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DOI: 10.1055/s-2008-1004639
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Deutschland = Diabetesland: Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2008
German Health Report Diabetes 2008Publication History
Publication Date:
13 February 2008 (online)
Der Deutsche Gesundheitsbericht Diabetes 2008 wurde als eine Bestandsaufnahme von der Deutschen Diabetes-Union und dem Nationalen Aktionsforum Diabetes mellitus (NAFDM) zum Weltdiabetestag im November 2007 vorgelegt. Diesen finden Sie zum Download auf der Homepage der DDU (www.diabetes-union.de). Dieser Gesundheitsbericht stellt fest, dass Deutschland ein „Diabetesland” ist und fasst durch Zusammenarbeit vieler engagierter Mitstreiter / -innen im Kampf gegen den Diabetes die deutschlandbezogenen Daten und Entwicklungen der verschiedensten Facetten zusammen, diese sind:
Diabetesepidemie und Dunkelziffer (Hans Hauner), Lifestyle-Faktoren - treibende Kraft einer Epidemie (Hermann Liebermeister), Prävention des Metabolischen Syndroms und Typ-2-Diabetes (Peter Schwarz / Ulrike Gruhl / Reinhart Hoffmann), Bedeutung der Blutzuckereinstellung (Eberhard Standl / Andreas Liebl), Versorgungsstrukturen, Berufsbilder und professionelle Diabetesorganisationen in Deutschland (Eberhard Siegel), Hausärztliche Betreuung von Menschen mit Diabetes (Diethard Sturm), Herzinfarkte und Schlaganfälle bei Typ-2-Diabetikern im DMP Nordrhein, (Lutz Altenhofen / Bernd Hagen / Wolfgang Haß / Gerhard Brenner), Aktuelle Bestandsaufnahme der DMPs aus der Sicht der Ärzte (Ulrike Rothe / Jan Schulze), Die psychologische Dimension des Diabetes mellitus (Bernd Kulzer), Patientenzentrierte Schulung und Beratung für ein Diabetes-Management der Zukunft (Evelyn Drobinsk), Wichtige Diabetes-Begleiterkrankungen (Eberhard Biermann), Diabetes mellitus und Herzkrankheiten (Diethelm Tschöpe), Schlaganfall und Zuckerkrankheit (Curt Diehm), Diabetes und Fußerkrankungen (Holger Lawall), Diabetes und Nierenkrankheiten (Wolfgang Pommer), Diabetes und Augenerkrankungen (Hans-Peter Hammes), Diabetes und Nervenerkrankungen (Dan Ziegler), Diabetes bei Kindern und Jugendlichen (Thomas Danne), Kinder und Jugendliche: Entwicklungen in der Versorgung der letzten 12 Jahre (Reinhard Holl / Matthias Grabert), Die soziale Dimension des Diabetes mellitus (Hermann Finck / Reinhard Holl), Diabetes und Geriatrie - es wird immer wichtiger! (Andrej Zeyfang), Diabetes bei Migranten (Andrea Icks / Bernd Kulzer / Oliver Razum), Diabetes und Schwangerschaft (Helmut Kleinwechter / Ute Schäfer-Graf), Pharmazeutische Betreuung von Menschen mit Diabetes (Uta Müller), Die Zukunft der Diabetologie und deren Institutionen / Verbände in Deutschland (Thomas Haak), DDU: „Insulin zum Leben” (Heidrun Schmidt-Schmiedebach), Nationales Aktionsforum Diabetes mellitus (NAFDM) (Rüdiger Landgraf / Eberhard Standl), Dieser Bericht ist nicht nur empfehlens- sondern auch lesenswert und ein paar Aspekte sind im Folgenden herausgegriffen:
Der Herausgeber dieses Berichtes, Herr Prof. Dr. E. Standl aus München, stellt in seinem Vorwort fest: „… auf der europäischen Landkarte ist Deutschland ein besonderes Diabetesland …” u. a., da die Prävalenzangaben in der Altersgruppe von 20-79 Jahre u. a. größer als 9 % sind. Ferner stellt er fest: „um ein mehrjähriges Diabetes-Programm von nationaler Dimension in Bereichen Prävention, Versorgung und Forschung auf den Weg zu bringen, um die Trendwende zu erreichen, braucht es auch ein umfangreiches Förderprogramm durch staatliche Förderer, private Stiftungen, Krankenkassen und andere, eine ebenso notwendige wie lohnende Investition. Wenn nur 1 % der für 2010 im Gesundheitssystem für die Komplikationen des Diabetes erwarteten Kosten von über 40 Milliarden € dafür eingesetzt würde, könnte man schon viel erreichen!”
Deutschland = Diabetesland, die Diabetesepidemie nimmt u. a. zu, da die Zahl der Menschen mit Übergewicht sowie Bewegungsmangel steigt, aber auch die Diagnose früher gestellt wird, die Diagnosekriterien, z. B. für die Plasmaglukose im nüchternen Zustand, herabgesetzt und damit sensitiver ist, und sich die Alterspyramide in Deutschland verändert. Die Prävalenz beträgt fast 10 %, die Daten aus der Kora-Studie zeigen, dass im Alter von 55-75 Jahren sogar ca. 20 % betroffen sind; in der Altersgruppe über 60 Jahren gibt es Daten, dass mehr als 30 % erkrankt sind. Zudem kann die allgemeine Aussage gestellt werden, dass jeder Dritte im Laufe seines Lebens einen Diabetes in Deutschland entwickelt. Außerdem kann bei den meisten bisher vorliegenden Studien davon ausgegangen werden, dass eine ebenso große Anzahl von Menschen an einem Prä-Diabetes bzw. einer abnormen Nüchtern-Glukose und / oder pathologischen Glukosetoleranz erkrankt ist.
