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DOI: 10.1055/s-2008-1081009
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Kardiale Manifestationen von Systemerkrankungen
Publication History
Publication Date:
05 June 2008 (online)
Zahlreiche Systemerkrankungen können sich kardial manifestieren. Wurde die Systemerkrankung diagnostiziert, ist im Rahmen der Staginguntersuchung mit den verfügbaren Bildgebungsverfahren (insbesondere Echokardiografie, Magnetresonanztomografie, Kardangiografie) und der in geübten Händen nahezu komplikationsfreien Entnahme von Myokardbiopsien [3] [8] eine kardiale Mitbeteiligung schnell und zuverlässig nachzuweisen beziehungsweise auszuschließen.
Schwieriger gestaltet sich die Diagnostik, wenn bei einer okkulten Systemerkrankung früh und/oder klinisch vordergründig das Herz beteiligt ist. Die Leitsymptome Dyspnoe, eingeschränkte Belastbarkeit, Arrhythmien, Erregungsüberleitungsstörungen und Angina pectoris lassen in diesen Fällen primär an eine „klassische“ Herzerkrankung (koronare Herzerkrankung, Kardiomyopathie) denken. Die gebotenen weiterführenden Untersuchungen werden wegen der Allverfügbarkeit der nichtinvasiven Bildgebung und von Herzkathetermessplätzen in Deutschland rasch durchgeführt sein und der Patient mit zahlreichen „Ausschlussdiagnosen“ wieder im Wartezimmer seines Hausarztes sitzen. Dieser weiß jetzt, dass bei seinem Patienten „kein Anhalt für eine stenosierende KHK“ besteht und die „linksventrikuläre Pumpfunktion nicht wesentlich gestört“ ist. Hatte der Patient neben der klinisch führenden Dyspnoe eine Erregungsüberleitungsstörung (z. B. AV-Block II°), wird er nicht selten zwischenzeitlich mit einem Schrittmachersystem versorgt sein, da die Erregungsüberleitungsstörung DRG-konform zur Hauptdiagnose (Ziffer I-44, I-45) aufgestiegen ist und eine stimmige Prozedur (OPS 5–377) ausgelöst hat. Die den Patienten quälende und den Hausarzt beunruhigende Dyspnoe wurde durch die Schrittmacherimplantation in diesem Szenario allerdings nicht gebessert.
Das patientenseitig bei kardialer Manifestation verschiedener Systemerkrankungen am häufigsten angegebene Leitsymptom ist Dyspnoe oder Orthopnoe. Kardial bedingte Dyspnoe ist meist Folge einer diastolischen linksventrikulären Funktionsstörung, die nichtinvasiv durch geeignete echokardiografische Untersuchung evaluiert und spiroergometrisch quantifiziert werden kann [1] [5] [6]. Die Bestimmung von NT-proBNP ist insbesondere bei Verdacht auf kardiale Sarkoidose oder Amyloidose ein differenzialdiagnostisch nutzbarer und für die Verlaufsbeobachtung geeigneter Laborparameter [4]. Echokardiografische Untersuchungen unter Einschluss des Tissue Dopplers und MRT-Untersuchungen sind bei Patienten mit Verdacht auf eine kardiale Beteiligung bei Systemerkrankungen heute obligat [1] [7] [9]. Ist eine Herzkatheteruntersuchung indiziert, sollte diese die Druckmessung in der Pulmonalarterie und der pulmonalkapillaren Strombahn (wedge pressure) sowie die Berechnung der pulmonalvaskulären Widerstände einschließen. Mehr als triviale diastolische Funktionsstörungen der linken Herzkammer unklarer Ätiologie erfordern differenzialdiagnostisch häufig die Entnahme von Myokardbiopsien aus dem rechtsventrikulären Septum, das morphologischer Teil der linken Herzkammer ist [3] [8]. Die hohe Prävalenz schlafbezogener Atemstörungen bei diastolischer Herzinsuffizienz lässt es ratsam erscheinen, diesbezüglich zumindest eine Screeninguntersuchung durchzuführen [2]. Sind nicht alle genannten Untersuchungen im Sinne der kardiovaskulären Stufendiagnostik erfolgt, ist diese unvollständig; der Hausarzt sollte auf eine Komplettierung drängen.
