Einleitung
Eine Vielzahl von Medikamenten kann eine Akne induzieren, aggravieren oder unterhalten. Dazu zählen auch Antiepileptika wie Hydantoine, Trimethadion, Primidon und Phenobarbital [5 ]. Bislang gibt es über die zugrunde liegenden Pathomechanismen der durch Antiepileptika ausgelösten Akne keine gesicherten Erkenntnisse. Bei den Hydantoinen werden androgene Eigenschaften vermutet.
Frühere Untersuchungen ließen allerdings keinen Zusammenhang zwischen Antiepileptika und Akne erkennen. So verglichen Greenwood und Mitarbeiter [4 ] den Schweregrad der Akne und die Sebumexkretionsrate bei 243 Patienten, die wegen einer Epilepsie unterschiedliche Medikamente einnahmen, mit 2176 gesunden Individuen. In dieser Studie war bei den Patienten weder ein signifikant höherer Schweregrad der Akne anzutreffen noch eine signifikant höhere Sebumexkretionsrate messbar.
Aufgrund von Begleiterkrankungen ist oftmals eine systemische Therapie unumgänglich, sodass in diesen Fällen die Therapie einer gleichzeitig bestehenden Akne erschwert und eine vollständige Abheilung oftmals nicht möglich ist. Im Falle von Isotretinoin (13-cis -Retinsäure), das Aknepatienten über mehrere Monate verabreicht wird, ergibt sich potenziell ein höheres Risiko von Arzneimittelinteraktionen, wenn Patienten behandelt werden, die neben der Hauterkrankung gleichzeitig auch an chronischen Erkrankungen leiden und diesbezüglich einer dauerhaften Behandlung bedürfen.
Vorgestellt wird ein Patient mit Acne conglobata und medikamentös eingestelltem epileptischen Anfallsleiden, der mit einer systemischen Isotretinointherapie erfolgreich und komplikationslos behandelt wurde. Anhand des Falles soll auf die potenziellen Interaktionen zwischen Isotretinoin und Antiepileptika eingegangen werden.
Fallbericht
Anamnese
Ein 21-jähriger Patient stellte sich in unserer Ambulanz mit einer seit Jahren bestehenden Acne conglobata vor. Der Hautbefund hatte sich in den letzten Wochen deutlich verschlechtert. Zudem litt der Patient seit dem zweiten Lebensjahr an einem epileptischen Anfallsleiden, das medikamentös mit Lamotrigin 100 mg/die (Lamictal®) und Valproinsäure 1200 mg/die (Ergenyl®) eingestellt war. Das Allgemeinbefinden war nicht beeinträchtigt.
Hautbefund
Im Gesicht, am Rücken sowie an der Brust fanden sich auf seborrhoischer Haut multiple entzündliche, teilweise konfluierende, follikulär gebundene Papeln, Pusteln und Knoten mit Narbenbildung ([Abb. 1 a ]
[2 a ]). Vereinzelt waren Fistelkomedonen vorhanden. Dagegen waren geschlossene oder offene Komedonen nicht erkennbar.
Abb. 1 21-jähriger Patient mit Acne conglobata vor (a ) und nach (b ) viermonatiger Systemtherapie mit Isotretinoin.
Klinisch-chemische Untersuchungen
Bis auf leicht erhöhte Entzündungsparameter wie ein CRP-Anstieg auf 1,5 mg/dl (normal: < 0,5 mg/dl) und eine Leukozytose von 17,02/nl (normal: 3,8 - 10,7/nl) unauffällige Routinelaborparameter. LH, FSH, Testosteron, DHEAS, Androstendion 17-Hydroxy-Progesteron und Kortisol im Normbereich. Lamotrigin- und Valproinsäurespiegel im Serum im Normbereich.
Bakteriologische Untersuchung
In mehrfachen Pustelabstrichen kultureller Nachweis von Staphylococcus epidermidis .
Therapie und Verlauf
Aufgrund der Schwere und Ausdehnung des Hautbefundes wurde eine systemische Therapie mit 40 mg/die Isotretinoin (entsprechend 0,5 mg/kg Körpergewicht/die) eingeleitet. Unter der angegebenen Therapie kam es zu einer deutlichen Befundbesserung mit Reduktion der entzündlichen Effloreszenzen und der Seborrhö, sodass die Therapie nach vier Monaten mit einer reduzierten Dosis von 30 mg/die als Erhaltungsdosis fortgesetzt werden konnte ([Abb. 1 b ]
[2 b ]). Über den gesamten Behandlungszeitraum wurden regelmäßige Verlaufskontrollen der Antiepileptikaspiegel im Serum durchgeführt, wobei keine pathologischen Veränderungen auffielen. Ein epileptisches Anfallsleiden wurde in dieser Zeit nicht beobachtet.
