Zusammenfassung
Leitlinienkonformität ist ein Maß für die Übereinstimmung des Wissens, Denkens und/oder Handelns eines Akteurs mit den in einer Leitlinie gegebenen Empfehlungen. Zu diesem Konstrukt wurden anhand einer Analyse aktueller deutscher und ausländischer empirischer Forschungsarbeiten Möglichkeiten der Operationalisierung und Messung zusammengestellt.
Die Erhebungseinheiten von Leitlinienkonformität sind Handlungen. Leitlinienkonformität kann sich auf die Analyseeinheiten Akteure (z. B. Anteil leitlinienkonformer Ärzte eines Fachgebietes in einer Region), Handlungsfelder (z. B. Anteil leitlinienkonformer Medikation, Diagnostik etc.) oder Patienten (Anteil leitlinienkonform versorgter Patienten) beziehen.
Bei der Konstruktion eines Erhebungsinstruments kann zwischen induktivem und deduktivem Vorgehen unterschieden werden, wobei jeweils entweder die Versorgungsrealität oder die Leitlinie die Ausgangsbasis für die Identifizierung relevanter Handlungen/Entscheidungen bzw. Leitlinienempfehlungen ist. In der Literatur haben sich prozentuale Konformitätswerte durchgesetzt, die allerdings nur unter bestimmten Bedingungen aussagekräftig sind. Praxisrelevante Schlussfolgerungen können aus Leitlinienkonformität nur gezogen werden, wenn zwischen zu rechtfertigenden und nicht zu rechtfertigenden Gründen für Non-Konformität unterschieden werden kann.
Informationen zur Leitlinienkonformität können dazu beitragen, die Qualität (v. a. Strukturen und Prozesse) der Versorgung zu verbessern, Leistungen und Leistungserbringer zu bewerten, Leitlinien zu optimieren sowie die Implementierungsforschung zu unterstützen. Inwiefern Leitlinienkonformität ein valider Surrogatparameter für die Qualität der Versorgung ist, hängt von der Güte der jeweiligen Referenz-Leitlinie und von der Konstruktion des Instruments zur Erhebung von Leitlinienkonformität ab. Leitlinienkonformität drückt nicht aus, in welchem Umfang Leitlinien genutzt werden, sondern lediglich, ob und in wieweit die Inhalte der Leitlinien auch Inhalte gängiger Versorgungspraxis sind.
Abstract
Adherence to guidelines denotes the degree of conformity between the knowledge, cognition and/or action of an agent with the recommendations of a guideline. Regarding this construct, an analysis of German and international publications of empirical research was conducted to reveal opportunities of operationalisation and measurement.
The units of investigation of guideline conformity are actions. Analysis may focus upon agents (e.g., proportion of guideline-adherent specialists in a region), fields of action (e.g., percentage of guideline-adherent prescriptions or diagnostic procedures) or patients (percentage of patients treated according to the guideline).
The construction of an appropriate instrument can follow an inductive or deductive approach, focusing either upon the reality of care or the relevant guideline(s) for the identification of candidate actions, decisions or guideline recommendations. The literature is dominated by percentage measurements of guideline conformity, the validity of which is limited to defined conditions. Conclusions for practice are only possible if one can distinguish between justified and non-justified non-adherence to guidelines.
Evaluation of guideline adherence may contribute to an improvement of structural and process quality, the assessment of standards of practice and involved agents, and the improvement of guideline implementation. Whether guideline adherence is a valid surrogate parameter for the quality of care depends on the quality and appropriateness of the relevant guideline(s) and on the instrument used for measuring adherence. Guideline adherence does not prove that guidelines are used, but rather whether and to what extent the contents of guidelines are also contents of everyday care.
Schlüsselwörter
Leitlinie - Leitlinienkonformität - Operationalisierung - Erhebungsinstrument
Key words
guideline - adherence to guidelines - operationalisation - survey instruments