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DOI: 10.1055/s-2008-1027568
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Klassiker der Modernen
Classic of Modern TimesPublication History
Publication Date:
21 July 2008 (online)
Wir Rheumatologen befinden uns in der glücklichen Situation, dass aktuell viele neue Medikamente unser therapeutisches Armentarium erweitern und vertiefen. Im Gegensatz zu den nichtsteroidalen Antiphlogistika ist dabei die Halbwertszeit der neu eingeführten krankheitsmodifizierenden Therapien erfreulich lang. Brillanz und Aktualität der Ergebnisse neuer Studien – unterstützt von den Aktivitäten des pharmazeutischen Außendiensts – führen dazu, dass uns bei der Therapieentscheidung die neuen Substanzen viel näher sind. Auch die informierten Patienten tragen zu diesem Trend bei, denn schließlich werden auch in ihren Quellen, wie z. B. Internet, die neuen Substanzen viel häufiger erwähnt, wenn nicht sogar beworben, als die Klassiker.
Angehende Rheumatologen lernen vielleicht heute schon gar nicht mehr, wie man eine Therapie mit Goldsalzen einleitet. Azathioprin (AZA) wird bei rheumatoider Arthritis fast überhaupt nicht mehr eingesetzt. In anderen rheumatologischen Indikationen wird AZA zunehmend durch neue Immunsuppressiva ersetzt – aktuell noch mit gewisser Zurückhaltung, da diese neuen Substanzen in vielen seltenen Indikationen gar nicht zugelassen sind.
Diese Situation war Grund für die Kommission Pharmakotherapie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, einmal genauer hinzusehen. Das Ergebnis wird in diesem Heft der Aktuellen Rheumatologie in 5 exzellenten Artikeln zusammengefasst, die Kommission dankt den Autoren für ihre sehr gründliche Arbeit.
Da heute alles evidenzbasiert sein soll, haben sie auch die Härtegrade der Empfehlung mit angegeben – und das Ergebnis ist auf den ersten Blick für AZA enttäuschend. Die meisten Empfehlungen sind Grad C und D. Aber diese Einschätzung sagt nichts über das Medikament an sich aus, sondern vielmehr über die Studien, die zur Zulassung geführt haben, und Vergleichsstudien. Die Qualität dieser Studien entspricht einfach nicht mehr heutigen Standards, es fehlen in den meisten Fällen randomisierte, kontrollierte Doppelblindstudien (Grad-B-Empfehlung) – auch als Basis von Metaanalysen (Grad-A-Empfehlung).
Diese fehlende Evidenz wird bei AZA und bei anderen Klassikern der Modernen durch die durch nichts zu ersetzende Erfahrung mit solchen Substanzen ausgeglichen. Und durch die unglaublich breite Erkenntnislage zur Toxizität von AZA, die in dem Artikel von Frau Riemekasten so hervorragend dargestellt wird.
Letztendlich fehlen für AZA solide Vergleichsstudien mit neuen Immunsuppressiva vor allem für die Kollagenosen und Vaskulitiden. Wie viele Patienten müssen z. B. mit einer neuen Substanz „X” anstelle von AZA behandelt werden, damit einer davon profitiert (number needed to treat)? Und wie viele von diesen haben dann eine akute Toxizität im Vergleich zu AZA (number needed to harm)? Und welchen Preis zahlen wir dann für diesen Unterschied? Und dabei wissen wir dann immer noch wenig über die Langzeittoxizität von „X”.
Fazit: Lasst uns unsere Klassiker der Modernen in der rheumatologischen Therapie genauso pflegen wie die gleichnamigen Möbel. Neues lässt sich passend ergänzen.
Prof. Dr. med. M. Schneider
Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Rheumatologie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
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