Der Klinikarzt 2007; 36(6): 303
DOI: 10.1055/s-2007-984700
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Koronarien, Katheter und konservative Therapie

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Publication Date:
28 June 2007 (online)

Ohne Zweifel: Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems sind die Ursache für die meisten Todesfälle in den industrialisierten Ländern. Daher ist es nur natürlich, dass sehr viel Energie, Zeit und Geld aufgewendet wird, um diese Krankheiten zu verhindern beziehungsweise adäquat zu behandeln. Erstrebenswert ist auch ein, wenn möglich, weltweiter Konsens über eine einheitliche Vorgehensweise. Für das akute Koronarsyndrom (ACS) ist dies inzwischen gegeben. Die in vielen Krankenhäusern geschaffene Möglichkeit für akute Koronarinterventionen und eine mehr oder weniger standardisierte medikamentöse Therapie trugen dazu bei, die Mortalität in den ersten vier Wochen nach dem Infarkt in den letzten zehn Jahren deutlich zu verringern. Auf der medikamentösen Seite hat sich die Kombination von Betablockern, Thrombozytenaggregationshemmern, ACE-Hemmern und Statinen bewährt.

Bei der Nachbehandlung von Patienten mit stabiler Angina pectoris gibt es diese standardisierten Vorgehensweisen allerdings nicht. Dementsprechend konkurrieren mehrere Therapieoptionen. So werden Stenosen invasiv dilatiert oder mit Stents versorgt - teilweise mit der Vorstellung, die Plaque abzudecken („plaque sealing”) -, beim konservativen Vorgehen werden die oben genannten vier Substanzgruppen eingesetzt.

Zwei Arbeiten, die sich dieser Problematik nähern, haben erneut Unsicherheit hervorgerufen. So prüfte COURAGE („Clinical Outcomes Utilizing Revascularization and Aggressive druG Evaluation”; N Engl J Med 2007; 356 (15): 1503-1516), ob eine interventionelle Therapie zusätzlich zur intensiven medikamentösen Behandlung weiteren Nutzen bringt. Überraschenderweise hatten Patienten, die auch interventionell behandelt wurden, keine bessere Prognose als intensiv medikamentös therapierte. Zum Beispiel sank unter der Gabe von Lipidsenkern das LDL-Cholesterin in beiden Gruppen auf etwa 70 mg/dl (1,75 mmol/l). Erwartungsgemäß haben die Kardiologen diese Studie scharf kritisiert, bezüglich der Auswahlkriterien zum Beispiel sicherlich zu Recht. Die laut gewordenen Zweifel an der Kompetenz einiger beteiligter Zentren ist jedoch nicht nachzuvollziehen.

„Schützenhilfe” für ihre Argumente sehen die streithaften Kardiologen in der kürzlich publizierten SWISSI-II-Studie („SWiss International Study on Silent Ischemia type II”; JAMA 2007; 297 (18): 1985-1991). In dieser jedoch sehr kleinen Studie mit nur 200 Patienten wurde bei „stummer Ischämie” eine interventionelle mit einer medikamentösen Therapie verglichen. Dabei schnitt die interventionelle Therapie wesentlich besser ab: Die Differenz im Auftreten so genannter MACE-Ereignisse („major adverse cardiac events”) zwischen den Studiengruppen betrug 6,3 % pro Jahr.

Dabei ist SWISSI II nicht nur wegen dem unterschiedlichen Studienaufbau und der kleinen Zahl der Teilnehmer nicht mit der COURAGE-Studie zu vergleichen. Zudem haben sich seit 1991-1997 - in diesem Zeitraum wurde die SWISSI-II-Studie durchgeführt - sowohl die interventionellen wie auch die medikamentösen Behandlungsoptionen deutlich weiterentwickelt. Beispielsweise lagen die Zielwerte für das LDL-Cholesterin bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung (KHK) damals lange nicht so tief wie heute, und wir wissen aus Studien mit intravaskulärem Ultraschall der Koronarien (IVUS), dass eine Regression der Plaques wahrscheinlich erst bei LDL-Cholesterinkonzentrationen unter 70 mg/dl (1,3 mmol/l ) eintritt.

Daher bleibt die Frage: Wo stehen wir heute? Anhand der COURAGE-Studie muss man befürworten, die Indikation zur Katheteruntersuchung bei stabiler Angina pectoris kritisch(er) zu stellen. Am Sinn der konsequenten medikamentösen Therapie mit Betablockern, Thrombozytenaggregationshemmern, ACE-Hemmern und Statinen (mit dem Ziel eines möglichst niedrigen LDL-Cholesterins) besteht dagegen überhaupt kein Zweifel mehr.

Prof. Dr. A Weizel

Mannheim