Abb. 2 21-jähriger Patient mit Acne conglobata vor (a ) und nach (b ) viermonatiger Systemtherapie mit Isotretinoin.
Diskussion
Die Einführung von Isotretinoin hat die Therapie der mittelschweren bis schweren Akneformen revolutioniert [10 ]. Im Unterschied zu allen anderen Aknetherapeutika beeinflusst die Substanz alle vier wesentlichen pathogenetischen Faktoren der Akne: intrafollikuläre Hyperkeratose, Androgen-abhängige Seborrhö, mikrobielle Hyperkolonisation mit Propionibacterium acnes sowie Entzündung und Immunreaktion. Unerwünschte Nebenwirkungen, die bei der oralen Einnahme auftreten können, zumeist dosisabhängig und reversibel sind, betreffen insbesondere die Haut und Schleimhaut (Cheilitis sicca, Dermatitis facialis) sowie Laborveränderungen (Erhöhung von Transaminasen und Serumlipiden), daneben erfordert die Teratogenität bei Frauen im gebärfähigen Alter eine strikte Einhaltung von Sicherheitsmaßnahmen, die eine sichere Kontrazeption und regelmäßigen Schwangerschaftsausschluss einschließen. Isotretinoin ist eine hochwirksame, mittlerweile in Europa seit über zwei Jahrzehnten in der Aknetherapie bewährte Substanz, die in ausreichender Dosierung und Behandlungsdauer nach Beendigung der Therapie oftmals zu einer bleibenden, mitunter lebenslangen Erscheinungsfreiheit führt und sich hierdurch von allen anderen Aknetherapeutika positiv abhebt [9 ].
Im Zusammenhang mit dem vorgestellten Fall ist von Bedeutung, dass die Substanz in der Leber über Enzyme des Cytochrom-P450-Systems metabolisiert wird und daher eine Reihe möglicher Interaktionen mit anderen Pharmaka aufweist [6 ]. Aufgrund der fast vollständigen Bindung an Plasmaproteine (> 99 %) ist eine Interaktion zwischen Isotretinoin und Antiepileptika durch Verdrängung von den Proteinbindungsstellen zumindest theoretisch vorstellbar, jedoch sind diese Arzneimittelinteraktionen bisher nicht in klinischen Studien untersucht worden. Es gibt lediglich Hinweise verschiedener Autoren, die eine derartige Arzneimittelinteraktion nahelegen.
Marsden [8 ] berichtete über eine Interaktion zwischen Isotretinoin und Carbamazepin, die bei einem Aknepatienten aufgetreten war. Die Metabolisierung von Carbamazepin erfolgt in der Leber. Ein aktiver Metabolit der Substanz ist deren 10,11-Epoxit. Es wäre also denkbar, dass Isotretinoin den Stoffwechsel beider Substanzen (Carbamazepin und dessen Metaboliten) beeinflusst. Diese Vermutung wurde bei einem Aknepatienten überprüft, der wegen einer Epilepsie mit Grand-Mal-Anfällen behandelt wurde. Die Konzentrationen von Carbamazepin und dessen Metaboliten nahmen während der Therapie mit Isotretinoin ab. Es wurde angenommen, dass die Veränderungen auf eine verringerte Absorption oder verstärkte Elimination von Carbamazepin und dessen Metaboliten zurückzuführen waren.
Macdonald-Hull und Cunliffe [7 ] fanden bei sechs Aknepatienten keinen sicheren Hinweis auf eine Interaktion zwischen Isotretinoin und den eingesetzten Antiepileptika (Phenytoin, Natriumvalproat und Carbamazepin, einzeln oder in Kombination verabreicht). Die Epilepsie wurde medikamentös beherrscht, ohne dass Veränderungen auftraten, die mit Nebenwirkungen der verabreichten Antiepileptika sicher in einen Zusammenhang zu bringen waren. Lediglich ein Patient entwickelte in der sechsten Behandlungswoche einen epileptischen Anfall, der jedoch nach Ansicht der Autoren nicht mit der Medikation zusammenhing, sondern den progredienten Verlauf der Erkrankung bei diesem Patienten widerspiegelte.
