Der Klinikarzt 2008; 37(5): 222-223
DOI: 10.1055/s-2008-1081042
Recht

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Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliches Personal - Was macht eine Tätigkeit "delegationsfähig"?

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Korrespondenz

Dr. jur. Isabel Häser

Rechtsanwältin

Ehlers, Ehlers & Partner

Widenmayerstraße 29

80538 München

Email: i.haeser@eep-law.de

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Publication Date:
13 June 2008 (online)

 
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Sowohl die Berufsordnung als auch der Behandlungsvertrag stellen klar: Grundsätzlich ist jeder Arzt dazu verpflichtet, die vertraglich geforderten Leistungen selbst zu erbringen. Neben der ärztlichen "Kernleistung" gibt es allerdings einzelne Leistungsbereiche, aus denen ein Arzt unter bestimmten Umständen Aufgaben an qualifiziertes nichtärztliches Personal delegieren darf. Einfach ist die Situation noch bei Leistungen, die keine oder nur wenige spezifische medizinische Kenntnisse voraussetzen: Injektionen oder der Wechsel einfacher Verbände beispielsweise darf er delegieren. Bei anderen Leistungen muss die Delegierbarkeit im Einzelfall geprüft werden: Ist das nichtärztliche Personal hierfür ausreichend qualifiziert? Erlauben die konkreten Umstände die Delegation? Erst wenn der Arzt sich dessen sicher ist, kann er die Tätigkeit durch eine ärztliche Anordnung an nichtärztliches Personal weitergeben. Dennoch bleibt er unter Umständen haftbar, zum Beispiel dann, wenn er nicht genügend Sorgfalt auf die Auswahl des nichtärztlichen Mitarbeiters verwendet hat.

Das Thema der Delegation ärztlicher Leistungen ist aktuell wieder sehr in den Fokus gerückt, weil es immer mehr Bestrebungen gibt, neue Berufsbilder für nichtärztliches Personal zu kreieren, um die Übertragung ehemals ärztlicher Leistungen auf nichtärztliches Personal zu legalisieren.

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Arbeitsentlastend und kostensparend

Im Bereich der Anästhesiologie gibt es beispielsweise neuerdings den so genannten medizinischen Assistenten bzw. die Assistentin für Anästhesie. Dies sind speziell ausgebildete Anästhesiepflegekräfte, die entsprechende Aufgaben bei der Narkoseführung übernehmen sollen. Im Rahmen der Herzchirurgie wiederum dürfen sogenannte Kardiotechniker unter anderem den Thorax öffnen und schließen oder Venen für Bypässe entnehmen. Darüber hinaus gibt es heute chirurgisch-technische Assistenten und noch Vieles mehr. In Zukunft werden sicherlich noch weitere Berufsfelder hinzukommen.

Hintergrund dieser Entwicklung ist im Wesentlichen die Tatsache, dass in bestimmten Gebieten ein akuter Ärztemangel besteht. Dies impliziert ein dringendes Bedürfnis, auch qualifiziertes nichtärztliches Personal zu ermächtigen, ärztliche Leistungen vorzunehmen. Schließlich spielen auch Kostengesichtspunkte eine große Rolle, da die zunehmende Verlagerung der Leistungen vom Arzt zum Nicht-Arzt wesentlich kostengünstiger ist.

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Im Zweifel Leistungen lieber nicht delegieren

Grundsätzlich ist jeder Arzt zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet. Dies ergibt sich zum einen aus der jeweils gültigen Berufsordnung für Ärzte und zum anderen aus dem Behandlungsvertrag zwischen dem Arzt und dem Patienten. Der Behandlungsvertrag ist ein Dienstvertrag. Insoweit gelten die entsprechenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, wonach der zur Dienstleistung verpflichtete Arzt im Zweifel die Dienste in seiner Person zu erbringen hat.

Diese Dienste sind im Zweifel nicht übertragbar. Bestimmte Leistungen muss der Arzt demnach persönlich erbringen, einzelne Teile davon darf er unter Umständen jedoch delegieren. Die Grenze der Delegierbarkeit ist in der Regel dann erreicht, wenn der Patient erwarten darf, dass der Arzt die Leistungen selbst erbringt.

