Dialyse aktuell 2008; 12(1): 48-49
DOI: 10.1055/s-2008-1064891
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Peritonealdialyse in Deutschland Was bringt die Zukunft?

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Publication Date:
11 March 2008 (online)

 
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Wenn eine medizinische Fortbildungsveranstaltung in den Folgejahren weitergeführt wird, ist das per se ein deutliches Zeichen für ihren Erfolg. Wenn aber eine Veranstaltung bereits über 14 Jahre mit wachsendem Zuspruch fortgesetzt wird, darf man zu Recht von einer "Institution" reden. Eine solche hat Prof. Andreas Kribben, Essen, mit dem "Essener Peritonealdialyse-Gespräch" mit Unterstützung von Fresenius Medical Care geschaffen. Zusammen mit PD Frank Pietruck, Essen, hatte er in diesem Jahr ein Programm zusammengestellt, das die aktuellen Aspekte der Peritonealdialyse (PD) beleuchtete und den Bogen von der Vergangenheit bis in die Zukunft spannte.

Die Auseinandersetzung mit dem PD-Verfahren, gerade auch im Rahmen ärztlicher und pflegerischer Fortbildungsveranstaltungen ist wichtig, um diese Form der Nierenersatztherapie in Deutschland stärker zu etablieren. "Die große Herausforderung liegt darin, den Anteil der Peritonealdialyse wieder zu erhöhen, der innerhalb der letzten zehn Jahre von 8 auf unter 5% gesunken ist, so Kribben in seiner Begrüßung. Der Blick zurück kann daher lehrreich sein, wichtig ist aber auch die Beleuchtung praktischer Fragestellungen zur sowie die Entwicklung von Strategien für die Zukunft. All dies deckte die Veranstaltung ab. Auf die Anfänge der Bauchfelldialyseverfahren ging kein geringerer als Prof. Aldo Colombi, Luzern (Schweiz), ein und illustrierte den Innovationsgeist und den Mut der "PD-Pioniere".

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Den Patienten zum Manager seiner Krankheit machen

Mut und Engagement ist auch heute noch für eine gute Peritonealdialyse notwendig, wie Christa Tast, Stuttgart, Vorsitzende des Fachverbandes nephrologischer Berufsgruppen, ausführte. Als Ziel einer guten PD definierte sie die Selbstbehandlungskompetenz des Patienten. Das PD-Team muss den Patienten motivieren können, für seine Dialyse die Verantwortung zu übernehmen. Dafür muss es ihm Selbstvertrauen und Können vermitteln.

"Natürlich sind die Laborwerte wichtige Parameter, aber an erster Stelle steht das subjektive Wohlbefinden und der Lebenswille", so Tast. Dafür sind medizinische Voraussetzungen obligat. So dürfen natürlich keine Urämiesymptome auftreten und auch der Schutz vor "Überwässerung" ist wichtig, leider kommt dies bei PD-Patienten immer noch häufig vor. Tast riet dazu, die "Bilanzierungskompetenz" der Patienten genau zu überprüfen - denn oft entstehen durch Ungenauigkeiten Diskrepanzen von bis zu drei bis vier Litern! Eine gute PD ist nur möglich, wenn genügend Zeit für die Entwicklung von Trainingskonzepten, für Rufbereitschaften und auch für Hausbesuche zur Verfügung steht. Peritonealdialysepatienten zu betreuen ist kein "Nebenjob", sondern bedarf eines Teams, das mit Herz und Seele dabei ist.

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Assistierte Peritonealdialyse: Nichts ist unmöglich!

Solche Teams machen dann auch Unmögliches möglich - das gilt besonders für den Bereich der assistierten Dialyse, wo häufig bürokratische Hürden die Realisierung erschweren. Dr. Johannes Bunia, Iserlohn, und Dr. Matthias Kohnle, Velbert, schilderten ihre Fälle der assistierten PD bei geistig behinderten Jugendlichen. In einem Fall wurde die Mutter angelernt, die PD durchzuführen, im zweiten Fall gleich mehrere Angestellte einer Pflegeeinrichtung für behinderte Menschen. Letzteres kann zwar bürokratische Hürden mit sich bringen, hat aber den Vorteil, dass Ersatz da ist, falls die pflegende Einzelperson ausfällt. Besonders eindrucksvoll war der "Fall Patrick" - für ihn ist die PD die einzige Alternative, da er nicht auf die Transplantationsliste aufgenommen werden konnte und sich die Hämodialyse (HD) nicht durchführen lässt (Abb. [1]). Eine weitere Patientenklientel, die von der assistierten Peritonealdialyse profitieren könnte, sind ältere, pflegebedürftige Menschen, wie Pietruck ausführte. Er schilderte erste vielversprechende Erfahrungen mit einem ambulanten Pflegedienst, das Schule machen könnte. Doch auch hier gilt es, bürokratische Hürden zu überwinden.

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Abb. 1 Der schwerbehinderte Patrick ist Peritonealdialysepatient. Seine Mutter führt die PD durch, für ihn ist das die einzige Möglichkeit zu überleben

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Peritonealdialyse: Von Vorteil bei der Anämietherapie

Die PD eignet sich aber nicht nur für "Problempatienten", sondern hat gegenüber der HD auch andere Vorteile. Einen beschrieb Dr. Thomas Rath, Kaiserslautern, in seinem Vortrag zur Diagnostik und Therapie der renalen Anämie bei PD-Patienten. Zwar müssen die Anämiestudien generell mit Vorsicht interpretiert werden, da die Zahl der teilnehmenden PD-Patienten sehr gering ist, aber offensichtlich benötigen PD-Patienten im Vergleich zu HD-Patienten seltener eine Anämietherapie - und wenn eine Therapie notwendig ist, dann erzielen sie die Hb-Zielwerte mit signifikant geringeren EPO-Dosen. Das zeigte beispielsweise auch die Querschnittsuntersuchung ESAM[1] [3], die 8 000 Patienten (10% PD-Patienten) einschloss. Von den HD-Patienten erreichten lediglich 66% das Therapieziel Hb > 11 g/dl. Der Anteil der PD-Patienten, die das Ziel erreichten, lag signifikant besser bei 76%.

