psychoneuro 2008; 34(4): 222
DOI: 10.1055/s-2008-1079280
Blickpunkt

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wie schlafen wir morgen? Und wie lange? - Gesunder Schlaf - Voraussetzung für die Gesundheit

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Publikationsdatum:
13. Mai 2008 (online)

 
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Das Schlafverhalten hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert: Im Schnitt schlafen wir heute ein bis zwei Stunden weniger pro Nacht als noch vor 50 Jahren. Nach einer Untersuchung des Robert-Koch-Instituts (www.rki.de) klagen rund 25% der Bevölkerung über Schlafstörungen, 11% erleben ihren Schlaf als "häufig nicht erholsam". Dabei gilt gestörter Schlaf als einer der wichtigsten gesundheitsgefährdenden Risikofaktoren (neben Bluthochdruck, Rauchen, Alkohol, hohem Cholesterinspiegel, Übergewicht, körperlicher Inaktivität und ballaststoffarmer Ernährung), wie Prof. Jürgen Fritze vom Verband der privaten Krankenversicherung e.V. Köln, ausführte (Abb. [1]). Die Folgen sind neben einem erhöhten Unfallrisiko u.a. Substanzmissbrauch, Depressionen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Darüber hinaus verursachen Schlafstörungen aufgrund der eingeschränkten Leistungsfähigkeit hohe finanzielle Schäden etwa durch Produktionsausfälle.

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Abb. 1 Gestörter Schlaf als Risikofaktor nach [5]

Schlafstörungen treten auch häufig in Zusammenhang mit Depressionen auf. Ein- und Durchschlafstörungen zählen zu den typischsten Beschwerden von Patienten mit Depressionen. Diese früh zu erkennen und nachhaltig zu behandeln, ist daher dringend erforderlich, appellierte Dr. Christian Härter, Freiburg. Die Notwendigkeit präventiver Maßnahmen, um nicht ausreichenden Schlaf zu vermeiden, betonte auch Prof. Geert Mayer, Schwalmstadt, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin. "Schlafstörungen sollten möglichst frühzeitig erkannt und adäquat behandelt werden."

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Schlaf wird durch zirkadiane und homöostatische Mechanismen reguliert

Am Schlaf-Wach-Zyklus sind eine Vielzahl von Neurotransmittern (Acetylcholin, Adrenalin, Dopamin, Serotonin, Histamin und Orexin/Hypocretin) beteiligt, die in einem sehr labilen Gleichgewicht stehen [1]. Dementsprechend kann das Schlaf-Wach-Verhalten durch eine Vielzahl von Medikamenten beeinflusst werden. Ein Ansatzpunkt ist beispielsweise das Hypocretinsystem, das Schlaf und Wachen durch Interaktionen mit Systemen steuert, die Gefühle, Belohnung und Energiehomöostase regeln [2]. Wie Mayer erklärte, wird Schlaf nicht nur durch zirkadiane, sondern auch durch solche homöostatische Mechanismen geregelt. Bei Schlafentzug steigt der Schlafdruck, der folgende Schlaf ist länger und konsolidierter. Schlaf ist notwendig, damit das Gehirn ausreichend Energie erhält, um funktionieren zu können.

Bei zu kurzem Schlaf verringert sich dagegen die Glukosemetabolisierung, so Prof. Dieter Riemann, Freiburg. Dies erkläre vermutlich auch den Zusammenhang zwischen Schlafmangel und Gewichtszunahme (z.B. [3]). Außerdem sinkt die geistige Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit. Auch die Lebensqualität nimmt deutlich ab [4]. Das Risiko für Depressionen und für suizidales Verhalten steigt. Eine weitere gesundheitsgefährdende Folge einer chronischen Insomnie ist auch eine erhöhte Kortisolkonzentration im Plasma (Abb. [1]). Außerdem wird das Immunsystem beeinträchtigt, so sind z.B. die Interleukin-6-Spiegel bei den Betroffenen signifikant erhöht. Auf Dauer führt nicht ausreichender Schlaf zu morphologischen Veränderungen im Gehirn: Im Vergleich zu gesunden Probanden ist das Hippokampusvolumen von Insomniepatienten signifikant verringert [6].

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Therapie der Insomnie heute und morgen

Eine frühzeitige Behandlung ist daher entscheidend. Unser Lebensstil und zukünftige Entwicklungen werden aber dazu führen, dass noch weitergehende Anforderungen an eine adäquate Insomniebehandlung gestellt werden, prognostizierte Prof. Göran Hajak, Regensburg. "Die Zukunft werden Schlafenhancer und Schlafstabilisatoren sein, die die psychobiologische Leistung und Erholsamkeit des Schlafs optimieren, Schlaf je nach Bedarf induzieren und stabilisieren können". Dazu stehen uns jetzt bereits z.B. selektive Omega-1- und -2-Agonisten, postsynaptische Serotonin-2-Agonisten und Melatonin-Agonisten (MT1 und 2) zur Verfügung. Weitere Medikamenten sind in der Pipeline, z.B. ist der selektive Melatonin-1- und -2-Agonist Circadin® bereits zugelassen. Die Markteinführung wird demnächst erwartet.

Dr. Katrin Wolf, Eitorf

Quelle: Symposium "Gesundheitsziel Schlafstörungen? - Neue Erkenntnisse zur Bedeutung des Schlafs für die Gesundheitserhaltung und Lebensqualität der Bevölkerung" am 1. April 2008 im Rahmen des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin in Wiesbaden, veranstaltet von der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin und der Jaleel Consulting GmbH, unterstützt durch die Lundbeck GmbH und Cephalon GmbH

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Literatur

  • 01 España RA . Scammell TE . Sleep. 2004;  15; 27 (4) 811-820
  • 02 Sakurai T . Nat Rev Neurosci. 2007;  8 (3) 171-181
  • 03 Chen X . Beydoun MA . Wang Y . Obesity. 2008;  16 (2) 265-274
  • 04 König HH . Bernert S . Angermeyer MC . Gesundheitswesen. 2005;  67 (3) 173-182
  • 05 Pearson NJ . Johnson LL . Nahin RL . Arch Int Med. 2006;  166 (16) 1775-1782
  • 06 Riemann D . et al . Sleep. 2007;  30 (8) 955-958
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Literatur

  • 01 España RA . Scammell TE . Sleep. 2004;  15; 27 (4) 811-820
  • 02 Sakurai T . Nat Rev Neurosci. 2007;  8 (3) 171-181
  • 03 Chen X . Beydoun MA . Wang Y . Obesity. 2008;  16 (2) 265-274
  • 04 König HH . Bernert S . Angermeyer MC . Gesundheitswesen. 2005;  67 (3) 173-182
  • 05 Pearson NJ . Johnson LL . Nahin RL . Arch Int Med. 2006;  166 (16) 1775-1782
  • 06 Riemann D . et al . Sleep. 2007;  30 (8) 955-958
 
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Abb. 1 Gestörter Schlaf als Risikofaktor nach [5]