Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2008; 40(2): 78
DOI: 10.1055/s-2008-1044089
Forschung
Neues aus der Onkologie
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Proteasom-Inhibitoren: Neue Kandidaten für antitumorale Wirkstoffe

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Publication Date:
17 July 2008 (online)

Proteasom-Inhibitoren: Neue Kandidaten für antitumorale Wirkstoffe

Gemeinsam mit einem internationalen Wissenschaftlerteam fand Max-Planck-Forscher Markus Kaiser, Chemical Genomics Centre, Dortmund, bei Bakterien der Gattung „Pseudomonas Syringae” eine neue Klasse antitumoraler Wirkstoffe. Syringolin A wird von den Pseudomonas-Bakterien abgegeben. Es bewirkt, dass Pflanzenblätter braune Flecken bekommen und das Immunsystem der Pflanze geschädigt wird. Mithilfe von Röntgenstruktur-Analysen gelang es den Wissenschaftlern auf zellulärer Ebene nachzuweisen, dass Syringolin A die „Müllabfuhr” in den Blattzellen der Pflanzen durch Hemmung des Proteasoms 20S ausschaltet. Das Proteasom funktioniert wie eine Entsorgungsanlage in der Zelle, die fehlerhafte Proteine abbaut und zahlreiche lebenswichtige Prozesse bei Pflanzen und Tieren steuert. Wird es gehemmt, können sich Bakterien wie Pathogene ungehindert vermehren. Für die Aufklärung der molekularen Komponenten dieses Entsorgungsmechanismus erhielten die Wissenschaftler Aaron Ciechanover und Avram Hershko aus Israel sowie der US-Amerikaner Irwin Rose den Chemie-Nobelpreis des Jahres 2004.

Deutlich zu erkennen ist die Kristallstruktur von Syringolin A im Komplex mit dem 20S-Proteasom (Foto: Michal Groll, TU München)

Die Max-Planck-Forscher fanden eine weitgehende Übereinstimmung der Molekülstruktur des für Pflanzen schädlichen Syringolin A mit der seit den 1980er-Jahren bekannten antitumoralen Substanz Glidobactin A. Beide aufbauähnliche Wirkstoffe zählen zu den sog. Syrbactinen. Sie sind auch in menschlichen Zellen an der Abfallbeseitigung beteiligt. Markus Kaisers Team entdeckte, dass die Syrbactine direkt an das Proteasom, das Müllentsorgungszentrum in der Zelle, anbinden und es irreversibel ausschalten. Auf schnell wachsenden Tumorzellen, z. B. beim multiplen Myelom, wirken die Syrbactine toxisch. Mit seinen Kollegen von den Universitäten Zürich, Cardiff (GB), Hawaii und Kalifornien sowie von der TU München und der Uni Duisburg-Essen will Markus Kaiser die Syrbactine als neues Krebsmittel erproben. Chemisch konnte er sie in Dortmund bereits synthetisieren. Der Schweizer Andreas Bachmann wird sie in Neuroblastom-Tumorzellen von Mäusen auf ihre krebshemmende Wirkung testen.

Quelle: nature, 10.4.2008, Max-Planck-Presseinformation vom 10.4.2008.

Richard E. Schneider

Tübingen

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