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DOI: 10.1055/s-2007-992854
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Hauptvortrag - Die Rolle der Aspirinintoleranz bei der Diagnostik und Therapie der chronischen Rhinosinusitis
Publication History
Publication Date:
26 October 2007 (online)
Rezidive der chronisch-polypösen Rhinosinusitis sind immer dann besonders häufig und treten früh nach erfolgter chirurgischer Therapie auf, wenn Patienten als analgetikaintolerant charakterisiert wurden. Hier sind nach chirurgischer Monotherapie Rezidive einer Polyposis nasi bereits nach 12 Monaten in einer Größenordnung von 40% oder mehr zu erwarten. Ursächlich liegt der Analgetikaintoleranz eine pathologische Eicosanoidfreisetzung zu Grunde, die darauf beruht, dass im Arachidonsäurestoffwechsel die Zyklooxygenase-Enzyme durch Aspirin aber auch durch fast alle anderen nicht-steriodalen Antiphlogistika gehemmt werden. Es kommt hierdurch zu einer Minderproduktion von Prostaglandinen, die im Bezug auf inflammatorische Wirkungen protektive Funktion haben. So hemmt beispielsweise Prostaglandin E2 die Freisetzung von Leukotrienen aus eosinophilen Granulozyten welche bekanntlich bei der chronisch polypösen Rhinosinusitis in großer Zahl als Schleimhautinfiltrat vorliegen. Alternativ wird Arachidonsäure über den Lipoxygenasestoffwechselweg zu Leukotrienen mit ihrer stark inflammatorischen Wirkung verstoffwechselt. Es kommt hiermit zu einer Umkehr des physiologischen Übergewichtes von Prostaglandinen gegenüber Leukotrienen (Abb. [1]).
Abb. 1: Wirkungsort der nichtsteroidalen Antiphlogistika schematisch dargestellt im Stoffwechsel der Arachidonsäure.
Das klinische Vollbild der Analgetikaintoleranz definiert sich über die Samter'sche Trias mit Polyposis nasi, intrinsischem bis zum Asthma bronchiale sowie der klinischen Unverträglichkeit gegenüber den nicht-steriodalen Antiphlogistika. Jedoch tritt diese Symptomentrias in vielen Fällen zeitversetzt über Jahre und Jahrzehnte auf sodass über längere Zeiträume eine inkomplette Symptomatik vorliegt. In solchen Fällen ist die klinische Früherkennung beispielsweise einer Rezidiv-Polysposis in ihrem ursächlichem Zusammenhang zu einer Analgetikaintoleranz in vielen Fällen schwierig. Unterschiedliche Arbeitsgruppen haben sich in der Vergangenheit deshalb bemüht serologische Verfahren zu entwickeln, die eine in-vitro-Diagnostik ermöglichen. Da bei inkompletter Trias auch eine orale oder bronchiale Provokation nicht immer wegweisend ist, kann auf diesem Wege nicht nur die Diagnosestellung abgesichert, sondern vor allem auch ein klinischer Verlauf über die Zeit im Sinne einer Therapiekontrolle dokumentiert werden. Mit dem Eicosanoid-Imballance-Test, der Ende der 90er Jahre von Schäfer und Baenkler in Erlangen entwickelt wurde, steht ein Instrument zur Verfügung, dass serologisch einen Prostanglin-Leukotrien-Index ermittelt und so eine Kategorisierung der Stoffwechselsituation im Bezug auf eine Analgetikaintoleranz ermöglicht. Dieser Test ist in der Zwischenzeit an beträchtlichen Patientenzahlen validiert und im Bezug auf seine Aussagekraft, Spezifität und Sensitibität gut beschrieben. In eigenen Studien haben wir hiermit bei entsprechend therapierten Patienten ein in-vitro-Monotoring über bis zu drei Jahre durchgeführt und eine klare Korrelation zur klinischen Entwicklung beobachtet.
Es existieren seit den frühen achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts zahlreiche Berichte darüber, dass eine adaptive Desaktivierung bei Vorliegen einer Analgetikaintoleranz durch Zufuhr von regelmäßigen oralen Aspirindosen klinisch erfolgreich durchgeführt werden kann. Allerdings herrscht auch Klarheit darüber, dass über die Refraktärphase von 48 Stunden hinaus, im Falle einer Unterbrechung der Therapie, kein weiterer Schutz besteht. Nach Absetzen des Aspirins kommt es regelmäßig innerhalb einiger Wochen bis weniger Monate zu einer erneuten pathologischen Umkehr des Eicosanoidfreisetzungsprofils und zum Wiederauftreten entsprechender Symptome. Vor diesem Hintergrund ist bis heute die Ausgestaltung eines langfristig wirksamen Therapieprotokolls für die adaptive Desaktivierung Gegenstand kontroverser Diskussionen. Während insbesondere US-Amerikanische Arbeitsgruppen nach initialer Induktion im Sinne einer Hochdosistitration auch hohe Erhaltungsdosen, in der Regel 2x 650mg täglich, empfehlen, sehen sie sich gleichzeitig mit einer inakzeptablen Compliance bei Langzeittherapie und Nebenwirkungen in bis zu 56% der Fälle konfrontiert. Eine "Aspirin Desentization Task force" unter Leitung amerikanischer Wissenschaftler empfahl daher in einem Konsensusmanuskript aus dem Jahre 2007 eine Dosisreduktion nach Ablauf weniger Wochen auf bis zu 81mg täglich, die den Desaktivierungsstatus aufrecht erhält.
