Ernährung & Medizin 2007; 22(2): 67-68
DOI: 10.1055/s-2007-981555
Originalia und Übersichten
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Ein „Hoch” auf die Muskelaktivierung

Überblick zu Gesundheitswirkungen körperlicher AktivitätM. Hofmeister1
  • 1Verbraucherzentrale Bayern e.V., München
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Publication Date:
18 June 2007 (online)

Motorische Inaktivität und Trägheit kennzeichnen bekanntlich den modernen, meist schwergewichtigen Zivilisationsmenschen. Vor dieser „Vergesellschaftung des Körpers” warnte der französische Offizier, Diplomat und Schriftsteller Francois VI. Duc de La Rochefoucauld (1613-1680) bereits vor 350 Jahren mit folgender zynischen Sentenz: „Von allen Leidenschaften ist uns die unbewussteste die Trägheit; sie ist die heftigste und die böswilligste von allen, obwohl ihre Kraft nicht fühlbar ist und der Schaden, den sie anrichtet, verborgen bleibt …; sie ist die Windstille, die den wichtigsten Angelegenheiten zu einer größeren Gefahr wird als das Unwetter und die Klippen.” Demgegenüber gibt es nur ein Medikament, das in jeder Altersstufe einen komplexen anpassungswirksamen Einfluss auf den gesamten Organismus ausübt (Tab. [1]), nämlich die regelmäßige Muskelaktivierung (selbst wenn das nur auf ein „Sich-die-Füße-Vertreten” hinausläuft; am besten jedoch moderat bei einem Verbrauch von 2000-2500 kcal/Woche).

Tab. 1 Gesundheitsfördernde Adaptionen körperlicher Aktivität auf ausgewählte physiologische Funktionsbereiche und die Psyche des Menschen Kardiovaskuläre Wirkungen • Verbesserung des Sauerstoffaufnahmevermögens und der Sauerstofftransportkapazität• Senkung der Herzfrequenz• Senkung des systolischen und diastolischen Blutdrucks• Vergrößerung des Schlagvolumens• Hypertrophie der Herzmuskulatur und Herzkammern• Verbesserung der Kontraktionseigenschaften des Herzmuskels• Verbesserung der Blutversorgung der Herzmuskulatur• Verbesserung der Endothelfunktion• Mobilisierung und Aktivierung der endothelialen Vorläufer- und Stammzellen• Reduzierung des peripheren Gefäßwiderstandes• Verbesserung der Blutverteilung in der Skelettmuskulatur Hämodynamische Wirkungen • Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes• Erhöhung der Blutgerinnungsbereitschaft• Erhöhung der Fibrinolyse-Aktivität, antithrombotische Wirkung• Vergrößerte Blutmenge und vermehrter Hämoglobingehalt Metabolische Wirkungen • Zunahme des Mitochondrienvolumens• Verbesserung der Enzymaktivität der Muskulatur• Anstieg des Myoglobingehalts in der Muskelzelle• Vermehrung der intramuskulären energetischen Substrate• Veränderung der Cholesterinzusammensetzung durch Verbesserung des HDL/LDL-Verhältnisses• Senkung der Triglyceridkonzentration• Senkung des Harnsäurespiegels• Gewichtsreduktion (Senkung von Body-Mass-Index, Körperfettanteil, Waist-to-Hip-Ratio, Abbau von viszeralem Fettgewebe, etc.) → Optimierung von Körpersilhouette und Attraktivität• Verbesserung von Muskelmasse und Muskelkapillardichte• Zunahme der Knochendichte (Vorbeugung der Osteoporose) Endokrinologische Wirkungen • Anstieg der Catecholamine• Anstieg des Cortisols• Anstieg des Wachstumshormons• Änderung der Geschlechtshormonkonzentrationen• Drosselung der Insulinproduktion, Steigerung der Insulinsensitivität, Abbau der Insulinresistenz• Anstieg der Serotoninproduktion im limbischen System• Verstärkte Ausschüttung von endogenen opoiden Peptiden (z. B. Endorphine)     Immunologische Wirkungen • Anstieg der Monozyten/Makrophagen• Anstieg der T-Lymphozyten• Anstieg der T-Helferzellen• Anstieg der Natürlichen Killerzellen• Senkung des Interleukin-6• Senkung des Tumor-Nekrose-Faktors-alpha• Senkung des C-reaktiven Proteins Gehirnfunktionale Wirkungen • Mehrdurchblutung des Gehirns• Veränderung der Blut-Hirn-Schranke• Vermehrte Produktion von Neurotransmittern und Nervenwachstumsfaktoren• Gesteigerte Bildung und Freisetzung von Gehirnhormonen (Dehydroepiandrosteron, Pregnenolon, Acetylcholin, u. a.) • Synapsenhypertrophie• Neuronen-Neubildung (speziell im Hippocampus, Gyrus dentatus und präfrontalen Cortex) • Steigerung des Konzentrationsvermögens und der mentalen Leistungsfähigkeit• Schutz vor neurodegenerativen Erkrankungen wie Demenz oder Morbus Parkinson• Steigerung des Abbaus von Beta-Amyloid (zytotoxisch) durch Aktivierung des Enzyms Neprilysin Psychische Wirkungen • Verbesserung von Selbst-/Körperkonzept (Selbstbild, Selbstwertgefühl und Selbstachtung) • Verbesserung von Stimmung und psychischer Belastbarkeit• Abnahme von Spannungs- und Angstzuständen, Ärgererleben, Hemmungen, Depression und Verwirrtheit• Verbesserung der Schlafqualität und der Stressverarbeitung• Verbesserung der Gesundheitszufriedenheit und der „subjektiven Gesundheit”• Verbesserung der Alltagsbewältigung• Steigerung des Wohlbefindens, der Vitalität und der gesamten Lebensqualität

Wünschenswerter Weise bildet die tägliche moderate Bewegung auch die Basis des aktuellen VFED-Ernährungsdreiecks und darf eben auch in der qualifizierten praktischen Ernährungsberatung und -therapie nicht fehlen. Wie sagte doch der ehemalige Chef des Ernährungswissenschaftlichen Instituts der Harvard School of Public Health und spätere Präsident der Tufts University, der renommierte Ernährungsexperte Prof. Dr. Jean Mayer (1920-1993), über den Einfluss der Muskelaktivierung auf das Essen: „Man kann ruhig alles essen, was man mag, man muss seinem Körper nur immer die nötige Bewegung zukommen lassen.”

Dr. oec. troph. Martin Hofmeister

Verbraucherzentrale Bayern e. V.

Referat Ernährung

Mozartstraße 9

80336 München

Email: hofmeister@verbraucherzentrale-bayern.de