Einleitung
Es wird eine 98-jährige Patientin mit einem ausgedehnten extramammären Morbus Paget der Leisten-, Genital- und Unterbauchregion vorgestellt. Die Veränderungen entwickelten sich seit ca. 9 Jahren nach initialer subtotaler Exzision. Unter Radiotherapie kam es zur vollständigen klinischen Regression der Veränderungen.
Kasuistik
Anamnese
Bei der zum Vorstellungszeitpunkt 98-jährigen Patientin fand sich seit 1998 ein etwa handtellergroßer ekzematöser Herd rechts inguinal, der zunächst als Tinea inguinalis behandelt wurde. Eine auswärtige Probebiopsie ergab 1998 die histologische Diagnose eines superfiziell spreitenden malignen Melanoms mit einer Gesamttumordicke bis 1,0 mm. Initial wurde eine subtotale Exzision durchgeführt. In Anbetracht des Alters entschloss sich die Patientin damals gemeinsam mit ihrer Tochter keine weiterführende intensivere Therapie durchführen zu lassen. Eine Wachstumstendenz mit Superinfektion führte die Patientin 2006 zum Vorstellungstermin in unserer Klinik.
Erstbefund
Die 98-jährige Patientin war in einem altersentsprechend guten AZ und EZ. Es fanden sich rechts inguinal, am rechten Unterbauch mit Übergreifen auf den Mons pubis und die linke Leiste sowie den Genitalbereich überhandflächengroße erythematöse, teils infiltrierte und erodierte, superinfizierte verkrustete Veränderungen ([Abb. 1 a ]). Die regionalen Lymphknoten waren nicht pathologisch. Staging-Untersuchungen ließ die Patientin nicht durchführen.
Histologischer Befund
Hyperplastische Epidermis mit in Nestern angeordneten großleibigen stark pleomorphen Zellen. Große pleomorphe Kerne, teilweise mit prominenten Nukleoli. In der oberen Dermis bandförmiges lymphozytäres Infiltrat. Angedeutet auch glanduläres Muster. Immunhistochemisch intensive Markierung der Tumorzellen mit CEA. Keine Expression von S100 ([Abb. 1 b ]).
Abb. 1 a Ausgedehnter Lokalbefund am rechten Unterbauch und in der rechten und linken Leistenregion sowie im Genitalbereich mit erythematösen infiltrierten, teils erosiven und krustösen Plaques. b Histologischer Befund: hyperplastische Epidermis mit in Nestern angeordneten großleibigen stark pleomorphen Zellen mit großen pleomorphen Kernen, teilweise mit prominenten Nukleoli (Hematoxylin & Eosin, 80 ×).
Therapie und Verlauf
Eine großflächige Operation lehnte die Patientin ab. Wir entschlossen uns zur Durchführung einer Radiatio mit kurativer Intention. Zunächst wurden Unterbauch und rechte Leiste mit streng individuell kollimierten Elektronenstehfeldern am Linearbeschleuniger mit einer Einzeldosis von 2,0 Gy und einer Gesamtdosis von 60,0 Gy bestrahlt. Hierunter kam es zur vollständigen klinischen Regression der Veränderungen. In einer zweiten Sitzung wurden linker Unterbauch und linke Leiste ebenso radiotherapiert.
Diskussion
Der extramammäre Morbus Paget ist eine seltene, häufig erst spät diagnostizierte Erkrankung der 50- bis 70-Jährigen mit Bevorzugung des weiblichen Geschlechts (Frauen : Männer 3 : 1). Klinisch imponiert, wie auch im vorgestellten Fall, ein scharf begrenzter unregelmäßiger, erythematöser, ekzematisierter oder lichenifizierter Herd mit Lokalisation in der Anogenital-, Nabel- und Leistenregion, in den Axillen, seltener an Ohrmuscheln und Augenlidern [1 ]. Häufig wird er als nummuläres Ekzem, Psoriasis inversa oder intertriginöse Kandidose verkannt, welche auch die Differenzialdiagnosen darstellen. Jedes therapieresistente Ekzem in den genannten Lokalisationen sollte deshalb bioptisch unter der Fragestellung eines extramammären Morbus Paget abgeklärt werden.
Bezüglich der Genese kann festgestellt werden, dass in 25 % der Fälle ein kutaner Adnextumor mit apokriner Differenzierung nachweisbar ist und in 15 % ein Karzinom des Intestinal- oder Urogenitaltraktes im Bereich des Rektums, der Prostata, Blase, Zervix und Urethra vorliegt. Im vorgestellten Fall können keine Aussagen zu internen assoziierten Karzinomen gemacht werden, da ein Staging nicht erfolgte. Invasive Tumoren, erhöhte Serum-CEA-Werte und Lymphknotenschwellungen stellen signifikante prognostische Faktoren dar [2 ].
Therapeutisch kommen die Totalexzision, Imiquimod oder 5-Fluorouracil lokal, fotodynamische Therapie, CO2 -Laser mit weitem Sicherheitsabstand und Kryochirurgie zur Anwendung. Die operative Behandlung als auch die anderen Methoden sind allerdings mit hohen Rezidivraten je nach Literaturangaben bis 60 % [3 ] verbunden, da die Ausdehnung klinisch nicht sicher zu erkennen ist und die Entstehungsweise offenbar multizentrisch sein kann. Mikrografisch kontrollierte Chirurgie bzw. auch Exzisionen mit einem Sicherheitsabstand bis 3 cm werden empfohlen [3 ]
[4 ]. Die lokale immunmodulatorische Therapie mit Imiquimod kann als wirksame alternative Behandlungsmethode empfohlen werden [5 ]
[6 ].
Die Radiotherapie kommt bevorzugt bei ausgedehnten Fällen, die nicht operabel sind, zur Anwendung, wie im vorgestellten Fall gezeigt werden konnte.