Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2022; 57(04): 263-276
DOI: 10.1055/a-1472-4318
CME-Fortbildung
Topthema

Hämodynamisches Monitoring auf der Intensivstation: Je invasiver, desto besser?

Hemodynamic Monitoring in the ICU: the More Invasive, the Better?
Jochen Renner
,
Berthold Bein
,
Matthias Grünewald

Die jüngsten Entwicklungen im Bereich minimalinvasiver und nichtinvasiver hämodynamischer Monitoringverfahren mögen deren Einsatz im operativen wie im intensivmedizinischen Bereich fördern. Diese Übersicht beurteilt den Stellenwert invasiver und weniger invasiver Monitoringverfahren und deren spezifische hämodynamische Variablen in der Anwendung bei kritisch kranken Patienten im intensivmedizinischen Bereich.

Abstract

Less invasive or even completely non-invasive haemodynamic monitoring technologies have evolved during the last decades. However, the invasive devices such as the pulmonary artery catheter and transpulmonary thermodilution technologies are still the clinical gold standard in terms of advanced haemodynamic monitoring, especially in the treatment of critically ill patients. The current data situation regarding the early use of continuous haemodynamic monitoring in this patient population, specifically flow-based variables such as stroke volume to prevent occult hypoperfusion, is overwhelming. However, the effective implementation of these technologies in daily clinical routine is remarkably low. Given the fact that perioperative morbidity and mortality are higher than anticipated, anaesthesiologists and intensivists are in charge to deal with this problem. The recent advances in minimally invasive and non-invasive haemodynamic monitoring technologies may facilitate a more widespread use in the operating theatre and in critical care patients. This review evaluates the significance of invasive, minimally- and non-invasive monitoring devices and their specific haemodynamic variables in this particular field of perioperative medicine.

Kernaussagen
  • Eine Optimierung flussbasierter Variablen wie des Schlagvolumens sowie von Variablen der regionalen wie systemischen Sauerstoffbilanz helfen, eine okkulte Hypoperfusion zu vermeiden bzw. sie frühzeitig zu erkennen und somit die perioperative Morbidität und Mortalität zu reduzieren.

  • Im Zentrum sowohl der intra- als auch der postoperativen Therapie insbesondere kritisch kranker Patienten steht die Optimierung des Herzzeitvolumens respektive des Sauerstoffangebotes.

  • Das Monitoring per se, ob invasiv, minimalinvasiv oder nichtinvasiv, verbessert das Patienten-Outcome nicht, nur die eingeleitete Therapie sichert den Behandlungserfolg.

  • Der Einsatz nichtinvasiver Verfahren zur kontinuierlichen Blutdruckmessung bei kritisch kranken Patienten im intensivmedizinischen Bereich ist nicht ausreichend untersucht.

  • Der frühe Einsatz der kapillären Füllungszeit kann als eine Art „Trigger“ für ein erweitertes hämodynamisches Monitoring gesehen werden, nicht aber als ein adäquater Ersatz.

  • Nur etwa 50% der kritisch kranken Patienten sind in der Lage, auf eine adäquate Volumengabe hin ihr Schlagvolumen bzw. ihr Herzzeitvolumen relevant zu steigern (Anstieg im Herzzeitvolumen ≥ 15%).

  • Das Passive-Leg-Raising-Manöver ist eine komplett nichtinvasive Maßnahme, die im Sinne einer Autotransfusion zu einer reversiblen Volumenverschiebung von ca. 300 ml von peripher nach zentral führt. Sie hat einen hohen prädiktiven Wert im Sinne einer Volumenreagibilität, auch bei spontan atmenden Patienten sowie bei höhergradigen Arrhythmien.

  • Die transthorakale Echokardiografie stellt eines der ersten angewandten Verfahren dar, wenn es um die Initialbeurteilung eines zunehmend hämodynamisch instabilen Patienten geht.

  • Der Pulmonaliskatheter hat weiterhin einen besonderen Stellenwert in der Behandlung kritisch kranker Patienten im kardiozirkulatorischen Versagen, insbesondere auf dem Boden einer rechtsventrikulären Funktionsstörung und/oder einer pulmonalarteriellen Hypertonie sowie bei Patienten im akuten respiratorischen Versagen.

  • Es kann abschließend weder festgestellt werden, dass „weniger manchmal mehr ist“, noch kann propagiert werden „je invasiver, desto besser“. Es kommt auf die Kombination sinnvoll erhobener Zielvariablen im interagierenden Kontext zum Risikoprofil des Patienten und zur Schwere der Erkrankung an.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
21. April 2022

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