochschulmedizin nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Zum einen werden oftmals die Leistungen von denselben Personen (z.B. Lehrstuhlinhabern bzw. Klinikdirektoren) erbracht. Zum anderen dient die Krankenversorgung der "praktischen" Anwendung von Forschung und Lehre, Forschungsergebnisse kommen unmittelbar den Patienten zugute. All dies sind Gründe, warum die beschriebene Einheit unbedingt zu erhalten ist.

Wenn es zu einer Verbindung von privatwirtschaftlichem Management und Hochschulmedizin kommt - und dafür gibt es gute Gründe -, sollte das gleichermaßen für das Universitätsklinikum wie auch für die Medizinische Fakultät gelten. Dieses Integrationsmodell bietet erhebliche Vorteile gegenüber dem denkbaren Kooperationsmodell, bei dem die Fakultät Teil der Universität, also "staatlich", bleibt und "nur" das Universitätsklinikum privatisiert wird oder einen privatwirtschaftlichen Mitgesellschafter und Partner erhält.

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Private Betreiber können alternative Ressourcen nutzen

Warum meinen private Krankenhausbetreiber, dass sie die Leistungen in der Spitzenmedizin, der Forschung und Lehre wirtschaftlicher erstellen können und erfolgreicher im Management eines Universitätsklinikums sind? Sie haben zum Beispiel weitaus mehr Möglichkeiten, Kapital für dringend notwendige Investitionen zu beschaffen.

In vielen Universitätskliniken findet der Krankenhausbetrieb in hoffnungslos überalterten Gebäuden statt, oft verteilt auf mehrere, weit voneinander entfernte Standorte, was die so wichtige interdisziplinäre Zusammenarbeit der Mediziner massiv behindert. Die weiten Wege für Patienten oder für Transporte - auch von Mahlzeiten oder Medikamenten - sind nicht nur kostenintensiv, sie erschweren auch die wichtige fachübergreifende Patientenversorgung. Die kurzen Wege in einem modernen, zentralen Klinikgebäude erlauben eine oft lebenswichtige schnellere und umfassendere Versorgung und bringen den Patienten eine spürbare Qualitätssteigerung.

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Horizontale und vertikale Vernetzung leichter möglich

Die typischen Vorteile eines großen Konzerns kommen noch in anderer Hinsicht auch bei einem Universitätsklinikum zum Tragen. Konsequenter und verbindlicher werden die in anderen Einrichtungen gemachten Erfahrungen über Betriebsvergleiche und Datenbanken genutzt.

Auch die vom Gesetzgeber ermöglichte Vernetzung zwischen den verschiedenen Sektoren, vor allem zwischen dem ambulanten und stationären Sektor, können schneller und effizienter genutzt werden. Der Aufbau von horizontalen und vertikalen Versorgungsketten ist mit einem größeren Gesundheitskonzern, der bereits verschiedene Einrichtungen betreibt, wesentlich einfacher umzusetzen. Außerdem können bei einer regionalen Vernetzung in einem größeren Klinikverbund Patienten einfacher dorthin verlegt werden, wo sie am besten weiterbehandelt werden.

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Akademische Lehrkrankenhäuser für "einfache Fälle"

Durchaus brisant, aber nicht zu negieren ist die Problematik, dass in einem Universitätsklinikum oft zu viele Patienten behandelt werden, die genau so gut, aber eben mit wesentlich geringeren Kosten in einem Haus der Grund- und Regelversorgung mit derselben Qualität versorgt werden könnten. Natürlich werden für die Aus- und Fortbildung auch "einfache Fälle" benötigt, dies könnte aber vermehrt in Akademischen Lehrkrankenhäusern geschehen.

Die in einem Uniklinikum vorhandenen Strukturen und Ressourcen sind vergleichsweise teuer, sodass sie sparsam und vor allem für die Maximalversorgung eingesetzt werden sollten. Ohne jede Qualitätseinbuße wird ein privater Krankenhausbetreiber hier mehr Transparenz herstellen und den Tatbestand sachlich und unemotional angehen.

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Bündelung von internen und externen Ressourcen

Auch die Einbindung in ein gemeinsames Logistikzentrum und ein gemeinsames EDV-Betreiberzentrum oder eine umfassende teleradiologische Versorgung können vorteilhaft sein. Die Bündelung der Nachfrage und der Abschluss von Rahmenverträgen vermitteln den Kliniken oft wesentlich günstigere Einkaufskonditionen. Die Artikelstandardisierung kann die Zahl der eingesetzten Artikel und Lieferanten auch in einem Universitätsklinikum straffen, die Bündelung der Kompetenzen zum Beispiel in Logistik oder Facility Management dient der Reduzierung der Materialkosten bei garantierter Qualität.

Dienstleistungstöchter können zudem "unterstützende Leistungen" abdecken, sodass sich das Krankenhausmanagement auf die Kernaufgabe des Hauses - eine optimale Patientenversorgung -konzentrieren kann. Denkbar ist ein qualitätsvolles Dienstleistungsangebot, angefangen von Informationstechnologie, Medizintechnik, Speiseversorgung, Reinigung, Transportdiensten, Zentralsterilisation bis hin zur Wäscheversorgung. Mit der Erbringung gleicher Leistungen für viele Einrichtungen entstehen merkliche Synergieeffekte. Einheitliche Qualitätsstandards gewährleisten dabei, dass kein "Qualitätsgefälle" entstehen kann.

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Qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Arbeit

Im Mittelpunkt der Organisationsstruktur des Universitätsklinikums muss ein optimaler Patientenbehandlungsprozess stehen. Deshalb bietet sich eine Gliederung nach Zentren an, die wiederum in Kliniken und Institute sowie gegebenenfalls weitere Leistungsbereiche aufgeteilt sind. Die auf das Krankheitsbild bezogene Ausrichtung und die interdisziplinäre Patientenbehandlung können in Zentren sowohl qualitativ als auch wirtschaftlich besser stattfinden als in separaten Kliniken. Die klinische und die wirtschaftliche Ausrichtung der Zentren legen Vorstand und Zentrumsleitung in jährlichen Zielvereinbarungen fest. Im Rahmen der vorgegebenen Budgets, der Rahmenplanung und der Weisungsrechte des Vorstands haben die Zentren dabei Gestaltungsfreiheit und Eigenverantwortung. Ein leistungsorientiertes Vergütungssystem unterstützt die Einhaltung der Ziele des Universitätsklinikums.

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Unternehmerisches Denken ist immer gefragt

Generell gilt, dass mehr unternehmerisches Denken und Handeln einschließlich der Übernahme unternehmerischer Verantwortung, wie es für einen privatwirtschaftlich handelnden Krankenhausverbund selbstverständlich ist, den Universitätskliniken, seinen Patienten und letztlich auch dem Steuerzahler gut tun würde. Es bleibt abzuwarten, ob es nach der erfolgten ersten Privatisierung der hessischen Universitätskliniken in Gießen und Marburg bald zu einer erneuten Trägerschaft durch einen leistungsfähigen Krankenhausverbund kommt. Die Sana-Kliniken wären dazu bereit.

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Korrespondenz

Dr. Reinhard Schwarz

Sana Kliniken GmbH & Co. KGaA

Gustav-Heinemann-Ring 133

81739 München

eMail: r.schwarz@sana.de

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