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DOI: 10.1055/s-2008-1081038
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Fatale Kettenreaktion schonend ausgebremst? - Bekannter Wirkstoff gegen Vergiftungen stoppt Entzündung bei Sepsis
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
13. Juni 2008 (online)
Pro Jahr entwickeln rund 200 000 Patienten in Deutschland eine Sepsis - ein Drittel davon verstirbt an den Folgen. "Seit Jahren weiß man, dass Entzündungen vom vegetativen Nervensystem beeinflusst werden", erklärte PD Markus Weigand, Heidelberg. Der Parasympathikus kontrolliert über einen Regelmechanismus auch die Ausschüttung von Zytokinen.
Regler dieses Mechanismus ist Acetylcholin. Je mehr davon freigesetzt wird, desto weniger Zytokine gelangen in die Blutbahn und die Entzündung bleibt unter Kontrolle. Bisher verabreichen wir bei einer Sepsis zum Beispiel Nikotin, so Weigand. Denn dieses verhindert ähnlich wie Acetylcholin das weitere Voranschreiten der Entzündung. Allerdings kann es auch schwere Nebenwirkungen, wie zum Beispiel Herzrasen oder Herzrhythmusstörungen, auslösen.
#Vielversprechende Alternative
Bei der Suche nach therapeutischen Alternativen wurde die interdisziplinäre Arbeitsgruppe aus Heidelberg bei bereits bekannten Wirkstoffen fündig: Physostigmin - bekannt als "Anticholium" - und Neostigmin lindern Vergiftungserscheinungen, zum Beispiel nach einer Überdosis Antidepressiva oder nach dem Verzehr giftiger Pflanzen aus der Familie der Nachtschattengewächse.
Beide Substanzen inhibieren aber auch den Abbau von Acetylcholin über die Hemmung der Cholinesterase, erklärte Dr. Stefan Hofer, Heidelberg. Im Mäusemodell drosselten die beiden Cholinesterasehemmer die Ausschüttung von Zytokinen und damit die Entzündungsreaktion ebenso effektiv wie Nikotin [1].
Den großen Vorteil der Cholinesterasehemmer sieht Hofer in ihrem überschaubaren Nebenwirkungsprofil. Darüber hinaus erhofft er sich eine deutliche Reduktion der Behandlungskosten: "Bisher kostet die Behandlung der Sepsis mehrere Tausend Euro. Eine 24-stündige Therapie mit einem Cholinesterasehemmer läge bei etwa 200 Euro."
#Klinische Studie ist bereits geplant
Ob sich das neue Therapieprinzip auch in der klinischen Praxis bewähren kann, muss jedoch die Zukunft zeigen. Bereits Ende dieses Jahres ist eine entsprechende Studie geplant. Hält dann die Behandlung mit Physostigmin was sie verspricht, kann sie in den "Heidelberg Sepsis Pathway" - eine Therapieempfehlung mit Checklisten auf Basis der internationalen Behandlungsleitlinien - integriert werden.
Quelle: Pressemitteilung "Blutvergiftung schonend ausgebremst", herausgegeben vom Universitätsklinikum Heidelberg
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