Ein Problem ist jedoch die Eisensupplementation bei PD-Patienten. Da die intravenöse Therapie der oralen überlegen ist, PD-Patienten aber nicht so häufig beim Nephrologen vorstellig werden, galt diese Form der Substitution lange als impraktikabel. Rath führte nun jedoch aus, dass eine Hochdosisgabe in längeren Intervallen durchaus möglich sei. Einer Studie [4] zufolge führe eine höhere Dialyseeffektivität zu besseren Hämatokritwerten. Generell den größten positiven Einfluss habe jedoch die Nierenrestfunktion, da sie wesentlich zur Verbesserung der Gesamtclearance beiträgt.

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Wichtiges Therapieziel: Erhalt der Nierenrestfunktion

Die residuale Nierenfunktion (RNF) korreliert nicht nur mit besseren Hämatokritwerten, sondern ist vor allem mit einer geringeren Mortalität vergesellschaftet, wie beispielsweise die ADEMEX[2]- [7] oder die CANUSA[3]-Studie [1] zeigten. PD Stefan Herget-Rosenthal, Essen, hob daher den Erhalt der RNF als wichtigstes Therapieziel hervor. Zwar gibt es derzeit noch wenige Interventionsstudien, in eigenen Untersuchungen konnte Herget-Rosenthal, wie beispielsweise auch Li et al. [5], eine Verminderung der Geschwindigkeit des Abfalls der Nierenrestfunktion unter ACE-Medikation zeigen. Alles in allem geht jedoch der Verlust der RNF bei der PD signifikant langsamer vonstatten als beim HD-Verfahren [6].

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Die Zukunft der Peritonealdialyse

Die Peritonealdialyse gilt generell als gleichwertiges Dialyseverfahren, hat sogar gegenüber der HD den einen oder anderen Vorteil und ist dennoch derzeit in Deutschland extrem unterrepräsentiert. Prof. Reinhard Brunkhorst, Hannover, rundete das diesjährige Essener PD-Gespräch mit einem Blick nach vorn ab. Er entwickelte pragmatische Strategien für die Zukunft, um das Verfahren stärker in den Fokus der Nephrologen zu bringen.

Zum einen sieht Brunkhorst ein Defizit in der nephrologischen Ausbildung, in der die Peritonealdialyse noch immer stiefmütterlich behandelt wird. Darüber hinaus müssten, um das Verfahren durchzusetzen, finanzielle Anreize für die Ärzte geschaffen werden. Ein weiteres Feld, das es zu bestellen gilt, sei die Kommunikation. Alte, längst überlebte Vorurteile bestehen noch immer und werden nicht entkräftet, wohingegen die medizinischen Vorteile der PD - beispielsweise die Daten zur Mortalität von Collins et al. [2] nur zaghaft kommuniziert würden. Auch bemängelte Brunkhorst die geringen technischen Weiterentwicklungen im Bereich der PD, so ließen wichtige Innovationen, wie etwa die Niedrig-Natriumlösung, noch auf sich warten. "Insgesamt muss die Innovationsbereitschaft zunehmen", schloss Brunkhorst das 14. Essener PD-Gespräch mit einem Appell.

Dr. Bettina Albers, Weimar

Quelle: 14. Essener Peritonealdialyse-Gespräch

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Fresenius Medical Care Deutschland GmbH, Bad Homburg

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Literatur

  • 01 Churchill DN . et al . J Am Soc Nephrol. 1996;  7 (2) 198-207
  • 02 Collins AJ . Hao W . Xia H . et al . Am J Kidney. 1999;  34 (6) 1065-1074
  • 03 Jacobs C . et al . NDT. 2005;  20 3-24
  • 04 Kim JK . Park BS . Park MJ . et al . Korean J Intern Med. 2003;  139 105-112
  • 05 Li P . Chow KM . Wong TY . et al . Ann Intern Med. 2003;  139 105-112
  • 06 Lysaght MJ . Vonesh EF . Gotch F . et al . ASAIO Trans. 1991;  37 598-604
  • 07 Paniagua R . Amato D . Vonesh E . et al . J Am Soc Nephrol. 2002;  13 1307-1320

01 European Survey on Anemia Management

02 Adequacy of Peritoneal Dialysis in Mexico

03 Canada-USA

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Literatur

  • 01 Churchill DN . et al . J Am Soc Nephrol. 1996;  7 (2) 198-207
  • 02 Collins AJ . Hao W . Xia H . et al . Am J Kidney. 1999;  34 (6) 1065-1074
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  • 07 Paniagua R . Amato D . Vonesh E . et al . J Am Soc Nephrol. 2002;  13 1307-1320

01 European Survey on Anemia Management

02 Adequacy of Peritoneal Dialysis in Mexico

03 Canada-USA

 
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Abb. 1 Der schwerbehinderte Patrick ist Peritonealdialysepatient. Seine Mutter führt die PD durch, für ihn ist das die einzige Möglichkeit zu überleben