ergoscience 3(4): 133
DOI: 10.1055/s-2008-1027837
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Editorial

H. Becker1
  • 1Georg Thieme Verlag, Stuttgart
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Publication Date:
23 October 2008 (online)

Liebe Leserinnen und Leser,

mit dem Herbst verbinden wir häufig das Gefühl von Abschied und Rückblick. Wir bereiten uns auf eine ruhigere Zeit vor und auf einen Neubeginn im nächsten Jahr. Erinnere ich mich an die Ereignisse und Eindrücke aus dem Jahr 2008, sind mir drei Dinge besonders im Gedächtnis geblieben und werden mich sicherlich über den Herbst und Winter weiter beschäftigen:

die anfeuernde Rede von Marilyn Pattison auf dem COTEC-Kongress in Hamburg, die angekündigten Entwicklungen im ambulanten Bereich, die Rolf-Ulrich Schlenker beim Symposium der Robert-Bosch-Stiftung beschrieb, die Empfehlungen des Sachverständigenrats zur Neuverteilung der Aufgaben im Gesundheitswesen (siehe ergoscience 3 / 2008).

Sie zeichnen ein Bild anstehender Veränderungen, enthalten Visionen, Möglichkeiten und Notwendigkeiten. So zeigte die Vision von Marilyn Pattison eine Ergotherapie, die stärker als bisher soziale Aspekte betrachtet, politisch Stellung bezieht, kreativ und vor allem initiativ neue Aufgaben und Projekte entwickelt und realisiert. Sich immer wieder neu zu erfinden, um auf dem Markt zu bleiben, das hat nicht nur ein Popstar wie Madonna nötig. Die Reformen im Gesundheitswesen wie z. B. der Gesundheitsfonds, der die Landschaft der ambulanten Therapie gründlich verändern wird, zwingen alle Akteure im Gesundheitswesen zu solcher Erneuerungskraft. Diese Notwendigkeit wird manch einen belasten und stören; andererseits liegt darin eine große Chance, die es zu nutzen gilt. Einige Perspektiven ergeben sich aus dem Gutachten des Sachverständigenrats: Im Gesundheitswesen wächst der Bedarf an Aufgaben, die Ärzte aus Zeit- und Budgetgründen nicht übernehmen können, wie z. B. Beratung, Aufklärung, Nachsorge, Koordination von Leistungen, Versorgung in der Lebenswelt des Betreffenden.

Der Beitrag von Hövermann, Heiligenthal, Lippert und Löffel (S. 146) zur Versorgung von frühgeborenen Kindern zeigt eindrücklich den Bedarf und bietet erste Ideen zu ergotherapeutischen Angeboten in diesem Bereich. Hier wird ein Weg aufgezeigt, der beispielhaft auch für andere Bereiche deutlich machen kann: Ergotherapeuten erkennen Bedürfnisse und entwickeln Angebote. Für diese zu werben und andere davon zu überzeugen, wird der nächste notwendige Schritt sein.

Lebensqualität zu ermöglichen am Anfang des Lebens, so wie auch in seinem „Herbst”, ist ein wichtiges Thema für die Ergotherapie. Hierzulande hat man sich damit bisher eher unsystematisch beschäftigt. Das Quality of Life Profile, ein Assessment, das Lebensqualität zu erfassen hilft, kann offenbar auch im deutschsprachigen Raum verwendet werden – das zeigt die Untersuchung von Gruber (S. 134). Systematisches Vorgehen und gründliches Reflektieren gewinnen in Zukunft angesichts immer knapper werdender zeitlicher, personeller und materieller Ressourcen an Bedeutung. Wir müssen effizient und effektiv vorgehen, um herauszufinden, in welchen Bereichen des Lebens ein Klient Unterstützung benötigt. Dabei können konzeptionelle Modelle wie z. B. das MOHO, CMOP, das Bieler Modell oder das Kawa-Modell und ihre Assessments helfen. Wie die Befragung von Ergotherapeuten in Deutschland und der Schweiz von Köller (S. 156) zeigt, ist dieser Nutzen noch nicht ausreichend bekannt und müsste noch deutlicher werden. Mit Modellen kultursensibel umzugehen und zu prüfen, inwieweit sie zu einem Klienten oder Therapeuten passen, ist dabei ein wichtiges Element des Clinical Reasoning, zu dem der Artikel einen Beitrag leistet.

Das alles sind kleine Schritte. Aber wie heißt es so treffend: Jede noch so große Reise beginnt mit einem ersten Schritt.

Im Namen des Herausgeberteams wünsche ich Ihnen einen schönen Herbst und viele neue Ideen für die Ergotherapie!

Heidrun Becker

Heidrun Becker

Email: Heidrun.Becker@thieme.de