Während in Deutschland unterschiedliche Arbeitsgruppen über erfolgreiche Desaktivierungen mit Erhaltungsdosen von 300mg pro Tag berichten, konnten wir in mehreren prospektiven klinischen Untersuchungen eine gleichbleibende Effektivität auch bei Reduktion auf 100mg pro Tag zeigen (Abb [2a], [2b]).
Abb. 2a: Klinische Parameter im Verlauf einer Desaktivierungstherapie mit einer Erhaltungsdosis von 100 mg Aspirin nach 2 Jahren.
Bei dieser auch aus cardio-vaskulärer protektiver Therapie in große Kohorten bekannten Dosierung erscheint die Rate insbesondere dyspeptischer Nebenwirkungen gegenüber 300mg nochmals reduziert. Nach unterschiedlichen Erfahrungen und Studienergebnissen erscheint auch eine weitere Reduktion vorstellbar. Auch über eine erfolgreiche Verbesserung der in-vitro-Parameter durch eine intranasale Desaktivierungstherapie mit Lysin-Aspirin (16mg alle 48 Stunden) wurde berichtet.
Nach unserer Einschätzung ist jedoch auf Grund der hervorragenden Verträglichkeit von 100mg eine weitere Dosisreduktion nicht zwingend erforderlich.
Zusammenfassend konnten wir in bislang über 400 desaktivierten Patienten die Erfahrung sammeln, dass die Rate der Rezidivpolyposis bei entsprechend frühem, postoperativem Beginn einer Therapie signifikant durch eine Low-dose-Desaktivierung gesenkt werden kann. Der sensitivste klinische Parameter ist hierbei im Verlauf der Geruchssinn der Patienten. Neuere Ergebnisse grundlagenorientierter Forschung weisen darauf hin, dass der Zyklooxygenasestoffwechsel in der Polyposis nasi auch unabhängig vom Vorliegen einer Analgetikaintoleranz gestört ist. Wir konnten zeigen, dass bei Nasenpolypen grundsätzlich die induzierbare Zyklooxygenase II signifikant herabreguliert ist. Interessanterweise kommt es hier offensichtlich zur Wechselwirkung der in der Folge relativ überwiegenden Zyklooxygenase I mit dem Wachstumsfaktor VPF/VEGF ("Vascular Permeability Factor/Vascular Endothelial Growth Factor"). Hierin liegt möglicherweise ein grundlegender pathophysiologischer Mechanismus wachstumsfördernder und permeabilitätsregulierender Wirkungen, der das typische, häufig stark ödematöse Wachstumsmuster nasaler Polypen mitbedingt. Somit ist der Eicosanoidstoffwechsel ein bedeutsamer und wie wir aus der Behandlung der Analgetikaintoleranz lernen konnten auch ein beeinflussbarer Parameter in der Pathophysiologie der polypösen Rezidiv-Rhinosinusitis. Ein pathologischer Eiconsanoidshift wird daher für die Zukunft auch als Target der Behandlung analgetikatoleranter Patienten mit Polyposis nasi zu prüfen sein.
Schlussfolgernd erweisen sich heute langfristig verträgliche Erhaltungsdosen als geeignet, das Rezidivrisiko der Polyposis nasi bei Patienten mit Analgetikaintoleranz effektiv zu senken. Bezüglich der Desaktivierungstherapieprotokolle und der anzuwendenden Dosierungen ergibt sich international ein noch heterogenes Bild. Dieses wird nur durch eine Anhebung des Evidenzniveaus entsprechender klinischer Studien zu vereinheitlichen sein. Hierzu sind erste prospektiv-randomisierte doppelblind placebokontrollierte Studien auf den Weg gebracht worden, die wünschenswerterweise zukünftig von multizentrischen Untersuchungen mit noch größeren Fallzahlen gefolgt werden.
Abb. 3: In vitro-Parameter des gleichen Patientenkollektivs (s. Abb. 2a) nach 2 Jahren.
Dr. med. habil. Jan Gosepath
Universitäts-HNO-Klinik
Joh.-Gutenberg-Universität
Langenbeckstr. 1
55131 Mainz
Email: gosepath@hno.klinik.uni-mainz.de