Eine Systematik der Vielzahl kardialer Manifestationen von systemischen Erkrankungen ist bislang nicht etabliert. Aus kardiologischer Sicht bietet sich eine Einteilung anhand der primär beteiligten Herzstrukturen an: Perikardbeteiligungen finden sich unter anderem bei der Wegnerschen Granulomatose, der Dermatomyositis und dem Churg-Strauss-Syndrom. Bei primär myokardialer Beteiligung ist insbesondere an eine Amyloidose (Artikel von Piper et al. in diesem Heft), eine Sarkoidose (Artikel von Borst et al. in diesem Heft), an Speichererkrankungen wie dem Morbus Fabry oder dem Morbus Pompe und an neuromuskuläre Erkrankungen (Beitrag von Kraya et al. in diesem Heft) gedacht werden. Endokardbeteiligungen finden sich häufig bei der Löfflerschen Erkrankung, beim systemischen Lupus erythematodes und der Sklerodermie, gelegentlich auch bei rheumatoider Arthritis und dem Karzinoid-Syndrom. Die Koronargefäße können beim Churg-Strauss-Syndrom, der Takayasu-Aortitis und allen sonstigen Vaskulitiden mitbetroffen sein (Artikel von E. Märker-Hermann in diesem Heft). Eine Mitbeteiligung benachbarter Herzstrukturen ist häufig zu beobachten: Perikard und Endokard können bei rheumatoider Arthritis, dem systemischen Lupus erythematodes, der Sklerodermie, bei der Whipple-Erkrankung, bei der ankylosierenden Spondylitis, beim Morbus Behçet und bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen befallen sein. Das in Mitteleuropa nur noch selten beobachtete akute rheumatische Fieber manifestiert sich kardial klassischerweise an Endo-, Myo- und Perikard („Pankarditis“).
Literatur
- 1 Butz T, Faber L, Piper C. et al. . Differenzierung von konstriktiver Perikarditis und restriktiver Kardiomyopathie mittels echokardiografischer Gewebedoppler-Analyse. Dtsch Med Wochenschr. 2008; 133 399-405
- 2 Chan J, Sanderson J, Chan W. et al. . Prevalence of sleep-disordered breathing in diastolic heart failure. Chest. 1997; 111 1488-1493
- 3 Cooper LT, Baughman KL, Feldman AM. et al. . The role of endomyocardial biopsy in the management of cardiovascular disease. A scientific statement from the American Heart Association, the American College of Cardiology, and the European Society of Cardiology. Circulation. 2007; 116 2216-2233
- 4 Grewal J, McKelvie R, Lonn E. et al. . BNP and NT-proBNP predict echocardiographic severity of diastolic dysfunction. Eur J Heart Fail. 2008; 10 252-259
- 5 Ingle L.. Prognostic value and diagnostic potential of cardiopulmonary exercise testing in patients with chronic heart failure. Eur J Heart Fail. 2008; 10 112-118
- 6 Khouri SJ, Maly GT, Suh DD. et al. . A practical approach to the echocardiographic evaluation of diastolic function. J Am Soc Echocardiogr. 2004; 17 290-297
- 7 Lester SJ, Tajik J, Nishimura RA. et al. . Unlocking the mysteries of diastolic function: deciphering the Rosetta Stone 10 years later. J Am Coll Cardiol. 2008; 51 679-689
- 8 Piper C, Horstkotte D.. Editorial: Endomyocardial biopsy. J Heart Valve Dis. 2003; 12 153-155
- 9 Sechtem U, Mahrholdt H, Vogelsberg H.. Cardiac magnetic resonance in myocardial disease. Heart. 2007; 93 1520-1527