Geburtshilfe Frauenheilkd 2008; 68(11): R121-R144
DOI: 10.1055/s-2008-1039163
GebFra-Refresher

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Organerhaltende operative Methoden im Bereich der Cervix uteri

G. Mehlhorn1 , M. Lanowska2 , F. Thiel1 , C. Köhler2 , M. W. Beckmann1
  • 1Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen
  • 2Charité-Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Frauenheilkunde, Campus Mitte, Berlin
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Publication Date:
14 November 2008 (online)

Einleitung

Benigne Veränderungen und Befunde der Cervix uteri

Das Epithel der Portio vaginalis uteri der geschlechtsreifen Frau ist ein mehrschichtiges nicht verhornendes Epithel. Proximal, im Bereich der Endozervix schließt sich ein einschichtiges Zylinderepithel an. Die Grenze zwischen diesen beiden Epithelarten verschiebt sich während der Geschlechtsreife nach ektozervikal (sichtbarer Anteil der Cervix uteri) und verlagert sich in der Menopause in Richtung des endozervikalen Kanals. Im Laufe des Lebens wird der vaginal exponierte Anteil des Zylinderepithels durch Plattenepithel ersetzt, das über eine sogenannte indirekte Metaplasie entsteht. Innerhalb dieser epithelial instabilen Zone spielen sich die physiologischen und pathologischen Prozesse ab, die im Bereich der Zervix auftreten können. Dieses Areal wird auch als Transformationszone bezeichnet. Hier entstehen die meisten Zervixkarzinome und ihre Vorläuferläsionen.

Die meisten Zervixkarzinome und ihre Vorläuferläsionen entstehen in der Transformationszone.

Die ektozervikale Lokalisation des Endozervikalepithels wird als Ektopie oder Ektropium bezeichnet. Das Ektropium tritt bei der geschlechtsreifen Frau in unterschiedlicher Ausprägung auf. Das Zylinderepithel zeigt eine zottige Oberflächenstruktur und imponiert in der Kolposkopie als sogenannte „Träubchenstruktur“. Bei Vorliegen einer ausgedehnten Ektopie können Beschwerden in Form von Nässegefühl bei verstärktem Fluor auftreten. Bei entzündlichen oder auch postentzündlichen Veränderungen kann es zu abnormen Blutungen in Form von Kontaktblutungen kommen. Ein geruchsveränderter Fluor kann eine weitere Diagnostik erfordern. Hier sind die spezifischen Infektionen wie zum Beispiel Gonorrhö, Herpes simplex, Chlamydien oder auch andere bakterielle Infektionen angesprochen, die eine medikamentöse Therapie fordern. Das singuläre Auftreten von Kondylomen im Bereich der Portio vaginalis uteri ist eher selten.

Bei geruchsverändertem Fluor ist an spezifische und andere bakterielle Infektionen zu denken.

Condylomata acuminata treten häufig im Bereich der Vulva, der Vagina und des Perineums multipel auf. Während die Zahl der Fälle von Gebärmutterhalskrebs gut dokumentiert ist (in Deutschland 6 190 im Jahr 2003/2004), wird die Inzidenz der häufig therapieresistenten Condylomata acuminata auf jährlich 400 000 bis 500 000 geschätzt [6], [7]. Das Vorhandensein einer Leukoplakie ist immer histologisch abklärungsbedürftig und durch eine kolposkopisch gezielte Knipsbiopsie sehr einfach möglich, da sich unter dieser Verhornungsstörung gelegentlich auch eine zervikale Dysplasie verbergen kann.

Eine Leukoplakie muss immer histologisch abgeklärt werden.

Die gutartigen Befunde im Bereich der Zervix umfassen neben Polypen und anderen polypartigen Veränderungen auch verschiedene Zystenformen. Relativ häufig zeigen sich an der Cervix uteri Schleimretentionszysten unterschiedlicher Ausprägung, sogenannte Ovula Nabothi. Diese entstehen bei der Überhäutung des ektozervikalen Drüsenepithels durch Plattenepithel und Retention von Schleim. Seltener treten Fibrome oder Myome im Bereich der Ektozervix auf. Sehr häufig hingegen sind Polypen. In der Schwangerschaft können Deziduapolypen auftreten, die auch zu Blutungen führen können. Die Erosio stellt einen echten Gewebsdefekt dar. Durch Infektionen oder auch nach mechanischer Reizung können Gewebsdefekte entstehen, die bei Persistenz nach entsprechender Behandlung eine zytologische oder eine histologische Abklärung durch eine kolposkopisch gezielte Knipsbiopsie erfordern. In der Per- oder Postmenopause zeigt die Zervix eine Atrophie, ebenso in Zeiten jedweder Östrogenmangelzustände (z. B. postpartal). Das atrophe Epithel ist leicht verletzlich und weist häufig nach dem durchgeführten PAP-Abstrich kleine punkt- oder fleckförmige Blutungen auf. Auch kleine Erosionen werden beobachtet. Die Rötung der atrophen Portio ist auf ein ausgedünntes Epithel mit durchscheinenden Blutgefäßen infolge des Östrogenmangels zurückzuführen.

Präinvasive Erkrankungen der Cervix uteri

Mehr als 100 bekannte Genotypen der HPV-Familie existieren derzeit, von denen circa die Hälfte im Bereich des Urogenitaltrakts als Infektionserreger der nicht verhornenden Schleimhautepithelien nachgewiesen werden kann. Der entscheidende, ursächliche pathogenetische Faktor für die Entstehung von Dysplasien (CIN I – III) und auch Karzinomen der Cervix uteri sind persistierende Infektionen.

