Kommentar
Die Spina bifida ist die häufigste frühkindliche Missbildung. Sie macht die Betroffenen
trotz bemerkenswerter Fortschritte in der chirurgischen Versorgung wie der Rehabilitation
zu schwer Behinderten mit erheblichen funktionellen Einschränkungen und damit der
Lebensqualität. Schon lange weiß man, dass auch eine gesunde, „ausgewogene” Ernährung
der Mutter keine ausreichende Vorsorge gegen diese Fehlbildung ist. Obst und Gemüse
enthalten häufig viel weniger Folsäure als sie laut Lehrbuch sollten. Auch kommt die
zusätzliche Einnahme von Folsäurepräparaten, wenn eine Frau feststellt, dass sie schwanger
ist, in aller Regel schon zu spät, da zu diesem Zeitpunkt der Embryonalentwicklung
der Verschluss des Neuralrohres bereits abgeschlossen ist. Die Idee, ein Grundnahrungsmittel
mit zusätzlicher Folsäure anzureichern, wurde inzwischen von mehreren Ländern umgesetzt.
In Europa setzen hier die Ungarn mit der Fortifikation von Brot Maßstäbe. In den USA
stellen Forscher inzwischen fest, dass die Allgemeinversorgung inzwischen so gut ist,
dass sie kaum noch Studien zum Folsäuremangel durchführen können. In (Süd-)Deutschland
konnte mit Einführung der Jodierung von Speisesalz ähnliches be-obachtet werden. Da
es aber bei uns nicht danach aussieht, als ließe sich der Gesetzgeber von den guten
Beispielen in Sachen Folsäure-Fortifikation beeindrucken, bleibt nur die Individualprophylaxe.
Die funktioniert zwar ziemlich schlecht, wie entsprechende Studien zeigen, aber man
sollte nichts unversucht lassen.
Osteopathen, die vielen Menschen helfen können, aber angesichts der irreversiblen
strukturellen Schäden bei der Spina bifida therapeutisch wohl auch nur begrenzt erfolgreich
sein können, könnten hier einen anderen Trumpf einsetzen: ihre besonders gute therapeutische
Beziehung. Es gilt, jeder Frau, die theoretisch Kinder bekommen kann, bei jeder Gelegenheit
ans Herz zu legen, „sicherheitshalber” zusätzlich Folsäure zu sich zu nehmen. Das
geht durch gezielte Auswahl der Nahrungsmittel (in der Praxis oft schwierig), Folsäurepräparate
(konsequente Einnahme in der Praxis ebenfalls oft schwierig) oder bestimmte Getränke,
die zusätzlich Folsäure enthalten (beim Einkaufen dran denken reicht hier meist schon
aus...).
K. L. Resch