Pneumologie 2008; 62(11): 641-642
DOI: 10.1055/s-2008-1100826
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Editorial zum Beitrag „Austausch von Inhalatoren in der Apotheke aufgrund des Rahmenvertrages vom 1.4.2008 und aufgrund von Rabattverträgen” von Thomas Voshaar

Editorial on the Contribution “Substitution of Inhalation Devices in the Pharmacy According to a Frame Contract (Dated 1st April, 2008) and Individual Discount Regulations” by Thomas VoshaarH.  Teschler1
  • 1Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin
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Publication Date:
05 November 2008 (online)

Seit April dieses Jahres dürfen Apotheker in bestimmten Fällen nur noch die Medikamente abgeben, für die die jeweilige Krankenkasse Rabattverträge abgeschlossen hat. Grundlage für diese Regelung bildet der Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Absatz 2 SGB V in der Fassung der Schiedsentscheidung vom 5. April 2004, die zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband geschlossen wurde [1]. Bevor der Patient für sein Rezept das benötigte Arzneimittel bekommt, muss der Apotheker demzufolge prüfen, mit welchem Hersteller und über welches Arzneimittel seine Krankenkasse einen Rabattvertrag abgeschlossen hat. Hat der Arzt die Ersetzung des Arzneimittels durch ein wirkstoffgleiches Präparat nicht ausgeschlossen, so stehen grundsätzlich das verordnete Arzneimittel und die drei preisgünstigsten Arzneimittel zur Auswahl, die in Wirkstärke und Packungsgröße identisch sowie für den gleichen Indikationsbereich zugelassen sind und ferner die gleiche oder eine austauschbare Darreichungsform besitzen [1]. Bis dahin war ein Austausch nur erlaubt, wenn der Wirkstoff und die Darreichungsform sich auf der Liste der austauschbaren Darreichungsformen des Gemeinsamen Bundesausschusses befanden.

Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für uns Pneumologen und die von uns behandelten Patienten mit Erkrankungen der Atemwege? Die topische Behandlung von Gesundheitsstörungen der Bronchien und Bronchiolen ist ohne Zweifel eine der größten Errungenschaften der Aerosolmedizin – und damit der Pneumologie [2] [3]. Für unsere Patienten bedeutet der Einsatz von Inhalatoren, dass die inhalierte und tatsächlich deponierte Substanz nebenwirkungsärmer als die systemische Gabe ist, da insbesondere lokal, also in den unteren Atemwegen hohe Wirkstoffkonzentrationen erreicht werden. Der Erfolg einer Inhalationstherapie hängt somit nicht nur vom inhalierten Wirkstoff, sondern insbesondere vom gewählten Applikationssystem und dessen korrekter Anwendung ab [3] [4].

Der Austausch von Inhalatoren mit gleichem Wirkstoff auf der Basis von Rabattverträgen kann für den Patienten schwerwiegende negative Auswirkungen haben, die dem Apotheker mangels fachlicher Befähigung zur Bewertung der Austauschbarkeit kaum angelastet werden können. Woher soll er wissen, welche Inhalatoren bei dem individuellen Krankheitsbild – das nur der betreuende Arzt kennt – eine optimale Deposition im erkrankten Bereich des Respirationstraktes ermöglichen? Die Inhalatoren unterscheiden sich doch oft erheblich in Hinblick auf die aerodynamische Teilchengröße des Aerosols, die enthaltenen Zusatzstoffe (z. B. Laktulose), die Anforderungen an die individuellen Fähigkeiten des Patienten und hinsichtlich der optimalen Inhalationsmanöver, die für eine konstante und ausreichende Deposition ausgeführt werden müssen. Hinzu kommt, dass der Patient im Umgang mit seinem Inhalationssystem spezifisch geschult wurde und nun Gefahr läuft, dass vom Apotheker ausgetauschte System unbewusst wie geschult, aber leider falsch anzuwenden und damit den Behandlungserfolg zu gefährden.

In dieser Ausgabe der Pneumologie hat Thomas Voshaar im Namen der Sektion Pathophysiologie und Aerosolmedizin in der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin in Abstimmung mit der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrie, der Verband Pneumologischer Kliniken und dem Bundesverband der Pneumologen eine kritische Stellungnahme zu diesem komplizierten Themenkomplex verfasst [5]. Dieses Positionspapier wurde kürzlich federführend von der DGP an die zuständigen Ministerien, Behörden und Apothekerverbände zur Stellungnahme weitergeleitet.

Die Kernaussage in der Arbeit von Thomas Voshaar lautet: „Der Austausch von Inhalationssystemen ohne erneute Einweisung und Schulung führt zu unkontrollierbaren Therapieeffekten mit Über- und Unterdosierungen, verschlechterter Therapietreue, einer risikohaften Patientengefährdung, zu erheblichen ökonomischen Nachteilen und widerspricht allen Empfehlungen der ausgewiesenen nationalen und internationalen Fachgesellschaften sowie den DMP-Inhalten und -Zielen bei Asthma und COPD.”

Welche praktischen Konsequenzen ergeben sich vor diesem Hintergrund für uns Pneumologen daraus? Wir sollten den Patienten und seinen Hausarzt über die Gefahren des potenziellen Austauschs durch den Apotheker informieren, im begründeten Falle von unserem verbrieften Recht Gebrauch machen, den Austausch auf dem Rezept auszuschließen und den Patienten gegebenenfalls nach Umstellung einbestellen und nachschulen. Ferner sollten wir Hausärzten und Apothekern flächendeckend strukturierte Schulungsangebote im Umgang mit Inhalatoren unterbreiten und dabei zum Schutz unserer Patienten gezielt auf die Gefahren des Austauschs von Inhalatoren ohne Rücksprache mit dem behandelnden Pneumologen hinweisen.

Alles andere würde die in den letzten Jahren errungenen Fortschritte in der topischen Therapie von Asthma und COPD sowie die ärztlichen Bemühungen um die Einbindung des Patienten durch gezielte und intensive Schulungsmaßnahmen konterkarieren.

Literatur

Prof. Dr. med. H. Teschler

Präsident Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, Ruhrlandklinik

Tüschener Weg 40

45239 Essen

Email: teschlerh@t-online.de