Zahnmedizin up2date 2008; 2(1): 41-52
DOI: 10.1055/s-2007-989309
Interdisziplinäre Kieferorthopädie beim Erwachsenen

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Interdisziplinäre Kieferorthopädie beim Erwachsenen

Robert Fuhrmann
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Publication Date:
23 January 2008 (online)

Hintergrund

Korrekturen gravierender dentofazialer Anomalien und die multidiziplinäre Therapie kraniomandibulärer und orofazialer Funktionsstörungen bei Erwachsenen haben in den letzten Jahren einen wachsenden Anteil am Patientengut in den kieferorthopädischen Praxen [[1]].

Dominierende Behandlungsmotivation bei Erwachsenen ist oft das gestiegene ästhetische Bewusstsein und Anforderungsprofil in der modernen Gesellschaft. Die Optimierung des eigenen dentofazialen Erscheinungsbildes, insbesondere die Schaffung oder Erhaltung eines jugendlichen Lächelns ist ein entscheidender Faktor der physischen Attraktivität [[2]]. Ein ästhetisches Erscheinungsbild ist ein Eckpfeiler des Zeitgeistes. Die allgegenwärtige Medienwelt verwendet dieses weit verbreitete Streben nach ästhetischer Perfektion als Marketingkonzept.

Merke: In der Erwachsenenbehandlung münden nach Wertung medizinischer und funktioneller Gesichtspunkte zunehmend ästhetische Überlegungen in ein umfassendes, meist interdisziplinäres Behandlungskonzept.

Die Wünsche des Patienten hinsichtlich einer Verbesserung der Gesichtsästhetik haben zunehmenden Einfluss auf die Indikationsstellung [[3], [4], [5]]. Eine emotional euphorische Vorhersage oder gar computergestützte Planung einer signifikanten Verbesserung des äußeren Erscheinungsbildes oder des „smile style“ sollte aus forensischen Überlegungen zurückhaltend erfolgen [[1], [5]].

Merke: Überzogene Wunschvorstellungen sind nach Auswertung der medizinischen Befunde durch eine eher konservative Indikationsstellung zu relativieren.

Die Motivation erwachsener Patienten wird durch die rasante technologische Weiterentwicklung der Medizintechnik forciert. Im Bereich der orthodontischen Apparaturen wird die unsichtbare Schienenbehandlung, die linguale Bracketfixation oder die Verwendung von skelettalen Verankerungsmethoden häufig uneingeschränkt propagiert (Abb. [1]). Die Verwendung von Keramikbrackets und weiß beschichteten Drahtbögen reduziert den auffälligen Charakter von bukkal fixierten Metallapparaturen.

Abb. 1 Retromolare Insertion einer orthodontischen Minischraube (Titan Firma Forestadent) zur skelettalen Verankerung.

Auswahl der geeigneten Apparatur

Für den Kieferorthopäden ergibt sich die Indikation zur Auswahl der jeweiligen Apparatur weniger nach ästhetischen Überlegungen, sondern anhand des individuellen Behandlungsaufwands, dem Schwierigkeitsgrad der bevorstehenden Aufgabe und zunehmend nach den wirtschaftlichen Vorgaben der Kostenerstatter.

Bei kombiniert kieferorthopädisch-kieferchirurgischen Korrekturen in einem Lückengebiss bedarf es einer leicht zugänglichen, funktionsstabilen und effektiven Behandlungsapparatur, die sich prä-, intra- und postoperativ einfach kontrollieren und nach biomechanischen Überlegungen leicht intraoral abändern lässt [[4]].

Merke: Die Auswahl der kieferorthopädischen Apparatur ergibt sich primär aus funktionellen Überlegungen. Die Ästhetik sollte zweitrangig sein.

Literatur

  • 1 Bock J, Bock F, Fuhrmann R. Juristische Aspekte der kieferorthopädischen Behandlung unter besonderer Berücksichtigung der Extraktionstherapie.  Die Quintessenz. 2004;  55 643-651
  • 2 Diedrich P. Kieferorthopädie zwischen Ästhetik und Funktion.  Schweiz Monatsschr Zahnmed. 1995;  105 491-505
  • 3 Diedrich P. Kieferorthopädische Behandlung Erwachsener. Diedrich P (Hrsg.) Kieferorthopädie III. München; Urban & Fischer 2002: 173-208
  • 4 Fuhrmann R. Die kombiniert kieferorthopädisch-kieferchirurgische Behandlung. Diedrich P (Hrsg.) Kieferorthopädie III. München; Urban & Fischer 2002: 102-136
  • 5 Fuhrmann R. Risikomanagement für den zahnärztlichen Schadensfall. Heidemann D Deutscher Zahnärztekalender 2007. Köln; Deutscher Zahnärzte Verlag 2007: 181-192

Univ.-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Robert A. W. Fuhrmann

Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg
Universitätspoliklinik für Kieferorthopädie

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