Fernandez Vozmediano und Mitarbeiter [2 ] wiesen auf eine mögliche Interaktion zwischen Isotretinoin und Phenobarbital hin. Selbst in hohen Dosen erwies sich das Retinoid bei einem Patienten mit Epilepsie, der an einer durch Acne inversa komplizierten Acne conglobata litt, als wirkungslos. Die Autoren führten ihre Beobachtung auf eine Induktion von Leberenzymen durch Phenobarbital zurück, die eine beschleunigte Metabolisierung von Isotretinoin zur Folge hatten.
Von Fex und Mitarbeitern [3 ] stammen weitere Hinweise auf eine mögliche Interaktion zwischen Isotretinoin und Antiepileptika. Sie konnten nachweisen, dass bei Patienten, die mit Phenytoin, Carbamazepin und Valproinsäure in therapeutischen Dosen behandelt wurden, die endogenen Konzentrationen von all-trans - (Tretinoin) und 13-cis -Retinsäure (Isotretinoin) signifikant abnahmen. Die Autoren führten diese Veränderungen auf die Induktion von Retinoid-metabolisierenden Enzymen in der Leber zurück. Die Beeinflussung des Retinoidstoffwechsels wurde für die Teratogenität der Antiepileptika verantwortlich gemacht.
Die bisher vorliegenden, wenngleich nicht widerspruchsfreien Mitteilungen legen die Möglichkeit einer Interaktion zwischen Isotretinoin und Antiepileptika nahe. Daher ist aufgrund potenzieller Arzneimittelinteraktionen eine regelmäßige Kontrolle der Antiepileptikaspiegel notwendig, wie sie bei dem vorgestellten Patienten durchgeführt wurde. Auch klinische Kontrollen zum Therapieverlauf und zur Einstellung des epileptischen Anfallsleidens sind in regelmäßigen Abständen zu wiederholen. Darüber hinaus sollten der Patient und auch der behandelnde Neurologe über mögliche Arzneimittelinteraktionen informiert werden. Das bedeutet aber auch, dass Patienten mit einer schwerwiegenden Hauterkrankung wie einer Acne conglobata und einer gleichzeitig vorhandenen chronischen, dauerhaft behandlungsbedürftigen Erkrankung wie einer Epilepsie nicht von einer systemischen Isotretinointherapie ausgeschlossen werden. Denn obwohl zumindest theoretisch Arzneimittelinteraktionen möglich sind, so zeigt sich doch in der klinischen Praxis, dass durch regelmäßige Kontrollen der Medikamentenspiegel und eventuelle Dosisanpassungen des Isotretinoins Aknepatienten erfolgreich und komplikationslos behandelt werden können [1 ]. Die Tatsache, dass Akne als chronische Dermatose mit einer hohen psychosozialen Belastung des Patienten und schwerwiegenden, oft lebenslangen Komplikationen wie Narbenbildung einhergehen kann, sollte die Therapieentscheidung bei gegebener Indikation in Richtung einer systemischen Isotretinointherapie lenken.
Fazit
Der vorgestellte Fall zeigt eindrücklich, dass eine systemische Isotretinointherapie von schwerer Akne auch bei gleichzeitigem Vorhandensein von Begleiterkrankungen erfolgen kann. Die Angaben aus der Literatur und auch eigene klinische Erfahrungen weisen darauf hin, dass die kombinierte Gabe von Isotretinoin und Antiepileptika bei Aknepatienten keine größeren Probleme aufwirft, auch wenn grundsätzlich Vorsicht geboten und den zumindest theoretischen Risiken von Arzneimittelinteraktionen durch klinische und serologische Verlaufskontrollen Rechnung zu tragen ist. Isotretinoin kann mit Antiepileptika kombiniert werden, wenn die Indikation zu einer Systemtherapie aufgrund der Schwere und Ausdehnung des Hautbefundes gegeben ist. Die Retinoidtherapie kann hierbei in der üblichen Dosis eingeleitet werden, ohne dass auf eine niedrigere Anfangsdosis zurückgegriffen werden müßte. Der vorgestellte Fall bestätigt, dass bei einer Epilepsie keine Dosisveränderung des Isotretinoins erforderlich ist. Selbstverständlich stellt eine enge Kooperation von Dermatologen und Neurologen die Voraussetzung für den Therapieerfolg dar.