Ursächlich für die Entstehung von Dysplasien und Karzinomen der Cervix sind persistierende HPV-Infektionen.

Ein solches Potenzial haben die High-risk-HPV-Typen 16, 18, 31, 33, 35 und weitere (HPV-Leitlinie). In nahezu allen Zervixkarzinomen (99,7 %) können Papillomaviren mit hohem onkogenem Potenzial (HR‐HPV-Typen) nachgewiesen werden, von denen HPV 16 und 18 mit einem Anteil von 23 bzw. 8 % aller Infektionen am häufigsten vorkommen [2], [3]. Der Altersgipfel der Infektion liegt zwischen dem 20. und 25. Lebensjahr [7]. Die Infektion mit humanen Papillomaviren zählt weltweit zu den häufigsten sexuell übertragbaren Erkrankungen. Die kumulative Prävalenz von Infektionen mit onkogenen HPV-Typen beträgt bis zu einem Alter von 50 Jahren bereits 80 % [1], [4], [9], [10]. Die Infektionsrate ist in der Altersgruppe unter dem 25. Lebensjahr am höchsten mit 23 % in Europa, nimmt dann stetig ab, um im höheren Alter wieder anzusteigen [3].

Der Altersgipfel der HPV-Infektion liegt zwischen dem 20. und 25. Lebensjahr.

Die meisten Infektionen heilen nach 10–14 Monaten wieder aus. Nur bei Persistenz der HPV-Infektion steigt das Risiko, an einer prämalignen oder malignen Veränderung von Zervix, Vagina oder auch Vulva zu erkranken. Die Entwicklung einer Dysplasie ist ein über mehrere Jahre fortschreitender langsamer Prozess. Hat sich dann eine HPV-assoziierte CIN I oder CIN II entwickelt, kann es in 50–56 % zu einer spontanen Regression kommen. Nur in 10–25 % können leicht- und mäßiggradige Veränderungen der Zervix in ein Carcinoma in situ übergehen. Eine schwergradige Läsion der Zervix hat dann allerdings eine hohe Progressionswahrscheinlichkeit (bis zu 80 %). Bis zur Entwicklung eines invasiven Tumors können wiederum mehrere Jahre (mehr als 7) vergehen [7]. Die Papillomaviren 6 und 11 gelten als gutartig und kommen vor allen bei den Condylomata acuminata, den Feigwarzen, vor.

Die Entwicklung einer Dysplasie ist ein langsamer, über mehrere Jahre fortschreitender Prozess.

Maligne Erkrankungen der Cervix uteri

Die Inzidenz des Zervixkarzinoms variiert weltweit zwischen 3,6 und 45 pro 100 000 Frauen pro Jahr. In Deutschland lag die Inzidenz 1971 bei 35 : 100 000 und im Jahre 2004 bei 14,1 : 100 000 Frauen pro Jahr. Die Mortalität sank von 8 : 100 000 auf 4,6 : 100 000. Durch die Einführung der gesetzlichen Früherkennung Anfang der 70er-Jahre sind die Inzidenz und die Mortalität des invasiven Zervixkarzinoms deutlich rückläufig [6].

Seit Einführung der Krebsfrüherkennung sanken Inzidenz und Mortalität invasiver Zervixkarzinome bis vor einigen Jahren. Derzeit ist eine Stagnation eingetreten.

Im Jahre 2003/2004 erkrankten 6 190 Frauen am Zervixkarzinom und 1 660 Frauen starben daran. Das mittlere Alter bei Diagnosestellung liegt bei 52,2 Jahren. Die Altersverteilung zeigt einen ersten Gipfel zwischen 35 und 54 Jahren sowie einen weiteren ab 65 Jahren. Das mittlere Alter bei der Erstdiagnose des Zervixkarzinoms hat sich in den letzten 25 Jahren um 14 Jahre verringert. Das verhornende oder nicht verhornende Plattenepithelkarzinom sowie das Adeno- oder adenosquamöse Karzinom sind die häufigsten histologischen Typen. Bei ca. 80 % der Fälle liegt ein Plattenepithelkarzinom vor, wobei sich allerdings der Anteil der Adenokarzinome in den letzten 25 Jahren von 10 über 20 % erhöht hat. Bei 99,7 % aller Zervixkarzinome konnte HPV‐DNA nachgewiesen werden. Weitere Faktoren wie Rauchen, genitale Infektionen, die Langzeiteinnahme von oralen Kontrazeptiva, hohe Parität sowie die Suppression des Immunsystems stehen in der Diskussion, bei High-risk-HPV-Infektion die Krebsentstehung zu fördern [6]–[8].

Bei 99,7 % aller Zervixkarzinome lassen sich HPV‐DNA nachweisen.

Literatur

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  • 7 Publikation der interdisziplinären S2 k-Leitlinie zur Prävention, Diagnostik und Therapie der HPV-Infektion und präinvasiver Läsionen des weiblichen Genitales. AWMF 015/027; zu finden unter www.dggg.de/_download/unprotected/g_02_04_04_hpv_infektion_praeinvasiver_laesionen
  • 8 RKI-Robert Koch-Institut , /. Krebs in Deutschland 2003–2004 – Häufigkeiten und Trends. 6. Auflage. 2008 zu finden unter http://www.rki.de
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Dr. med. G. Mehlhorn

Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen

Universitätsstraße 21–23

91054 Erlangen

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