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DOI: 10.1055/s-2008-1061488
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Therapieupdate bei Bewegungsstörungen
Publication History
Publication Date:
27 February 2008 (online)
Bewegungsstörungen sind alleine schon aufgrund ihrer Häufigkeit in der neurologischen oder nervenärztlichen Praxis von enormer Bedeutung. Nach den zerebrovaskulären Erkrankungen und den epileptischen Störungen nehmen Bewegungsstörungen in der Neurologie den dritten Platz auf der Häufigkeitsskala ein. Im ambulanten Bereich sind Bewegungsstörungen aufgrund ihrer Chronizität sicherlich noch stärker als im akutneurologischen Bereich vertreten. Vereinfacht lassen sich Bewegungsstörungen in einem 'Zuviel' - den Hyperkinesen - und einem 'Zuwenig' - den Hypokinesen - an Motorik unterteilen. Letztere können praktisch mit den verschiedenen (Pseudo-)Parkinson-Syndromen gleichgesetzt werden.
Im Rahmen der Parkinson-Syndrome treten alle denkbaren Bewegungsstörungen auf, seien sie krankheitsimmanent oder medikamentös induziert. Hier ergeben sich die bei Weitem meisten Neueinführungen in der Therapie, sodass zwar die Anzahl an therapeutischen Möglichkeiten zunimmt, die Behandlung jedoch immer komplexer und damit auch riskanter wird. In dem Artikel zur Therapie des idiopathischen Parkison-Syndroms habe ich versucht, alle therapeutischen Neuerungen der letzten fünf Jahre kurz darzustellen, denn hier bewegt sich wahrlich viel.
Mit der Zerebralparese haben sich bisher vor allem Neuropädiater beschäftigt. Mit Eintritt in die Pubertät entsteht eine direkte zielvereinbarende Kommunikation mit dem Erwachsenenneurologen ohne den Umweg über die Eltern. Um diesen bedeutsamen Schritt zu erleichtern, sollte der Artikel von Dr. Urban Fietzek hilfreich sein. Spastik ist ein wesentliches Problem bei der Zerebalparese, die bei der spastischen Form meist in Kombination mit einer Dystonie auftritt. Die Zerebralparese in ihrer dyskinetischen Form, wie sie bei etwa 10 % der Patienten auftritt, ist häufig mit Myoklonus, Athethose und Chorea assoziiert. Die kritische Würdigung der vorhandenen geringen Evidenz der mannigfaltigen Therapieangebote gewinnt an Bedeutung. Die Einteilung funktioneller Therapien in Schulen nach den von ihren Erstbeschreibern postulierten Prinzipien ist mit den modernen Konzepten der Neurophysiologie nicht immer ohne Weiteres in Deckung zu bringen und ist wissenschaftlich nicht haltbar. Hier ergeben sich Parallelen zu dem allgemeinneurologischen Problem der Spastik.
Kerstin Ziegler, wissenschaftlich tätige, stellvertretende Leiterin der Physiotherapie am Neurologischen Krankenhaus München zeigt Definitionen und Erklärungsmodelle für die Spastik auf und hinterfragt gängige Vorgehensweisen zur Testung wie z.B. das weit verbreitete Bobath-Konzept. Dieses Konzept gibt zur Spastikreduktion nur empirische Empfehlungen und seine Effektivität wird kontrovers diskutiert. Kurze und langanhaltende Muskeldehnungen mit oder ohne Gewichtsbelastung senken die Spastik nachweislich. Lagerungsschienen gewährleisten eine Dehnung, auch außerhalb der Therapie, und können mit Redressionsverfahren die Botulinumtoxintherapie unterstützen.
Dr. Messner und Kollegen widmen sich nicht nur den zugelassenen Anwendungsgebieten von Botulinumtoxin. Die Vielzahl neuer und seltener Indikationen zum Einsatz von Botulinumtoxin haben sich aus den Beobachtungen bei dem erfolgreichen Therapie von Dystonien (z.B. Blepharospasmus, Tortikollis) entwickelt. Bei der Reputation von Botulinumtoxin als dem „giftigsten aller Gifte” musste die Therapie mit dieser Substanz im Vergleich zu den verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten bei Dystonien sehr wirksam sein, um eine Akzeptanz in anderen Indikationen zu finden. Tatsächlich haben die bestechende Effektivität sowie die einfache und sichere Handhabung von Botulinumtoxin bei den Bewegungsstörungen nicht nur die Therapie, sondern auch die Perzeption dieser Erkrankungen in wenigen Jahren vollkommen verändert.
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