Notfall & Hausarztmedizin 2008; 34(6): 341
DOI: 10.1055/s-2008-1081433
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Sichere Therapiesteuerung bei Atemwegsinfekten - Procalcitonin-Messung kann Antibiotikamissbrauch verhindern

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Publication Date:
16 July 2008 (online)

 
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Weltweit werden 75% aller Antibiotika bei meist viralen Atemwegsinfektionen verschrieben - der Hauptgrund für steigende Antibiotikaresistenzen. Hier sieht PD Dr. Martin Kohlhäufel, Stuttgart, einen besonderen Handlungsbedarf.

Um eine bakterielle Ursache zu bestätigen, wird im Blut des Patienten in der Regel auf den Entzündungsmarker C-reaktives Protein (CRP) getestet. Kohlhäufel hält den Procalcitonintest jedoch für überlegen. Mit dem Test auf das Hormon Procalcitonin (PCT) ist eine bakterielle von einer viralen Infektion sicher und schnell abzugrenzen. PCT wird durch den Stimulus bakterieller Toxine und Entzündungsmediatoren von allen infizierten Organen im ganzen Körper produziert. Verglichen mit Gesunden ist der PCT-Wert bei viralen Erkrankungen um den Faktor 10-100, bei bakteriellen Infektionen um den Faktor 1 000-100 000 erhöht.

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PCT-Test senkt Antibiotikaverbrauch

In der ProRESP-Studie [1] wurden die PCT-Werte bei 124 Patienten mit vermutetem Infekt der unteren Atemwege vor der Antibiotikaverordnung mitberücksichtigt. Bei 119 randomisierten Vergleichspatienten entschieden die Ärzte der Notfallstation ohne Procalcitonin-Hilfe über die Behandlung. Dank des Biomarkers konnten die Antibiotikaverordnungen bei gleichem Erfolg signifikant um fast die Hälfte (47% vs. 80%) reduziert werden. Nur vier von 28 Patienten mit Bronchitis (Vergleichsgruppe 16 von 31) erhielten Antibiotika und nur elf von 29 Patienten mit Exazerbationen bei COPD (Vergleichsgruppe 27 von 31).

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PCT-Test verkürzt antibiotische Therapie bei Pneumonie

Richtlinien empfehlen je nach Erreger eine Antibiotikadauer von 7-21 Tagen. In der ProCAP-Studie [2] mit 302 Patienten (im Mittel 70-jährig), die mit einer Pneumonie die Notfallstation aufsuchten, konnte die Antibiotikadauer mittels PCT-Steuerung von dreizehn Tagen in der Standardgruppe auf unter sechs Tage in der PCT-gesteuerten Gruppe gesenkt werden (median, 5 vs. 12 d; p < 0.001). Die Patienten wurden in eine Standardgruppe und in eine PCT-gesteuerte Gruppe randomisiert. Zustand, Komorbiditäten und Pneumonieverlauf waren in beiden Gruppen vergleichbar. In der PCT-Gruppe brauchten deutlich weniger der Patienten Antibiotika im Vergleich zur Standardgruppe (85 vs. 99%; p < 0.001). Der Biomarker ermöglichte somit neben einer kürzeren Therapiedauer auch einen reduzierten Einsatz der Antibiotika.

In der ProCOLD-Studie [3] konnte zudem gezeigt werden, dass eine Antibiotikasteuerung mittels PCT auch bei Patienten mit eingeschränkter Lungenreserve, mit akuter Exazerbation einer chronischen Bronchitis, möglich und im Langzeitverlauf über sechs Monate sicher ist.

Der Hauptverbrauch von Antibiotika bei Atemwegsinfektionen findet jedoch in der Hausarztpraxis statt. Erste Ergebnisse einer Studie bei Hausärzten (PARTI/ProDOC-Studie) [4] mit Patienten mit Infektionen der oberen und unteren Atemwege deuten darauf hin, dass der Antibiotikaeinsatz in der Praxis dank der Procalcitoninsteuerung um bis zu 75% reduziert werden kann.

Dr. Daniel Bomar, Linkenheim-Hochstetten

Quelle: Pressegespräch: Antibiotika-Einsatz nur nach gesicherter Diagnose. Verbesserte Infektionstherapie durch PCT-Test, Mai 2008 in Stuttgart. Veranstalter: Initiative Antibiotika-Einsatz: gezielt ist sicher (www.gezielt-ist-sicher.de )

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Literatur

  • 01 Christ-Crain M . et al . Lancet. 2004;  363 600-607
  • 02 Christ-Crain M . et al . Am J Respir Crit Care Med. 2006;  174 (1) 84-93
  • 03 Christ-Crain M et al. Procalcitonin guidance significantly reduces antibiotic duration in community-acquired pneumonia. 45th Conference on Antimicrobial Agents and Chemotherapy (ICAAC) Washington DC, 2005. 
  • 04 Müller B . Procalcitonin, Schweiz Med Forum. 2008;  8 (21) 388-390