Dialyse aktuell 2022; 26(07): 289
DOI: 10.1055/a-1742-7454
Editorial

Organspende in der Krise – was tun?

Christian Schäfer
1   Stuttgart
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Am 4. Juni war der diesjährige Tag der Organspende. Selten war es so wichtig, auf dieses Thema aufmerksam zu machen: Die Zahlen der postmortal gespendeten Organe befindet sich laut einer Statistik der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) aktuell auf einem Rekordtief, wenn man den Vergleich der Daten aus den Jahren 2013–2022 jeweils von Januar bis Juli heranzieht. Bei den Zahlen der Organspender sieht es kaum besser aus – nur einmal gab es seit 2013 im Vergleichszeitraum laut DSO weniger Organspender als in diesem Jahr. Schaut man sich die postmortal gespendeten Nieren an, so zeigt sich nach Daten der DSO, dass auch hier im Jahr 2022 ein Negativrekord im Vergleich zu den Vorjahren vorliegt. Das sind beunruhigende Nachrichten für die Menschen, die dringend darauf angewiesen sind, eine Spenderorgan zu erhalten.

Einer der Gründe dafür, warum sich die Organspendezahlen in Deutschland generell auf einem niedrigen Niveau und nun sogar auf einem absoluten Tief im Vergleich zu den letzten Jahren befinden, könnte die sogenannte Entscheidungslösung sein. Im Januar 2020 wurde nach einer Debatte im Bundestag hieran festgehalten. Organe und Gewebe dürfen postmortal weiterhin also nur dann entnommen werden, wenn die oder der Verstorbene dem zu Lebzeiten zugestimmt hat. Liegt die Dokumentation des Willens der betroffenen Person nicht vor, werden die Angehörigen bezüglich einer Entscheidung angesprochen.

Die Widerspruchslösung, die eine postmortale Organ- und Gewebeentnahme ermöglicht, wenn die oder der Verstorbene dem zu Lebzeiten nicht widersprochen hat, könnte eine Lösung für das Problem der fehlenden Spenderorgane sein. Im Januar 2020 wurde dieses Konzept im Bundestag diskutiert, aber dann über eine Abstimmung zugunsten der Entscheidungslösung verworfen. Laut einer Pressemeldung der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI) vom 02.06.2022 sei Folgendes zu beobachten: „Mit Einführung dieser Regelung ist die Zahl der verfügbaren Organe in den meisten Ländern deutlich angestiegen, im Durchschnitt um ein Drittel.“ Unterfüttert wird dies dadurch, dass laut der Pressemeldung der DGTI 84 % der Deutschen der Organspende positiv gegenüberstehen, aber nur gut jeder dritte Bundesbürger einen Organspendeausweis besitzt. Es sollte also überlegt werden, neben weiteren Maßnahmen, wie optimierten Informationsangeboten für die Bundesbürger und einer Online-Registrierung als potenzielle Organspender, noch einmal die Widerspruchslösung auf den Tisch zu bringen. Vielleicht ergibt sich beim nächsten Versuch einer Abstimmung angesichts der prekären Gesamtlage eine reale Chance, die Widerspruchslösung doch noch umzusetzen.

Die Nieren sind die mit Abstand am meisten transplantierten Organe in Deutschland. Die vorliegende Ausgabe der „Dialyse aktuell“ haben wir dem Schwerpunkt „Nierentransplantation und Immunsuppression“ gewidmet, um Sie zu aktuellen Aspekten zum Thema zu informieren. Lesen Sie hierfür die interessanten Beiträge der Autoren ab Seite 309. In diesem Heft finden Sie ebenfalls weitere informative Artikel in den Rubriken „Gesellschaft“, „Expertentipp“, „Magazin“, „Journal-Club Pflege“ und „Forum der Industrie“.

Ich möchte Sie noch einmal darauf aufmerksam machen, dass die Bewerbungsfrist für den „Förderpreis Nephrologische Pflege 2022“ noch bis zum 15.09.2022 läuft. Bewerben Sie sich gerne noch um die 1500 Euro Preisgeld – alle Informationen hierzu finden Sie auf Seite 304 in dieser Ausgabe oder im Internet unter https://www.thieme.de/de/thieme-gruppe/foerderpreis-nephrologische-pflege-1369.htm. Ich freue mich auf Ihre Bewerbungen!

Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre des vorliegenden Heftes!



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Article published online:
08 September 2022

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