Notfall & Hausarztmedizin 2008; 34(1): 48-49
DOI: 10.1055/s-2008-1040386
Blickpunkt

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Hypertoniebehandlung bei Hochrisikopatienten - Gefäßschutz steht im Mittelpunkt der Therapie

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21 February 2008 (online)

 
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Eine Hypertonie ist multifaktoriell bedingt. "Doch egal aus welchem Blickwinkel man die Hypertonie betrachtet, stehen die Gefäße beziehungsweise der mit der Zeit ansteigende periphere Gefäßwiderstand im Mittelpunkt" erklärte PD Friedhelm Späh aus Krefeld. Denn auch der Hypertoniker mit scheinbar gesunden Herzkranzgefäßen ist durch die Hypertrophie des linken Herzens bedroht. Rhythmusstörungen sind einer der Gründe für den plötzlichen Herztod, besonders bei extremen Anstrengungen des Hypertonikers. "Auf Tennisplätzen wird gerne gespielt, häufig gewonnen aber auch häufig gestorben", veranschaulichte Späh.

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Erhalt der Gefäßelastizität rückt in den Vordergrund

Vergleicht man Medikamente bezüglich ihrer Hypertrophie reduzierenden Eigenschaften, so hat eine Metaanalyse gezeigt [1], dass Betablocker die Verringerung des linksventrikulären Massenindex (LVH) am wenigsten erreichen, etwas besser wirken Diuretika. Noch besser ist die Wirksamkeit von Kalziumantagonisten, ACE-Hemmern "und mit einem Sahnehäubchen die der Sartane", fasste Späh zusammen. "Wenn es gelingt, mit einer Therapie die Gefäße glatt, elastisch und dehnbar zu erhalten, hat man das Hauptziel der Behandlung erreicht", erläuterte der Kardiologe. Inzwischen seien zwar über 200 Risikofaktoren bekannt, wichtig sind allerdings die Veränderungen der Morphe und der Funktion, begründete er. In diesem Zusammenhang hat der Pulse-Pressure in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erregt (Abb. [1]). Die ausgeprägteste Senkung des Pulse-Pressure - beziehungsweise sogar einen Wiedergewinn der Gefäßelastizität - erreichten Sartane und Kalziumantagonisten [2]. Diuretika und Betablocker zeigten eine eher schwache Wirkung, ACE-Hemmer liegen in ihrer Wirkung dazwischen.

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Abb. 1 Pulse Pressure und das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse (mod. nach Am J Geriatric Cardiol 2006; 15: 226)

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Hoher Pulse Pressure und Gefäßsteifigkeit erhöhen Apoplexrate

Bei Hypertonie und Schlaganfall kommen Einflüsse durch Verlust der Gefäßelastizität und Plaquerupturen zusammen. "Letztlich führt beides zum Entstehen einer hohen Apoplexrate", folgerte Späh. Versucht man das Risiko für einen tödlichen Apoplex zu kalkulieren, stellt das Alter das höchste Risiko dar, welches die Gefäßsteifigkeit vorantreibt. "An zweiter Stelle mit 72% steht aber schon die Pulswellengeschwindigkeit, gefolgt vom Pulse-Pressure", betonte Späh. An letzter Stelle steht der systolische Blutdruck mit einer Risikokalkulation von 20%. Eine aktuelle Cochrane-Analyse ergab, dass Betablocker deutlich schlechter vor einem zukünftigen Apoplex schützen als Kalziumantagonisten, ACE-Hemmer und Sartane [3]. "Aktuelle Daten zeigen, dass Betablocker bei Patienten mit Hypertonie das Risiko für einen Myokardinfarkt sogar signifikant erhöhen beziehungsweise kardiovaskuläre Ereignisse zunehmen lassen könnten", betonte Späh. Der Grund dürfte laut neueren Untersuchungen darin liegen, dass die Frequenzsenkung durch Betablocker den Pulsdruck in den zentralen Gefäßen steigert. Dennoch haben Betablocker eine absolute Berechtigung bei Herzinsuffizienz, bei der Koronaren Herzerkrankung, bei Arrhythmien und einer erhöhten Sympathikus-Aktivität. "Bei einem Hypertoniker ohne Komplikationen ist ihr Einsatz jedoch sehr zu überdenken", unterstrich Späh.

Unisono kommen bisher alle Arbeiten zu dem Ergebnis, so Späh, dass die Inzidenz des Apoplex durch Sartane ausgeprägt zurückgeht. Sartane blockieren die über AT1-Rezeptoren vermittelte Wirkung von Angiotensin-II und können indirekt zu einer Verstärkung günstiger, über den AT2-Rezeptor vermittelte Wirkungen führen. "Die Kollagenbildung nimmt ab und die Elastinbildung wird verstärkt. Dies können nur Sartane", betonte Späh. Wobei es auch innerhalb der Gruppe der Sartane Unterschiede gibt. Im Kampf um die Angiotensin-II-Rezeptoren zeigt Telmisartan (z. B. Kinzalmono®/Kinzalkomb®) eine hohe Rezeptoraffinität. Sartane bieten aber auch Vorteile bezüglich der Fettverteilung beim Metabolischen Syndrom. Im Vergleich von Telmisartan mit Amlodipin zeigte sich keine Änderung am subkutanen Fett, jedoch eine deutliche Absenkung beim viszeralen Fett durch Telmisartan. Auch der Bauchumfang nahm nach sechs Monaten signifikant um 5 cm ab, während er unter dem Kalziumantagonisten sogar um 3 cm zunahm [4].

