Pädiatrie up2date 2008; 3(1): 61-93
DOI: 10.1055/s-2007-995401
Sozialpädiatrie

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schulschwierigkeiten

Thomas  Baumann, Romedius  Alber
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Publication Date:
14 March 2008 (online)

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Einleitung

Schulschwierigkeiten sind, neben den akuten Erkrankungen, einer der häufigsten Konsultationsgründe in der pädiatrischen Praxis. Sie äußern sich entweder als spezifische Leistungs- oder Integrationsproblematik oder als unspezifische Verhaltensauffälligkeit/psychische Störung bzw. psychosomatisches Leiden. Die Kenntnis der vielfältigen Ursachen ist Voraussetzung, um den Kindern mit Schulschwierigkeiten richtig helfen zu können. Der Umstand, dass die Störungen nur in Ausnahmefällen als isolierte Leistungseinbußen auftreten, sondern in der Regel als Symptomenkomplexe, die diverse Fähigkeiten betreffen, macht die Aufgabe für den Kinderarzt nicht leichter. Er hat nun die Möglichkeit, diagnostisch tätig zu sein oder sich als Koordinator zwischen Pädagogen, Psychologen und Eltern für das Kind einzusetzen. Die Ursachenklärung und zusammenfassende Beurteilung ist Voraussetzung für die Einleitung einer geeigneten Hilfestellung. Dieser Aufsatz gibt einen Überblick der häufigsten Störungsbilder und trägt mit einem praxisorientierten Ablaufschema dazu bei, dass der Pädiater seine Abklärungen effizienter durchführen und gezielter sinnvolle Maßnahmen einleiten kann.

Problemstellung Merke: Immer mehr Schüler verlassen die Schule ohne Abschlusszeugnis (in der Bundesrepublik mehr als 9 % der Hauptschüler 34). Auch in Realschulen und Gymnasien kommt es häufig zu folgenschweren Abbrüchen der Schullaufbahn.

Einerseits beklagen Eltern eine Überforderung durch die Schule, andererseits glauben sich die Lehrer durch Lehrpläne, zunehmend auch durch Eltern, zu erhöhten Leistungsanforderungen gedrängt. In Reihenuntersuchungen geben 20 % der Schüler an, dass sie sich den Ansprüchen ihrer Lehrer und Eltern nicht gewachsen fühlen. Sie fallen durch schwache, ungleichmäßige oder plötzlich nachlassende Leistungen auf, zeigen Schulunlust/-angst oder andere Störungen im psychischen und körperlichen Bereich: Gefühle von Resignation bis Aggression, motorische Unruhe oder psychosomatische Symptome.

Abhängig vom sozialen Hintergrund werden pauschale Diagnosen wie „Begabungsmangel”, „Faulheit”, „Konzentrationsschwäche” ausgesprochen, denen mit entsprechend unspezifischen Maßnahmen entgegengetreten wird: Vorwürfen, Strafen, Drill, Klassenwiederholung, (voreilig) vermutete Sonderschulbedürftigkeit. In vielen Fällen schieben sich Schule und Eltern gegenseitig die Verantwortung zu und die Zuständigkeiten auch der schulnahen Fachpersonen bleiben unklar.

So beginnt leider oft eine Odyssee an (para-)psychologischen Abklärungen, welche in wenig verständliche „Diagnosen” münden und zu unterschiedlichsten Therapieempfehlungen führen. Dies ist Ausdruck der allseitigen Ratlosigkeit und hilft nicht wirklich, sondern verschärft oft nur die Situation für das Kind. Auch der Schularzt kann oft nicht konstruktiv zur Klärung und Lösung solcher Probleme beitragen.

Abb. 1 Für viele Kinder Alltag: das Klassenzimmer als Ort des Schreckens und der Verzweiflung. Woran liegt das? (Quelle: photodisc).

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