Das Leid der uns anvertrauten Patienten entsteht aber nicht nur durch eine unzureichende Blutzuckereinstellung, weniger als 20 % der betroffenen haben einen HbA1c < 6,5 % in Deutschland, sondern durch die mikro- und makrovaskulären Komplikationen. Wir vergessen zu häufig, dass der Diabetes die häufigste Ursache für Neuerblindung, für die Behandlung mit einem Nierenersatzverfahren bzw. für eine terminale Niereninsuffizienz, für Amputationen sowie einer der Hauptrisikofaktoren für Herzinfarkt und Schlaganfall ist. Patienten mit einer terminalen Niereninsuffizienz und Diabetes haben eine Lebenserwartung von ca. 5 Jahren. Ähnliche Hinweise gibt es für Patienten mit Diabetes mellitus und Herzinsuffizienz. Diese Prognosen sind schlechter als die für viele Patienten mit malignen Erkrankungen. Dies ist aber nicht allein schicksalshaft bedingt, sondern durch Früherkennung und konsequente Therapie können diese Komplikationen vermieden oder aber ihr Auftreten deutlich verzögert werden. Eine Hauptrolle ist es aber, dass der Typ-2-Diabetes in seiner „frühen” Phase „keine Beschwerden” bzw. eine „schmerzlose” Erkrankung ist. Viele Patienten kommen zum Arzt mit einem Herzinfarkt oder mikroangiopathischen Komplikationen als Erst-Symptom. Damit ist der Diabetes mellitus nicht nur ein „stiller Killer”, sondern auch ein Grund für die enorm hohe Dunkelziffer von ca. 100 %! Was heißt das? Das heißt, dass jeder zweite Diabetiker in diesem Land nicht weiß, dass er erkrankt ist. Genau dies ist aber die wahrscheinlich therapeutisch effektivste Krankheitsphase, um die Komplikationen zu vermeiden und das Leben mit guter Qualität zu verlängern!
Hier besteht eine Gesamtverantwortung zwischen Politik, Ärzten und anderen Berufsgruppen. Die wahrscheinlich effektivste Prävention von Spätkomplikationen ist die, die Dunkelziffer zu reduzieren. In diesem Sinne sind alle Präventionsstrategien, die zur Grundlage eine gewisse vorherige Risikostratifizierung, z. B. durch Fragebögen, haben, enorm wichtig. Gleichzeitig kommt uns aber auch eine besondere Verantwortung bei Hochrisikopatienten (Hypertonie, Adipositas, Dyslipidämie, Schwangerschaftsdiabetes, Schlaganfall, KHK, etc.) zu. Hier muss jeder an seiner Stelle tätig werden, ob im niedergelassenen Bereich, ob im Krankenhaus, ob in der Apotheke oder „Landtag”. Unsere gemeinsamen Bemühungen müssen dem Kampf der Dunkelziffer gelten! Dies gilt auch für die jüngere Altersgruppe. Nur so können wir dem Motto der Deutschen Diabetes Gesellschaft „Diabetes erforschen und verhindern, behandeln und heilen” gerecht werden.
Ein kleiner Schritt jedes Einzelnen ist ein großer Schritt in der Gesamtheit. Wir werden uns nicht nur sektorübergreifend, sondern auch fachgesellschaftsübergreifend engagieren, z. B. zur Deutschen Adipositas-Gesellschaft, durch die AG Diabetologie und Stoffwechsel zur Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) und für Schnittthemen über die fachgesellschaftsübergreifende gemeinsame Arbeitsgruppe „Herz-Hormone-Diabetes” der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie zusammen mit der DGE und DDG. Die letztere AG hat sich dieses Jahr dem für die Prognose mit am bedrohlichsten Krankheitsbild angenommen, der Herzinsuffizienz bei Diabetes mellitus.
Lassen sie uns weiterhin gemeinsam die Kräfte bündeln bei gleichzeitiger Wirkung jedes einzelnen „Vorort”. Dies ist auch ein Gedanke der „Unite for Diabetes” Kampagne, eine beispielhafte Aktion der Internationalen Diabetes Föderation (IDF), die im vergangenen Jahr 2007 erstmalig zu einer UN-Resolution geführt hat. In diesem Sinne sollte der Gedanke nicht nur eines Dachverbandes, sondern an eine gemeinsame Organisation, in der alle Berufgruppen und auch Betroffene direkt Mitglieder sind, nicht nur in die Köpfe, sondern auch in die Herzen aller seinen Weg finden. Nur gemeinsam sind wir stark, nur gemeinsam können wir den Kampf gegen Diabetes aufnehmen, nur gemeinsam können wir den Patienten helfen, nur gemeinsam können wir hoffentlich eines Tages diese Krankheit besiegen, seine Komplikation vermeiden und sein Auftreten verhindern; das ist der Gedanke von „Diabetes Deutschland”.
Prof. Dr. med. D. Müller-Wieland
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