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Sartane und ACE-Hemmer schützen die Nieren

Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist das Angiotensin-II auch ein entscheidender Faktor bei Nierenerkrankungen, der zur Proteinurie und zur Hypertonie beiträgt. Dass ACE-Hemmer bei nierenkranken Patienten helfen und dabei die Niere schützen, ist inzwischen bewiesen. "Hat der nierenkranke Patient zusätzlich einen Typ-2-Diabetes, so belegt die Studienlage inzwischen eindeutig, dass hier eine nephroprotektive Behandlung mit einem am Renin-Angiotensin-System angreifenden Wirkstoff, zum Beispiel einem AT1-Antagonisten indiziert ist", erläuterte Prof. Ulrich Wenzel, Hamburg. So untersuchte die japanische INNOVATION[1]-Studie den Einfluss des AT1-Antagonisten Telmisartan bei 527 Typ-2-Diabetikern mit Mikroalbuminurie [5]. Die Patienten erhielten entweder Telmisartan in der Dosierung 40 mg, 80 mg oder Placebo. Nach einem Jahr entwickelten unter Placebo 50% der Patienten eine Makroalbuminurie und schließlich eine diabetische Nephropathie. Unter 40 mg Telmisartan trat bei signifikant weniger Patienten (23%) eine Nephropathie auf, unter Telmisartan 80 mg nur bei 17%. Auch die Blutdruckwerte unter beiden Telmisartan-Dosierungen sanken verglichen mit Placebo signifikant (Abb. [2]). "Dies untermauert die renoprotektiven Langzeiteffekte von Telmisartan bei diabetischer Nephropathie", folgerte Wenzel. Die DETAIL[2]-Studie wiederum verglich den AT1-Rezeptorblocker Telmisartan mit dem ACE-Hemmer Enalapril (Zieldosis 80 mg Telmisartan, 20 mg Enalapril) an 250 Typ-2-Diabetikern mit Hypertonie [6]. Die Ergebnisse zeigten eine vergleichbare Wirkung beider Substanzen auf die glomeruläre Filtrationsrate (GFR). Der Abfall konnte über den Beobachtungszeitraum signifikant aufgehalten werden. Auch die Senkung des diastolischen und systolischen Blutdrucks war in beiden Studienarmen gleich. "Eine Kombination beider Wirkprinzipien sollte daher stets erwogen werden", folgerte Wenzel.

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Abb. 2 Einfluss von Telmisartan auf den Übergang von der beginnenden zur manifesten diabetischen Neuropathie

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ONTARGET:

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Megastudie zum Gefäßschutz

Weitere Aufschlüsse erwartet Wenzel von den Daten der ONTARGET[3]-Studie, deren Ergebnisse im Frühjahr 2008 vorgestellt werden. "Mit mehr als 30 000 Patienten ist sie die größte Studie zur kardiovaskulären Sekundärprävention, die bisher durchgeführt wurde", hob Dr. Gunther Claus, Melsungen, hervor. Die Studie analysiert die Morbidität und Mortalität bei einem kardiovaskulären Hochrisikokollektiv. Eingeschlossen wurden Patienten über 55 Jahre mit Hypertonie und gesichertem Schlaganfall, Herzinfarkt, pAVK oder Diabetes mellitus mit Folgekomplikationen. "Es handelt sich also um ein Patientenkollektiv, das wir aus der HOPE[4]-Studie kennen", fasste Dr. Gunther Claus, Melsungen, zusammen. Als sehr erfreulich bezeichnete Wenzel, dass eine Nierenerkrankung kein Ausschlusskriterium war. Denn es wurden Patienten bis zu einem Kreatinin von 3,0 mg/dl eingeschlossen "das ist schon ordentlich nierenkrank", sagte Wenzel. Die Patienten erhielten täglich entweder 10 mg Ramipril oder 80 mg Telmisartan in einem "Head-to-head-Vergleich" und in einem dritten Arm eine Kombination beider Wirkstoffe. "Die HOPE-Studie testete gegen Placebo", erinnerte Claus, das sei heute ethisch nicht mehr vertretbar.

