Notfall & Hausarztmedizin 2008; 34(1): 47
DOI: 10.1055/s-2008-1040385
Blickpunkt

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Risiko bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen - Neue Datenlage: B-Vitamine in der Prävention

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Publikationsdatum:
21. Februar 2008 (online)

 
Inhaltsübersicht

Hohe Homocysteinspiegel bei Herz-Kreislauf-Risikopatienten sind unumstritten mit einem erhöhten Krankheits- und Sterberisiko verbunden. Ob eine Intervention mit B-Vitaminen und die damit verbundene Senkung des Homocysteinspiegels zu einer besseren Prognose führt, wird derzeit jedoch kontrovers diskutiert.

Große Interventionsstudien haben gezeigt, dass die Prognose von Herz-Kreislauf-Risikopatienten durch eine Behandlung mit B-Vitaminen nicht verbessert wird [1], [2], [4]. Andererseits belegen prospektive Studien, dass eine Verringerung des Homocysteinspiegels um 3 µmol/L ein um 14% reduziertes Risiko für koronare Herzkrankheit und ein um 20% geringeres Risiko für Schlaganfall zur Folge hat.

Eine aktuelle Metaanalyse sorgt nun für mehr Klarheit [6]. In den acht Interventionsstudien mit B-Vitaminen wurden insgesamt 16841 Patienten analysiert. B-Vitamine verringerten demnach das Risiko für Schlaganfall um insgesamt 18%. Besonders interessant für die Planung zukünftiger Studien ist ein weiteres Ergebnis dieser Untersuchung: Das relative Risiko für Schlaganfall nahm mit der Dauer der Intervention ab. Der günstige Effekt zeigte sich erst bei Studien, bei denen die Patienten länger als drei Jahre mit den Vitaminen behandelt wurden (Tab. [1]) und relativiert damit das Ergebnis der bisher durchgeführten Studien VISP [4], NORVIT [1] und HOPE-2 [2], deren mittlere Behandlungsdauer bei 2, 3 bzw. 5 Jahren lag. Der bereits in der HOPE-2-Studie deutliche positive Effekt auf das Schlaganfallrisiko wurde trotz seiner Signifikanz damals von den Autoren als Zufallsbefund bewertet.

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Tab. 1 Analyse der Subgruppen: Risikominderung zeigt sich nach drei Jahren

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Behandlung mit B-Vitaminen verringert Atherosklerose der Arteriae carotis

Die tägliche Einnahme von 2,5 mg Folsäure, 25 mg B6 und 0,5 mg B12 (Medyn®forte) kann die Atherosklerose positiv beeinflussen. Eine multizentrische, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit Herz-Kreislauf-Risikopatienten zeigte in der Vitamingruppe eine signifikante Verringerung der Intima-Media-Dicke (IMD) der Karotis-Arterien um 4% (p < 0,034). In der Placebogruppe erhöhte sich die IMD dagegen im Mittel um 7% [3]. Bei der Studie handelt es sich zwar nicht um eine Endpunktstudie zum Herz-Kreislaufrisiko, die Intervention mit B-Vitaminen zeigte jedoch schon nach kurzer Zeit eine deutliche Veränderung eines wichtigen Risikofakors (IMD bzw. Atherosklerose der A. carotis) für die entsprechenden Erkrankungen. Die Verringerung dieses Surrogatparameters war bereits nach einem Jahr signifikant.

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Studien richtig interpretieren

In den drei genannten Studien wurden, so Prof. David S. Wald, London, die B-Vitamine fälschlich als unwirksam beschrieben. Die für eine aussagekräftige Durchführung einer Studie notwendige Teilnehmerzahl ist davon abhängig, wie groß der messbare Effekt einer Intervention ist. Wird dieser größer geschätzt als er tatsächlich ist, zeigt die Studie häufig kein Ergebnis bezüglich der Wirkung. "Geringe Veränderungen im relativen Risiko erfordern große Sprünge in der Teilnehmerzahl randomisierter Studien", kommentierte Wald.

Mit den Daten aller bisher durchgeführten Vitamin-Interventionsstudien kann zwar die Senkung des Schlaganfallrisikos (20%), nicht jedoch die des Herzinfarktrisikos (etwa 10%) signifikant eingeschätzt werden. In etwa zwei Jahren werden genügend Patientendaten zur Durchführung einer Metaanalyse bezüglich des Herzinfarktrisikos zur Verfügung stehen [5].

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Fazit

Randomisierte Studien zur Inzidenz von Schlaganfall mit einer Behandlungsdauer unter drei Jahren haben - auch im Rahmen einer Metaanalyse - eine nur geringe Aussagekraft, da sich die Wirkung der B-Vitamine auf die Prognose offenbar erst nach drei Jahren deutlich zeigt.

Bei künftigen Studien sollten die Studienteilnehmer besser selektiert werden, denn auch die schlechte Patientenselektion - weder eine Hyperhomocysteinämie noch ein schlechter Vitamin-B-Status waren Einschlusskriterien der genannten Studien - hat zu einer "Verwässerung" des messbaren Effekts geführt.

Langfristiges Ziel der klinischen Forschung mit B-Vitaminen im Herz-Kreislauf-Bereich ist die Etablierung einer sicheren und kostengünstigen Primärprävention von Atherosklerose. Sollte bei schwer gefäßkranken Patienten eine Risikominderung von Schlaganfall und Herzinfarkt nachweisbar sein, könnte die Primärprävention mit B-Vitaminen im Vor- oder Frühstadium der Gefäßerkrankung Milliarden Euro primäre und sekundäre Krankheitskosten sparen.

Quelle: World Congress on Hyperhomocysteinemia 2007 in Saarbrücken.

Mit freundlicher Unterstützung der Medice Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG.

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Literatur

  • 01 Bonaa KH . et al . NORVIT Trial Investigators.  N Engl J Med. 2005;  354 (15) 1578-1588
  • 02 Lonn E . et al . N Engl J Med. 2006;  354 (15) 1567-1577
  • 03 Till U . et al . Atherosclerosis. 2005;  181 (1) 131-135
  • 04 Toole JF . et al . JAMA. 2004;  291 (5) 565-575
  • 05 Wald DS . et al . BMJ. 2006;  333 (7578) 1114-1117
  • 06 Wang X . et al . Lancet. 2007;  369 (9576) 1876-1882
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Literatur

  • 01 Bonaa KH . et al . NORVIT Trial Investigators.  N Engl J Med. 2005;  354 (15) 1578-1588
  • 02 Lonn E . et al . N Engl J Med. 2006;  354 (15) 1567-1577
  • 03 Till U . et al . Atherosclerosis. 2005;  181 (1) 131-135
  • 04 Toole JF . et al . JAMA. 2004;  291 (5) 565-575
  • 05 Wald DS . et al . BMJ. 2006;  333 (7578) 1114-1117
  • 06 Wang X . et al . Lancet. 2007;  369 (9576) 1876-1882
 
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Tab. 1 Analyse der Subgruppen: Risikominderung zeigt sich nach drei Jahren