Die Wirbelsäule 2021; 05(03): 148-149
DOI: 10.1055/a-1366-4282
Referiert und kommentiert

Kommentar zu: Spinale Implantatinfektion: Keimnachweis-Methoden im Vergleich

Sara Lener
1   Universitätsklinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Innsbruck, Innsbruck
,
Dr. Claudius Thomé
1   Universitätsklinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Innsbruck, Innsbruck
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Schraubenlockerungen und Implantatversagen wurden in der Wirbelsäulenchirurgie traditionell auf biomechanische Ursachen bzw. verminderte Knochenqualität zurückgeführt. Dementsprechend sollten Zementaugmentationen und die Beachtung biomechanischer Prinzipien wie dem Konzept der sagittalen Balance Revisionen verhindern. In Abkehr davon gelangten in den letzten Jahren implantatassoziierte Infektionen zunehmend als entscheidende Ursache für Implantatversagen in den Fokus. In bis zu 42% der Schraubenlockerungen nach spinaler Instrumentierung konnten Besiedelungen mit niedrig-virulenten Keimen nachgewiesen werden. [1] Das Erregerspektrum ist durch sogenannte Biofilmbildner gekennzeichnet, deren spezifischer Nachweis sich als komplex erweist. [2] Die suffiziente Diagnostik, also die Identifikation einer implantatassoziierten Infektion, ist allerdings entscheidend für die weitere Behandlung, auch wenn das Management weiterhin kontrovers diskutiert wird. [1] [3] Bisher existiert kein definierter Standard zum Nachweis implantatassoziierter spinaler Infektionen.

Die Publikation der Mayo Clinic aus 2020 vergleicht mit der periimplantatischen Gewebekultur und der Implantatsonikation zwei mikrobiologische Methoden zur Diagnose implantatassoziierter Infektionen. Ziel der Studie war es, die sensiblere Variante zum implantatassoziierten Keimnachweis zu identifizieren, Alternativen zu formulieren und Cut-off Werte zu definieren. Die Implantat-Sonikation stellt eine etablierte Methode zur Kultivierung biofilmbildender Keime dar, bei der Biofilme mit Hilfe von Ultraschallwellen schonend von Oberflächen gelöst und sekundär als Kultur angesetzt werden. [4] Im Vergleich zur mikrobiologisch untersuchten Gewebekultur, zeigte sich die Sonikation überlegen, mit sensibleren und spezifischeren Werten zum Nachweis einer implantatassoziierten Infektion. Bei niedrigeren Schwellenwerten stieg die Sensitivität, während die Spezifität nicht nennenswert sank. Ein Schwellenwert von 20 koloniebildenden Einheiten (KBE) pro 10ml zeigte eine hohe Sensitivität für den Nachweis einer niedrig-virulenten implantatassoziierten Infektion.

Es handelt sich um eine gut durchgeführte Studie mit nachvollziehbaren Daten, aus einer anerkannten Arbeitsgruppe mit Vorarbeiten zum gleichen Thema. Zu beachtende Limitationen der genannten Arbeit beinhalten unter anderem das retrospektive Studiendesign sowie einen potentiellen recruitment bias. Patienten wurden nur eingeschlossen, wenn bei der Revisionsoperation eine Sonikation der entfernten Implantate angeordnet wurde, d.h. bei denen offensichtlich bereits eine Infektion suspiziert wurde. Des Weiteren werden Proben mit weniger als 20 KBE pro 10 ml als klinisch insignifikant angesehen. Aktuell liegen keine standardisierten Werte zum Nachweis einer spinalen, implantatassoziierten Infektion vor, sodass der von den Autoren bestimmte Wert (20 KBE pro 10 ml) als willkürlich angesehen werden muss. Zudem lässt die in der Studie als Referenz für Sensitivität und Spezifität festgelegte Definition einer implantatassoziierten Infektion (histologischer Inflammationsnachweis oder intraoperativer Eiter bzw. Fistelgang oder ≥2 positive Kulturen) in Abgrenzung von aseptischem Implantatversagen Spielraum zu. In einigen als nicht-infiziert definierten Fällen lagen positive Kulturnachweise, insbesondere von Cutibacterium acnes, vor, so dass die Rate an Infektionen mit der verwendeten Definition unterschätzt worden sein könnte.

Insgesamt liefert die Studie dennoch wichtige Erkenntnisse:

  1. Implantatassoziierte Infektionen sind bei Patienten, die einer Revisionsoperationen ihrer Instrumentation unterzogen werden, relativ häufig (≥30%).

  2. Die Infektionen sind durch niedrig-virulente, biofilmbildende Erreger bedingt.

  3. Implantatsonikation verbessert die mikrobiologische Nachweisrate, die jedoch auch bei periimplantatischer Gewebekultur akzeptabel ist.

Für die Praxis bedeutet dies, dass bei spinalen Schraubenlockerungen immer an eine implantatassoziierte Infektion gedacht werden sollte. Sofern verfügbar, ist die Diagnostik mittels Implantatsonikation bei niedrigem KBE-Schwellenwert zu favorisieren, wenngleich Gewebekulturen auch zufriedenstellende Detektionsraten aufweisen. Als praktikable Alternative zur Implantatsonikation scheint speziell die Kultur des umgebenden Gewebes in Blutkultur-Fläschchen sinnvoll. [5] Diese Option bietet sich vor allem für Einrichtungen mit keiner oder nur eingeschränkter Möglichkeit zur Sonikation an. Das Management implantatassoziierter Infektionen und speziell die Frage, ob die Implantate im Rahmen der Revisionsoperation getauscht oder temporär vollständig entfernt werden müssen, ist nach wie vor unklar und bedarf prospektiver Untersuchungen.



Publication History

Article published online:
23 August 2021

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  • Literatur

  • 1 Shiban E, Joerger AK, Janssen I. et al. Low-Grade Infection and Implant Failure Following Spinal Instrumentation: A Prospective Comparative Study. Neurosurgery 2020; 87: 964-970
  • 2 Kasliwal MK, Tan LA, Traynelis VC. Infection with spinal instrumentation: review of pathogenesis, diagnosis, prevention, and management. Surg Neurol Int 2013; 4: S392-403
  • 3 Kowalski TJ, Berbari EF, Huddleston PM. et al. The management and outcome of spinal implant infections: contemporary retrospective cohort study. Clin Infect Dis 2007; 44: 913-920
  • 4 Larsen LH, Lange J, Xu Y. et al. Optimizing culture methods for diagnosis of prosthetic joint infections: a summary of modifications and improvements reported since 1995. J Med Microbiol 2012; 61: 309-316
  • 5 Yan Q, Karau MJ, Greenwood-Quaintance KE. et al. Comparison of diagnostic accuracy of periprosthetic tissue culture in blood culture bottles to that of prosthesis sonication fluid culture for diagnosis of prosthetic joint infection (PJI) by use of Bayesian latent class modeling and IDSA PJI criteria for classification. J Clin Microbiol 2018; 56: e00319-18 DOI: 10.1128/JCM.00319-18..