Insbesondere unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten ist das Thema 'Delegation' von wesentlicher Bedeutung. Übernimmt nachgeordntetes Personal Teile der geschuldeten Dienstleistung, so werden sowohl ärztliche als auch nichtärztliche Mitarbeiter zum sogenannten Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen des Arztes bzw. des Krankenhausträgers mit entsprechender Haftung.

Da der "Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung" per se nicht scharf genug gefasst ist, konkretisierten die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinbarung diesen in einer gemeinsamen Erklärung. Danach gliedert sich der Grundsatz in:

  • nicht delegationsfähige Leistungen

  • im Einzelfall delegationsfähige Leistungen

  • generell delegationsfähige Leistungen.

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Nicht delegationsfähige Leistungen

Der Kernbereich der ärztlichen Leistung, der spezielle Kenntnisse, Erfahrungen und auch Genehmigungen voraussetzt, darf natürlich nicht delegiert werden. Darunter fallen Tätigkeiten, die aufgrund der besonderen Schwierigkeit und des Risikos des Falles sowie der Gefährlichkeit der Maßnahme für den Patienten zwingend ärztliche Kompetenz und Fachwissen erfordern. Nicht delegieren lassen sind beispielsweise sämtliche Operationen, ärztliche Untersuchungen und Beratungen, Therapieentscheidungen oder Spezialgeräteuntersuchungen.

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Bedingt delegationsfähige Leistungen

Bei bedingt delegationsfähigen Leistungen muss in jedem konkreten Einzelfall entschieden werden, ob eine Leistung ganz oder teilweise übertragbar ist. Entscheidende Kriterien hierbei sind zum einen die Art der Leistung, die besondere Gefährdungssituation beim Patienten, die Erfahrung des zur Mithilfe herangezogenen Personals und Vieles mehr.

Im Einzelfall sind ärztliche Leistungen dann delegationsfähig, wenn sie unter den nachfolgend detailliert dargestellten Voraussetzungen durch entsprechend qualifiziertes nichtärztliches Personal durchgeführt werden können. Dazu gehören beispielsweise Injektionen, Blutentnahmen, Infusionen. Zwar sind diese Tätigkeiten grundsätzlich ärztliche Tätigkeiten, sie werden jedoch in der Praxis sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich fast ausschließlich durch nichtärztliches Personal erbracht.

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Worauf sollte man vor der Delegation ärztlicher Leistungen achten?

  • Alle delegierten Tätigkeiten mit der dazugehörigen Anordnungsbefugnis durch den Arzt bzw. die Überwachung durch den Arzt sollten detailliert dokumentiert sein.

  • Sämtliche delegationsfähigen ärztlichen Leistungen sollten konkret aufgegliedert sein, sodass keine Abgrenzungsprobleme entstehen können (Qualitätsmanagement).

  • Bei der Beurteilung der Frage, ob ärztliche Leistungen delegiert werden können, empfiehlt es sich, sich neben den dargestellten Grundsätzen auch an den hierzu ergangenen Stellungnahmen und Empfehlungen der betroffenen Berufsverbände, wie beispielsweise des Berufsverbands der Deutschen Chirurgen oder des Berufsverbands Deutscher Anästhesisten, zu orientieren. Zwar sind diese Empfehlungen rechtlich nicht verbindlich, dennoch legen die Gerichte dies bei Streitfragen regelmäßig ihrer Entscheidung zugrunde.

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Voraussetzungen für bedingt delegationsfähige Leistungen

Vor der Übertragung von Leistungen muss sich der Arzt von den Fähigkeiten und Kenntnissen des nichtärztlichen Personals überzeugt haben. Unterlässt dies der Arzt im jeweiligen Einzelfall, muss im Haftungsfall von einem Auswahlverschulden des Arztes bzw. des Krankenhausträgers ausgegangen werden.

Zusätzlich sind eine schriftliche ärztliche Anordnung und genaue Anweisungen des Arztes erforderlich. Eine generelle allgemeine Anweisung an das nichtärztliche Personal reicht hierfür nicht aus. Der Arzt muss stets und im Einzelfall wissen, welcher Mitarbeiter wann genau welche konkrete Maßnahme vornimmt.