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Viele Substudien von Anfang an

Die Frage bei ONTARGET sei, inwieweit die Substanzen bei Patienten mit bereits bestehender Gefäßschädigung eine Organprotektion vermitteln beziehungsweise ob es möglicherweise Vorteile einer Kombination beider Wirkstoffe gibt. Primärer Endpunkt ist laut Claus die kardiovaskuläre Sterberate sowie die Rate an Herzinfarkten, Schlaganfällen und Klinikeinweisungen wegen Herzinsuffizienz. Zu den sekundären Endpunkten gehört unter anderem das Auftreten einer Nephropathie oder Dialysepflichtigkeit, wie Wenzel erwähnte. Laut Claus wird auch untersucht, wie die erektile Dysfunktion, die häufig einen Diabetes begleitet, positiv beeinflusst werden kann.

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Besondere Rolle innerhalb der jeweiligen Substanzklassen

Erwartet wird von den Studienergebnissen eine signifikante Schutzwirkung unter beiden Therapieprinzipien. Im Hinblick auf die Nieren prognostiziert man eine verbesserte Schutzwirkung durch die Kombinationstherapie. Denn mit Telmisartan wird eine Substanz geprüft, die sich innerhalb der Gruppe der Sartane neben einer guten klinischen Wirksamkeit durch pharmakokinetische Besonderheiten auszeichnet. Es ist das lipophilste in der Gruppe der Sartane, besitzt die längste Plasmahalbwertszeit und aufgrund seiner räumlichen Struktur die höchste Rezeptoraffinität. Da Telmisartan über das Gallensystem ausgeschieden wird, bietet es eine enorme therapeutische Breite bei Patienten mit Niereninsuffizienz. Ähnlich verhält es sich mit dem Wirkstoff Ramipril, der laut Claus eine besondere Rolle innerhalb der ACE-Hemmer einnimmt und in der HOPE-Studie bereits eine ausgeprägte Schutzwirkung über die reine Blutdrucksenkung hinaus gezeigt hat.

Obwohl die Daten erst im Frühjahr 2008 vorliegen, kann man schon jetzt erwarten, so Claus, dass die Studie ein statistisches Aussageniveau erreicht hat. Es gab keinen vorzeitigen Studienabbruch aus ethischen Gründen, "das heißt, dass A nicht besser war als B", erklärte er. Weltweit gab es nur wenige Patientenausschlüsse wegen reaktiver Hypertonie.

Bislang weiß man, dass Menschen mit geringen oder fehlenden sozialen Kontakten ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko haben. Laut Claus ist dies inzwischen mathematisch beweisbar. Interessant sei auch, dass es kein genetisches Risiko für KHK zu geben scheint. "Vielmehr scheint das Risiko an Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus oder den Blutdruck gekoppelt zu sein", erklärte er.

ts

Quelle: Satelliten-Symposium "Parallelwelten in der Hypertonie-Behandlung" im Rahmen des 31. Wissenschaftlichen Jahreskongresses der Deutschen Hochdruckliga "Hypertonie 2007", November 2007 in Bochum. Veranstalter: Bayer Vital GmbH

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Literatur

  • 01 Klingbeil AU . et al . Am J Med. 2003;  115 41-46
  • 02 Karpanu E . et al . JACC 2005; Abstract 405A. 
  • 03 Wiysonge CS . et al . Cochrane database für systematic reviews 2007, Issue 1, Art. No CD 22 2003. 
  • 04 Shimabukuro M . et al . J Hypertens. 2007;  25 841-848
  • 05 Makino H . et al . Diab Care. 2007;  30 (6) 1577-1578
  • 06 Barnett AH . et al . N Engl J Med. 2004;  351 (19) 1952-1961

01 INNOVATION: INcideNt to OVert: Angiotensin II receptor blocker, Telmisartan, Investigation On type II diabetic Nephropathy

02 DETAIL: Diabetics Exposed to Telmisartan And Enalapril

03 ONTARGET: Ongoing Telmisartan Alone and in combination with Ramipril Global Endpoint Trial

04 HOPE: Heart Outcomes Prevention Evaluation

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Literatur

  • 01 Klingbeil AU . et al . Am J Med. 2003;  115 41-46
  • 02 Karpanu E . et al . JACC 2005; Abstract 405A. 
  • 03 Wiysonge CS . et al . Cochrane database für systematic reviews 2007, Issue 1, Art. No CD 22 2003. 
  • 04 Shimabukuro M . et al . J Hypertens. 2007;  25 841-848
  • 05 Makino H . et al . Diab Care. 2007;  30 (6) 1577-1578
  • 06 Barnett AH . et al . N Engl J Med. 2004;  351 (19) 1952-1961

01 INNOVATION: INcideNt to OVert: Angiotensin II receptor blocker, Telmisartan, Investigation On type II diabetic Nephropathy

02 DETAIL: Diabetics Exposed to Telmisartan And Enalapril

03 ONTARGET: Ongoing Telmisartan Alone and in combination with Ramipril Global Endpoint Trial

04 HOPE: Heart Outcomes Prevention Evaluation

 
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Abb. 1 Pulse Pressure und das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse (mod. nach Am J Geriatric Cardiol 2006; 15: 226)

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Abb. 2 Einfluss von Telmisartan auf den Übergang von der beginnenden zur manifesten diabetischen Neuropathie