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DOI: 10.1055/s-2008-1040380
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Akuttherapie der Schizophrenie - Von Anfang an langfristig planen
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
27. Februar 2008 (online)
Bereits der erste Kontakt zwischen Therapeut und Patient prägt die weitere Zusammenarbeit und stellt die Weichen für den Behandlungserfolg. Eine adäquate Akuttherapie ist daher entscheidend. Nationale und internationale Behandlungsleitlinien sprechen sich gegen eine übermäßige Sedierung der Patienten aus, da diese die Symptome der zugrunde liegenden Erkrankung verdecken und so die genaue Diagnose und Behandlung erschweren können. Eine übermäßige Sedierung kann zudem traumatisierend wirken [1]. Antipsychotika, die nur ein niedriges Sedierungspotenzial aufweisen, werden daher heute bereits ab der Akuttherapie empfohlen (z.B. von der aktuellen S3-Behandlungsleitlinie Schizophrenie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde). Ist in den ersten Behandlungstagen dennoch eine Sedierung notwendig, können zusätzlich zeitlich befristet Benzodiazepine verabreicht werden. Bei der Auswahl des Antipsychotikums sollten außerdem Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil berücksichtigt werden. Dies bestätigte Prof. Christoph U. Correll, New York, der die unterschiedlichen Risikoprofile der Antipsychotika für Gewichtszunahme und Stoffwechselveränderungen untersuchte.
? Warum setzen Sie Aripiprazol bereits in der Akuttherapie der Schizophrenie als ersten Therapieversuch ein?
Prof. Christoph U. Correll: Bei der initialen Therapiewahl ist zu beachten, dass die Patienten eher mit einem Medikament mit niedrigem Nebenwirkungsrisiko eingestellt werden sollten, denn die individuelle Wirksamkeit von Antipsychotika ist relativ schlecht prädizierbar, und die Wirksamkeitsunterschiede sind im Gruppenvergleich gering. Die Unterschiede in den Nebenwirkungen dagegen sind relativ groß, relevant für das körperliche und psychische Outcome und recht gut vorhersagbar. Aus diesem Grund kommt Aripiprazol bei den derzeitig verwendbaren Antipsychotika eine spezielle Rolle in der Schizophrenietherapie zu. Aripiprazol ist ein wirksames Antipsychotikum mit einem neuartigen Wirkmechanismus - dem partiellen Agonismus an die D2-Rezeptoren - das wenig sedierende und anticholinerge Nebenwirkungen aufweist. Die Zulassung der intramuskulären Form nicht-sedierender Antipsychotika wie Aripiprazol oder Ziprasidon hat gezeigt, dass antidopaminerge Substanzen auch ohne Sedierung gegen Psychose sowie Agitiertheit wirken. Der Einsatz von Aripiprazol hilft sowohl metabolische als auch kardiovaskuläre Störungen zu vermindern und könnte somit die Lebenszeit verlängern. Darüber hinaus könnte die Compliance erhöht werden, da eine Gewichtszunahme ausbleibt und die sedierende Wirkung stark reduziert ist. Das bedeutet, dass man in der Therapiewahl für die Akutphase schon langfristig denken sollte.
? Die rein antipsychotische Wirksamkeit von Aripiprazol ohne Sedierung kann allerdings von Klinikern, die Patienten in der Akutphase behandeln wollen, auch als Mangel angesehen werden...
Correll: Das verstehe ich, würde es aber nicht so sehen. Wähle ich ein Medikament, das an sich schon eine sedierende Wirkung hat, mag das zwar initial hilfreich sein, um die akute Erregungsphase und Aggression zu kontrollieren, allerdings kann ich in diesem Falle die Sedierung in der Langzeittherapie nicht mehr wegnehmen. Dagegen ist es relativ einfach, Aripiprazol akut mit einer zusätzlichen sedierenden Wirkung auszustatten - z.B. mit Benzodiazepinen -, die dann einfach abzusetzen ist, wenn der Patient auf das Antipsychotikum angesprochen hat. So habe ich ein Medikament, bei dem ich in der Akuttherapie Sedierung je nach Bedarf und Notwendigkeit hinzutitrieren kann, welches in der Erhaltungstherapie selbst jedoch wenig kognitiv einschränkende, sedierende und gewichtssteigernde Nebenwirkungen aufweist. Das wiederum verbessert sowohl das körperliche als auch das psychiatrische Langzeitoutcome, was letztendlich das Ziel der Therapie sein sollte.
! Herzlichen Dank für das Gespräch.
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