Der Klinikarzt 2019; 48(03): 56-57
DOI: 10.1055/a-0874-0300
Zum Thema
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Update Antikoagulation 2019

Matthias Leschke
,
Johannes Brachmann
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
01. April 2019 (online)

Auch in diesem Jahr wollen wir anlässlich der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Mannheim 2019 ein aktuelles Update Antikoagulation 2019 präsentieren.

Selbst für Experten stellen die Dynamik und das rasante Tempo neuer Studienergebnisse und sich ändernder Leitlinien zur Antikoagulation bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen eine große Herausforderung dar. Deshalb haben wir Experten gebeten, zu wichtigen Themen der Antikoagulation bzw. antithrombotischen Therapie Stellung zu nehmen. Schließlich ist es in dem klinischen Alltagsstress kaum noch möglich, Positionspapiere zu aktuellen Leitlinien, Bewertungen neuer antithrombotischer Strategien, insbesondere auch Aspekte zur Sicherheit und Effektivität neuer Behandlungsstrategien zu verarbeiten. Wir hoffen, dass wir Ihnen mit diesem Update fachlich adäquate Antworten geben und damit Ihre Arbeit im klinischen Alltag erleichtern können. Darüber hinaus hoffen wir natürlich auch, dass wir Sie für diese Themen begeistern können. Schließlich handelt es sich um eine besonders spannende, manchmal auch schwierige Thematik, die ein fundiertes Wissen erfordert. Bei dieser Gelegenheit möchten wir unseren Autoren ganz herzlich danken, dass sie trotz der täglichen Arbeitsbelastung ihre Beiträge rechtzeitig und top aktuell fertiggestellt und damit zu diesem spannenden klinikarzt-Heft beigetragen haben.

Lange Jahre haben wir geglaubt, dass es zum Thema Aspirin nichts Neues gibt. Im letzten Jahr sind einige hochinteressante Aspirinstudien zum Stellenwert der primären kardiovaskulären Prävention vorgestellt und publiziert worden. Wir sind Herrn Prof. H. M. Hoffmeister, Klinikum Solingen, dankbar, dass er uns diese Studie nicht nur vorstellt, sondern auch bewertet und praktische Konsequenzen formuliert.

Frau Dr. M.-T. Harris und Herr Prof. B. D. Gonska, Karlsruhe, stellen die neuen Leitlinien zur Myokardrevaskularisation bezüglich der antithrombotischen Therapie vor. Gegenüber den alten Leitlinien wird bei Patienten mit Vorhofflimmern und begleitender Plättchenhemmertherapie bevorzugt der Einsatz der direkten oralen Antikoagulantien (DOAK) gegenüber einem Vitamin-K-Antagonisten empfohlen, im Fall des Einsatzes von Dabigatran die höhere Dosis von 150 mg gegenüber 110 mg empfohlen. Ferner kann eine Deeskalation von höher potenten auf niedriger potente P2Y12-Hemmer erfolgen. Der Einsatz von Bivalirudin verliert bei ACS-Patienten an Bedeutung.

Bei bis zu 20 % aller Krebspatienten treten venöse Thromboembolien im Krankheitsverlauf auf. Diese Patienten weisen ein besonders hohes Rezidivthromboserisiko auf und benötigen eine langfristige Antikoagulation. Gleichzeitig besteht auch ein erhöhtes Blutungsrisiko unter einer Antikoagulation. Bisher haben aktuelle Leitlinien den Einsatz von niedermolekularen Heparinen empfohlen, da diese bei vergleichbarem Blutungsrisiko zu niedrigeren Rezidivthromboseraten führten. Frau Dr. B. Zydek und Frau Prof. E. Lindhoff-Last, Frankfurt, stellen 2 aktuell publizierte Studien vor, die erstmals belegen, dass DOAK eine neue Alternative zum bisherigen Goldstandard der niedermolekularen Heparintherapie bei Tumorpatienten darstellen.

Dr. S. Alsaid, Prof. Ch. Bode und Prof. D. Duerschmied, Universitätsklinik Freiburg, gehen auf ein neues antithrombotisches Therapieprinzip bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung und arterieller Verschlusserkrankung ein. Die Zugabe von 2-mal 2,5 mg Rivaroxaban zur Dauertherapie mit Aspirin in der COMPASS-Studie verhinderte nicht nur kardiovaskulären Tod, Myokardinfarkt und Schlaganfall, sondern reduzierte sogar die Gesamtmortalität um 18 %. Dieser Vorteil ging allerdings auf Kosten von mehr gastrointestinalen Blutungen, wobei jedoch keine Zunahme von tödlichen oder intrakraniellen Blutungen festgestellt werden konnte. Daher könnte in Zukunft eine neue Standardtherapie in der Kombination aus einer konventionellen Thrombozytenaggregationshemmung mit einer zusätzlichen Faktor-Xa-Inhibition für Hochrisiko-Patienten mit atherosklerotischen Erkrankungen liegen.

