psychoneuro 2008; 34(2): 106
DOI: 10.1055/s-2008-1063057
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Angsterkrankungen ohne Angst - Verhaltenstherapie versus Pharmakotherapie?

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Publication Date:
14 April 2008 (online)

 
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Generalisierte Angsterkrankungen (GAD) sind chronische Erkrankungen die nach den Depressionen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen zählen. Die Erkennung und die Diagnose bedarf besonderer Kenntnisse, da es sich um eine sogenannte Angsterkrankung ohne Angst handelt. Leitsymptom sind ständige Sorgen, d.h. antizipatorische katastrophisierende Kognitionen [1]. Aufgrund der Häufigkeit der Erkrankung und des hohen Ausmaßes an Komorbidität hat die Generalisierte Angststörung in den letzten Jahren ein zunehmendes Interesse in Forschung und Praxis erfahren. So können GAD-Patienten von neuen medikamentösen Optionen und maßgeschneiderten kognitiv-verhaltenstherapeutischen Verfahren profitieren.

Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) hat sich als eine wirksame Behandlungsmethode der GAD etabliert. Dr. Thomas Bär, Rostock, stellte das am Beispiel der Berliner KVT-GAD-Studie [2] vor, in der in Kooperation mit niedergelassenen Verhaltenstherapeuten ein manualgeleitetes, kognitiv-verhaltenstherapeutisches Vorgehen bei der ambulanten Behandlung von Patienten mit GAD evaluiert wurde. Unter der KVT zeigte sich ein durchschnittlicher Rückgang der Symptomatik im Prä-Post-Vergleich um 39,6% in der HAM-A (Hamilton Angstskala) und um 15,1% im STAI-State (State-Trait Anxiety Inventory). Dagegen erreichte die Kontaktkontrollgruppe Vergleichswerte von 5,3% in der HAM-A bzw. 3,2% im STAI-State.

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Eine Pharmakotherapie behindert nicht den Erfolg einer Psychotherapie

In einer Metaanalyse aller bisherigen Studien zu Pharmakotherapie im Vergleich zur Verhaltenstherapie und deren Kombination, die Prof. Borwin Bandelow, Göttingen, vorstellte, konnte eine vergleichbare Effektstärke (Cohens d) für die Behandlungsstrategien gezeigt werden, wobei eine Kombinationstherapie in den meisten Fällen am wirksamsten war (Abb. [1]).

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Abb. 1 Metaanalyse aller Studien: Verhaltenstherapie (VT) vs. Pharmakotherapie (PT) bei generalisierten Angststörungen (Cohens d)

Einen Überblick über die bei GAD verwendeten Psychopharmaka lieferte Prof. Hans-Peter Volz, Werneck. Im Wesentlichen werden drei Substanzklassen eingesetzt: Antidepressiva, Anxiolytika und seit 2006 als einziges Antikonvulsivum Pregabalin. Eine Monotherapie ist grundsätzlich vorzuziehen, Kombinationen sind nur in therapieresistenten bzw. schweren Fällen anzuraten. Generell ist bei der Pharmakotherapie mit Pregabalin (Lyrica®) zu beachten, dass die Wirkung langsamer als bei der antidepressiven Therapie einsetzt, d.h. nach etwa vier bis fünf Wochen ab Therapiebeginn.

Da GAD-Patienten sehr sensibel auf Nebenwirkungen reagieren und die Medikamente häufig nicht einnehmen, ist das Interaktionspotenzial und das Nebenwirkungsspektrum des eingesetzten Psychopharmakons wichtig für eine optimale Compliance. Hier bestehen bei gleicher Wirksamkeit deutliche Unterschiede (Tab. [2]). Pregabalin bietet den Vorteil, dass es nahezu vollständig und unverändert renal eliminiert wird. Die Substanz ist ebenso effektiv wie hohe Dosen von Benzodiazepinen und der Wirkeintritt ist annähernd gleich schnell [1]. Die anxiolytische Wirkung, sowohl bei den somatischen als auch bei den psychischen Angstsymptomen ist gleich gut ausgeprägt und mit jenen der anderen Anxiolytika vergleichbar. Pregabalin weist zudem einen günstigen Effekt auf Schlafstörungen auf. Die dosisabhängigen Hauptnebenwirkungen Benommenheit und Schläfrigkeit sind passager und geringer ausgeprägt als unter den Benzodiazepinen. Absetzphänomene treten nicht oder deutlich seltener auf, sexuelle Dysfunktionen und kognitive Störungen bleiben ganz aus.

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Tab. 1 Wirksamkeit und Verträglichkeit der bei GAD eingesetzten Psychopharmaka

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Fazit

Verhaltenstherapeutische und pharmakologische Strategien haben sich bei der GAD bewährt. Die bisherige Akzeptanz für behaviorale und kognitiv-behaviorale Therapien im Vergleich zur Pharmakotherapie ist jedoch höher. Der Einsatz des Antikonvulsivums Pregabalin könnte sich Dank seines Verträglichkeitsprofils günstig auf die Compliance auswirken.

Dr. Daniel Bomar, Linkenheim-Hochstetten

Quelle: Symposium "Wege zur optimalen Therapie der GAD" am 21. November 2007 anlässlich des DGPPN in Berlin, veranstaltet von der Pfizer Pharma GmbH

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Literatur

  • 01 Bandelow B (Hrsg.) . Taschenatlas GAD. Generalisierte Angststörung in Klinik und Praxis.  Linkenheim-Hochstetten: Aesopus-Verlag. 2006; 
  • 02 Linden M . et al . Efficacy of Cognitive Behaviour Therapy in Generalized Anxiety Disorders. Results of a controlled clinical trial (Berlin CBT-GAD-Study).  Psychother Psychosom. 2006;  74 36-42
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Literatur

  • 01 Bandelow B (Hrsg.) . Taschenatlas GAD. Generalisierte Angststörung in Klinik und Praxis.  Linkenheim-Hochstetten: Aesopus-Verlag. 2006; 
  • 02 Linden M . et al . Efficacy of Cognitive Behaviour Therapy in Generalized Anxiety Disorders. Results of a controlled clinical trial (Berlin CBT-GAD-Study).  Psychother Psychosom. 2006;  74 36-42
 
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Abb. 1 Metaanalyse aller Studien: Verhaltenstherapie (VT) vs. Pharmakotherapie (PT) bei generalisierten Angststörungen (Cohens d)

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Tab. 1 Wirksamkeit und Verträglichkeit der bei GAD eingesetzten Psychopharmaka