Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2021; 28(04): 153
DOI: 10.1055/a-1520-3638
Editorial

Reise- und Tropenmedizin in pandemischen Zeiten

Michael Ramharter Prof.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

mehr als eineinhalb Jahre nach Beginn der COVID-Pandemie befinden wir uns derzeit in Mitteleuropa in einer ruhigeren Phase der immer noch unser Leben bestimmenden Pandemie. Wenngleich die Inzidenzwerte mitunter ihre Talsohle überschritten haben und aufgrund von Virusvarianten wieder deutlich im Ansteigen begriffen sind, scheint die mittlerweile hohe Durchimpfungsrate vor allem der Risikopopulationen Europas derzeit als effektiver Schutz vor einer Überbelastung der Intensivstationen und des Gesundheitssystems. Die meisten reise- und tropenmedizinischen Institute sowie niedergelassene Kolleginnen und Kollegen haben aufgrund der stark eingeschränkten Fernreisetätigkeit und dem damit verbundenen Rückgang von Tropenerkrankungen bei Reiserückkehrern sowie der reduzierten Nachfrage nach reisemedizinischer Beratung herausfordernde Zeiten hinter sich und eine unklare Perspektive für die kommenden Monate und Jahre vor sich.

In dieser Zeit der Reiserestriktionen glichen unsere medizinischen Einsätze in den afrikanischen Ländern Zentral- und Westafrikas in diesem Jahr beinahe Reisen in die Vergangenheit. Die Anreise von Hamburg nach Lambaréné, im zentralafrikanischen Gabun, benötigte z. B. anstatt üblicher 14 Stunden aufgrund fehlender Flugverbindungen und lokaler Quarantänerichtlinien rund 4 Tage. In den Partnerländern waren weit und breit keine Touristengruppen oder Geschäftsreisende zu sehen und Expats waren zum Großteil während der Pandemie in die Heimatländer ausgereist. Über Wochen war kein Europäer in den ruralen Regionen unserer afrikanischen Partnerinstitutionen zu sehen. Das über die letzten Jahrzehnte so dramatisch zusammengerückte globale Dorf schien sich wieder deutlich voneinander entfernt zu haben und damit auch das internationale Interesse an den spezifischen Gesundheitsthemen der Tropen.

Es ist unklar, wie sich diese Situation in der unmittelbaren Zukunft weiterentwickeln wird. Nationalismen und das Fokussieren auf regionale Interessen scheinen vor allem in der Pandemie stark zugenommen zu haben. Gleichzeitig zeigen die Pandemie ebenso wie die aktuell erlebten Extremwetterereignisse, dass Lösungen zu den globalen Problemen nur durch internationale Zusammenarbeit zu finden sind. Im Gesundheitsbereich hat hier die Tropenmedizin ihre besondere Bedeutung, indem sie die globale Dimension von Krankheit und Gesundheit in den Fokus stellt.

Zu diesem Thema passend finden Sie in dieser Ausgabe wieder die jährlichen Empfehlungen des Ständigen Ausschusses für Reisemedizin der DTG zur Malariaprophylaxe. Während derzeit insgesamt weniger Reisen in malariaendemische Gebiete stattfinden, hat der Anteil der „Visiting Friends and Relatives“ mit ihren Familien und Kleinkindern deutlich zugenommen. Es bleibt zu hoffen, dass die Empfehlungen zur Malariaprophylaxe ebenso wie die in diesem Jahr neu überarbeitete S1-Leitlinie des DTG-Leitlinienausschusses zur Therapie der Malaria ihren Beitrag leisten können, um diese besondere Risikogruppe noch besser vor den Folgen der Malaria schützen zu können.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
13. August 2021

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