Herr Prof. U. Ziemann, Universitätsklinik Tübingen, geht auf einen hochinteressanten Aspekt in der Schlaganfallbehandlung ein. ESUS (embolischer Schlaganfall unbekannter Quelle) wurde als pathogenetisches Konzept mit der Erwartung verknüpft, dass eine orale Antikoagulation wirksamer als eine Thrombozytenfunktionshemmung einen erneuten Schlaganfall verhindern kann. Zwei Phase-III-Studien haben diese Erwartung nicht bestätigt. Demnach stellt ESUS keine singuläre pathogenetische Entität dar. Da die Zahl der Schlaganfälle, bei dem dieses ESUS-Konzept diskutiert wurde, nicht gering ist, handelt es sich um einen hochaktuellen Beitrag.

Herr Prof. U. Zeymer, Klinikum Ludwigshafen, stellt die derzeitigen Konzepte einer antithrombotischen Therapie bei Patienten mit chronischer koronarer Herzerkrankung vor. Aufgrund der höheren Blutungsraten haben sich die Vitamin-K-Antagonisten nur bei Patienten mit Zusatzindikation wie Vorhofflimmern, Kunstklappe und venösen Thromboembolien durchgesetzt. Prof. Zeymer stellt zudem noch einmal heraus, dass die Kombination von Aspirin und 2-mal 2,5 mg Rivaroxaban eine neue antithrombotische Therapiestrategie bei Patienten mit chronischer KHK und erhöhtem Risiko für ischämische Ereignisse darstellt.

Die Arbeitsgruppe um Prof. J. Brachmann, Klinikum Coburg, geht auf die aktuelle Datenlage zur Implantation eines LAA-Okkluders bei Vorhofflimmern und eines PFO-Verschlusses ein. So zeigen aktuelle Studien, dass die Implantation eines LAA-Okkluders verglichen mit Vitamin-K-Antagonisten einen ähnlichen Schutz vor Schlaganfall bietet, bei weniger Blutungskomplikationen im Langzeitverlauf. Ein direkter Vergleich zwischen DOAK und dem interventionellen Vorhofohrverschluss steht allerdings noch aus. Es wird von den Leitlinien empfohlen, den Verschluss des linken Vorhofohrs nur bei Patienten mit eindeutiger Kontraindikation gegen eine orale Antikoagulation in Erwägung zu ziehen. Aufgrund aktueller Studien hat der Verschluss eines offenen Foramen ovale bei ausgewählten Patienten mit kryptogenen ischämischen Schlaganfällen eine neue Bewertung in der Sekundärprävention erhalten. In den Leitlinien wird empfohlen, dass bei Patienten zwischen 16 und 60 Jahren mit kryptogenem ischämischen Schlaganfall und offenem Foramen ovale mit moderatem oder ausgeprägtem Rechts-Links-Shunt ein interventioneller PFO-Verschluss durchgeführt werden soll.

Herr PD Dr. W. Bocksch, Stuttgart, geht auf die antithrombotische Therapie bei interventionell implantierter Aortenklappenbioprothese (TAVI) ein. Eine endgültige Bewertung, welches antithrombotische Regime für die Verhinderung von häufig inapparent ablaufenden Klappenthrombosen sich als am wirksamsten herauskristallisiert, ist noch offen. Da es sich in der Regel um ältere, über 80-jährige Patienten handelt, die zudem häufig ein Vorhofflimmern aufweisen, ist die Frage nach der adäquaten antithrombotischen Therapie nicht einfach zu beantworten. Herr PD Bocksch stellt die aktuellen Studien in diesem Kontext vor.

Nach aktuellen Studiendaten sollte bei Patienten mit Vorhofflimmern und Koronarstenting eine duale Therapie bevorzugt mit Rivaroxaban bzw. Dabigatran durchgeführt und damit auf die Triple-Therapie mit dem hohen Blutungsrisiko verzichtet werden. Die aktuelle ESC-Leitlinie zur Myokardrevaskularisation empfiehlt diesen dualen Therapieansatz bei im Vordergrund stehendem Blutungsrisiko mit einer Klasse 2A. Ferner geht Prof. M. Leschke, Klinikum Esslingen, auf die Frage einer verlängerten dualen Antiplättchentherapie bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom ein. Von einer verlängerten dualen Antiplättchentherapie (DAPT) profitieren möglicherweise Patienten mit zusätzlichen ischämischen Risikofaktoren, wie ein Diabetes mellitus, ein weiteres Myokardinfarktereignis, eine koronare Mehrgefäßerkrankung oder eine Niereninsuffizienz.

Wir würden uns freuen, wenn wir Ihr Interesse an diesen Themen zur Anitkoagulation geweckt haben und wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre unseres Updates 2019 und hoffen, dass wir Sie ein wenig für diese Themen begeistern können.