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DOI: 10.1055/s-2008-1027166
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Editorial
Publication History
Publication Date:
12 February 2008 (online)

Im Juni 2007 hat die Gesundheitsministerkonferenz der Länder festgestellt, dass die psychiatrischen Versorgungsstrukturen in Deutschland so gut entwickelt sind, dass sie „in vielen Bereichen eine moderne psychiatrische Versorgung gewährleisten” [1].
Ich nehme an, dass vielen von Ihnen, genau wie mir, eine ganze Reihe von Vorschlägen einfallen würde, wie diese Versorgung weiter verbessert werden könnte. Man denke nur an die weißen Flecke auf der Landkarte in Bezug auf die Etablierung ambulanter psychiatrischer Pflegedienste.
Aber auch in der stationären psychiatrischen Versorgung berichten viele Kolleginnen und Kollegen seit Langem eher von Rück- als von Fortschritten, insbesondere was die personelle Ausstattung betrifft. Dieser gefühlte Stellenabbau wird nun durch den Abschlussbericht zur Evaluation der PsychPV bestätigt [2]. In dieser Evaluation wurde der Erfüllungsgrad der PsychPV im Budgetjahr 2004 erhoben. Konkret ging es dabei um den Abgleich zwischen den Soll-Stellen nach PsychPV und den real finanzierten Stellen in den Einrichtungen der Erwachsenen- und der Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Dabei zeigte sich, dass der Durchschnitt des Erfüllungsgrades in der Erwachsenenpsychiatrie bei 90 % und in der Kinder- und Jugendpsychiatrie bei 88 % liegt. In der Erwachsenenpsychiatrie gibt ein Viertel der beteiligten Einrichtungen einen PsychPV-Erfüllungsgrad unter 85,1 % an.
So schlecht klingt das zunächst nicht. Schaut man sich die Zahlen aber genauer an, dann bedeutet ein Rückgang um 10 % der Personalstellen im Pflegedienst in einer 100-Betten-Einrichtung der Erwachsenenpsychiatrie eine Reduktion von 52 [3] auf 47 Personalstellen und eine Reduktion um 20 % bedeutet dann, dass es nur noch ca. 42 Personalstellen im Pflegedienst gibt. Dies muss vor dem Hintergrund der parallel entstandenen Leistungsverdichtung in den Einrichtungen gesehen werden. Die Verweildauern sind gesunken und die Fallzahlen haben zugenommen.
Kein Wunder, kommt die Untersuchungsgruppe zu dem Schluss, dass diese Verknappung - nicht nur der Pflege-, sondern auch der anderen Personalstellen - negative Auswirkungen auf die Patientinnen und Patienten hat und die Atmosphäre auf den Stationen gereizter und angespannter wird.
Diese eher allgemein beschriebenen Auswirkungen müssten genauer untersucht und deklariert werden, weil damit ersichtlich würde, welche Veränderungen sich im konkreten Arbeitsalltag psychiatrischer Stationen im Vergleich zu den ursprünglich in der PsychPV vorgesehenen Tätigkeiten und Zeiten ergeben. So konnte eine in Bayern durchgeführte Untersuchung [4] zeigen, dass Ärzte im Stationsdienst annähernd doppelt so viel Zeit wie in den in der PsychPV vorgesehenen Zeitwerten für administrative Tätigkeiten und Dokumentation aufwenden müssen.
Vergleichbare Erhebungen stehen für den Bereich der pflegerischen Tätigkeiten noch aus und so fragte Heinz Lepper, Vorsitzender der BFLK, während des Pflegekongresses in Berlin [5] im Zusammenhang mit der Präsentation der Ergebnisse aus der Evaluation der PsychPV zu Recht: Wer dokumentiert eigentlich, was alles ausfällt und was wir nicht tun können?
Darüber hinaus muss man aber weiter fragen: Nach welchen Kriterien und wie entscheiden Pflegende auf psychiatrischen Stationen, was ausfällt oder mit welchen Tätigkeiten sie unter den gegebenen Umständen wie viel Zeit verbringen.
Mich beschleicht gelegentlich der Verdacht, dass wir uns als Berufsgruppe bereits so an diese Zustände adaptiert haben, dass sie selbst unsere Visionen von guter psychiatrischer Pflege beeinflussen …. Etwa, wenn von Kollegen/innen Stellen für Alltagsbegleiter/innen gefordert werden. Offenbar wird hier ein Mangel wahrgenommen, der mit den vorhandenen Stellen nicht kompensiert werden kann. Ich möchte dafür keine ‚neue’ Berufsgruppe einstellen! Ich möchte die Alltagsbegleitung der Patientinnen und Patienten selbst wahrnehmen, weil dies ein originärer Teil meiner Arbeit als psychiatrische Pflegefachfrau ist! Deswegen unterstütze ich die Aktion UNS REICHT’S! [6], die vom DBfK und ver.di mit Unterstützung des Deutschen Pflegerats initiiert wurde. Sie auch?
Literatur
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1 Zugriff am 27.11.2007 www.gesundheitsministerkonferenz. de
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2 Zugriff am 25.11.2007 www.apk-ev.de/public/projekte-asp?pid= 0
- 3 Kunze H, Kaltenbach L. Psychiatrie-Personalverordnung, Textausgabe mit Materialien und Erläuterungen für die Praxis. Anhang IV: Personalbemessung nach der Psych_PV in einem Modellkrankenhaus - Erwachsenenpsychiatrie -. Stuttgart, Berlin, Köln; Kohlhammer 1992
- 4 Putzhammer A, Senft I, Fleischmann H. et al . Eine Tätigkeitsanalyse in psychiatrischen Versorgungskliniken. Der Arbeitsalltag von Ärzten im Stationsdienst. Nervenarzt. 2006; 77 372-384
- 5 Lepper H. 80 % PsychPV, Bedeutung und Konsequenz für Patienten und Klinik. Sitzungstitel: Stellenplan Psychiatrie - hat die PsychPV eine Zukunft? Vortrag im Rahmen des Pflegekongresses beim DGPPN-Kongress am 22./ 23.11.2007 in Berlin. 2007
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6 Zugriff am 26.11.2007 www.pflege-uns-reichts.de