Ist die nichtärztliche Person nach Ansicht des Arztes grundsätzlich hinreichend qualifiziert, hat er zudem zu prüfen, ob auch die konkreten Umstände des Einzelfalles die Delegation erlauben. Hierbei sind Kriterien, wie der Gesamtzustand des Patienten, der Schwierigkeitsgrad der Tätigkeit, die Wirkung des Medikaments und Ähnliches zu berücksichtigen. Ergeben sich bei dieser Abwägung Zweifel, darf der Arzt nicht delegieren.

Ist danach im Einzelfall die Delegation der ärztlichen Leistungen an nichtärztliches Personal zulässig bzw. vertretbar, ist der Arzt auch zur Überwachung desjenigen verpflichtet, der die ärztliche Leistung nun ausführt. Je nach fachlicher Kompetenz des nichtärztlichen Personals können im Einzelfall stichprobenartige Kontrollen der Überwachungspflicht des Arztes bzw. des Krankenhausträgers genügen. Dies ist auch Bestandteil eines funktionierenden Qualitätsmanagements.

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Generell delegationsfähige Leistungen

Generell delegierbar sind im Allgemeinen solche Aufgaben, die weder spezifische medizinische Kenntnisse noch besondere anderweitige Fähigkeiten des Arztes verlangen. Dies sind Tätigkeiten, die naturgemäß dem Hilfspersonal übertragen sind. Dessen originärer Kompetenzbereich ergibt sich in der Regel aus den zugrundeliegenden Berufsdienst- und Ausbildungsordnungen des nichtärztlichen Personals.

Dennoch muss der Arzt auch in diesem Bereich im Einzelfall prüfen, ob das Hilfspersonal aufgrund seiner fachlichen Qualifikation und infolge der Schwere und der Intensität des Eingriffs bzw. der Maßnahme die delegationsfähige Aufgabe eigenverantwortlich übernehmen kann. Um diese Frage zu beantworten, können die Ausbildungsordnungen der pflegerischen Berufe hilfestellend herangezogen werden.

Generell delegationsfähige Leistungen sind zum Beispiel Injektionen, Infusionen, Blutentnahmen, Dauerkatheterwechsel und der Wechsel einfacher Verbände. Bei Geräteleistungen kann das Technische - also beispielsweise das Herstellen der Röntgenaufnahme und das Anlegen der Dioden beim EKG - geeignetem Personal überlassen werden. Ebenso sind physikalisch-medizinische Leistungen und Untersuchungen im Basislabor, Ton- und Sprachaudiometrie in der Regel delegierbar.

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Die Folgen der Delegation ärztlicher Aufgaben

Der Frage der Delegationsfähigkeit der ärztlichen Leistungen schließt sich mit Beginn der Ausführung durch das nichtärztliche Personal nahtlos die Überwachungspflicht des Arztes an. Von der Entscheidung darüber, ob die ärztliche Leistung überhaupt delegationsfähig ist, über die Auswahl der Hilfskraft bis hin zur Anleitung, Überwachung und Kontrolle der Leistung in allen Teilbereichen kann demnach die Haftung des Arztes bzw. des Krankenhausträgers möglich sein.

Wird gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung verstoßen, kann dies unter anderem strafrechtliche und zivilrechtliche Konsequenzen haben. Aus Sicht des Krankenhausträgers empfiehlt es sich daher, sich vorab mit der Berufshaftpflichtversicherung abzustimmen, welche Leistungen auf nichtärztliches Personal delegiert werden können, um in keinem Fall den Verlust des Haftpflichtversicherungsschutzes zu riskieren.

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Fazit

Trotz aller bestehenden Möglichkeiten bleibt es vorerst dabei: Die Ausübung der Heilkunde ist nach derzeit gültiger Rechtslage in Deutschland ausschließlich den approbierten Ärzten und den Heilpraktikern vorbehalten. Zulässig ist unter bestimmten Voraussetzungen allenfalls die Assistenz, also das Tätigwerden im Wege der Delegation unter ärztlicher Aufsicht und nach fachlicher Weisung des Arztes.

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