Zeitschrift für Palliativmedizin 2007; 8(3): 87
DOI: 10.1055/s-2007-990728
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Aisthesis, Logos, Politeia, Helios, Anthropos

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Publication Date:
24 September 2007 (online)

 

Birgit Jaspers

Martina Kern

Die vertrautesten Begriffe in Palliativmedizin und Hospizarbeit kommen sicher aus dem Lateinischen: Mit seiner Herleitung von pallium (der Mantel) verweist der Terminus für die medizinische Disziplin auf ihr Anliegen der Geborgenheit gebenden Umhüllung und Linderung. Hospitium (die Herberge) gab der Hospizidee und Hospizarbeit ihren Namen, der umsorgende Aufnahme an einem schützenden Ort verspricht.

Die Anfangsbuchstaben der oben genannten fünf griechischen Begriffe, die wir nicht zufällig gewählt haben, ergeben ALPHA, uns allen eher bekannt als Akronym für die Ansprechstelle im Land NRW zur Pflege Sterbender, Hospizarbeit und Angehörigenbegleitung. Anlässlich der unschätzbaren Arbeit dieser Einrichtung, die in diesem Jahr ihr 15-jähriges Jubiläum feiert, und des 60. Geburtstags von Monika Müller sollen aisthesis, logos, politeia, helios und anthropos die Eckpfeiler ihres besonnenen und engagierten Einsatzes für die Integration von Hospizarbeit und Palliativmedizin in Deutschland umreißen, der nachhaltig und ungebrochen ist.

Sinnliche Wahrnehmung, aisthesis, ist ein Vorgang, in dem Daten der äußeren Welt dem Organismus zugeführt, dort zu Informationen verarbeitet werden und sich als Sichtweisen oder Gewohnheiten im Denken und Handeln niederschlagen. Daraus erwachsen Prinzipien, Werte, Normen. Nichts ist an sich schön oder hässlich, erst das empfängliche Verhalten macht es dazu, und: Die für den Einzelnen geltenden Normen sind entwicklungsfähig.

Anders als in der Neuzeit, in der logos nur noch im Sinne von Vernunft verstanden wird, sah die Stoa darin das Vernunftprinzip des Weltalls. Der logos ist der ruhende Ursprung, aus dem alle Tätigkeit hervorgeht. Er konstituiert somit sowohl die Kausalität als Ursache-Wirkungs-Prinzip, als auch ein hiervon angeleitetes, dem alttestamentlichen Tun-Ergehen-Zusammenhang nicht unähnliches sittliches Prinzip. Politeia als Staat oder Staatswesen adressiert Zweierlei: die Frage nach der Gerechtigkeit in einem (geordneten) Gefüge der Macht, aber auch das Problem der Berücksichtigung und Durchsetzung von auf der Würde des Menschen beruhenden Ansprüchen in einer Gesellschaft. Helios, der griechische Sonnengott, und die Sonne selbst sollen für das Leben und den wiederkehrenden Lauf vom Anfang zum Ende stehen. Und anthropos, der Mensch, ist das Zentrum dessen, worum Palliativmedizin und Hospizarbeit sich bemühen, ohne den Blick dafür zu verlieren, dass jeder Einzelne in Bezügen steht, die über ihn hinausgehen.

Von diesen Ideen durchdrungen, hat Monika Müller, sowohl im Vorstand der BAG Hospiz als nun auch der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, in unzähligen Publikationen, Vorträgen und Unterrichtseinheiten stets das Verbindende von Hospizarbeit und Palliativmedizin thematisiert. Sie achtet darauf, dass Multiprofessionalität gelebt werden kann und gelebt wird: durch eindringliche Lehre, durch das Schärfen des Blicks auf den Anderen, durch Sensibilisierung für die Schönheit des Seienden, durch politischen Einsatz für eine dem Leidenden gerecht werdende Aufnahme in eine der Fürsorge verpflichtete Mitmenschlichkeit.

Dafür, dass sie Hölderlins Worte "Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch" stets als Auftrag versteht, zum Wachsen dieses Rettenden in Palliativmedizin und Hospizarbeit aktiv beizutragen, sagen wir ihr, stellvertretend für alle Weggefährten in unserem Arbeitsbereich, von Herzen Dank.

Birgit Jaspers, Bonn

Zentrum für Palliativmedizin, Universität Bonn, Malteser Krankenhaus Bonn/Rhein-Sieg

Martina Kern, Bonn

Zentrum für Palliativmedizin, Malteser Krankenhaus Bonn/Rhein-Sieg

Email: martina.kern@malteser.de