Pneumologie 2022; 76(06): 395-396
DOI: 10.1055/a-1803-1646
Editorial

Außerklinische Beatmung

Home Mechanical Ventilation
Sarah B. Schwarz
1   Lungenklinik Merheim, Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Medizinische Fakultät, Universität Witten/Herdecke
,
Philipp M. Lepper
2   Klinik für Innere Medizin V (Pneumologie), Universitätsklinik des Saarlandes, Homburg/Saar
,
Bernd Schönhofer
3   Klinik für Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin, Evangelisches Klinikum Bethel, Universitätsklinikum Ostwestfalen-Lippe (OWL)
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Die Geschichte der außerklinischen Beatmung als Therapie der chronisch ventilatorischen Insuffizienz (CVI) reicht inzwischen ca. 70 Jahre zurück. Zum ersten großen Einsatz kam es im Rahmen der Polio-Epidemie in Form der Negativdruckbeatmung zur Behandlung der respiratorischen Insuffizienz betroffener Patient:innen in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts [1].

Anschließend entstand im Großraum Lyon das Netzwerk der „Association Nationale pour le Traitement a Domicile de lʼInsuffisance Respiratoire chronique – Antadir“. Hier wurde Pionierarbeit zur außerklinischen Beatmung sowohl mit invasiver Beatmung und dem Tracheostoma als Beatmungszugang als auch der nicht-invasiven Maskenbeatmung geleistet [2]. In diesem Netzwerk wurden im Jahr 2015 insgesamt 12 147 Patient:innen außerklinisch mit respiratorischer Insuffizienz erfasst, was ca. 30 % der Bertoffenen in Frankreich entspricht und einen deutlichen Anstieg an nicht-invasiven Beatmungspatienten insbesondere bei COPD Patient:innen darstellt [3].

In Deutschland wurden in den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts in pneumologischen Kliniken die ersten eigenen Erfahrungen mit der Maskenbeatmung als Interface bei der außerklinischen Beatmung gemacht. Bis dahin stellte die außerklinische Beatmung eher eine Ausnahme dar. Mit der Einführung der nicht-invasiven Beatmung (NIV) kam es jedoch zu einem deutlichen Anstieg von Patient:innen, die mit Langzeit-NIV versorgt wurden. Auch die außerklinische Beatmung über ein Tracheostoma hat seither kontinuierlich zugenommen [4].

In der europaweiten Erfassung „Eurovent“ wurden 2001 insgesamt ca. 22 000 Patient:innen in der außerklinischen Beatmung erfasst [5]. Erstmals wurden hierbei seinerzeit in einer Art „Epidemiologie der CVI“ repräsentative Erkenntnisse zur Situation der außerklinischen Beatmung in Europa gewonnen. Neben Erkenntnissen zur Verteilung der Beatmungzugänge und den zur CVI führenden Grunderkrankungen wurde bereits damals deutlich, dass in Deutschland, neben Italien und Frankreich, die meisten Patient:innen außerklinisch beatmet werden.

In der Folgezeit ergab sich bei zunehmender Anzahl von invasiver Langzeitbeatmung auf den Intensivstationen die Notwendigkeit, sog. Weaning-Zentren zu entwickeln, v. a. innerhalb der pneumologischen Kliniken mit Spezialisierung auf das prolongierte Weaning. Im Jahr 2007 folgte dann unter der Schirmherrschaft der DGP die Gründung des Netzwerkes „WeanNet“. Die Auswertungen zum Outcome im Register von WeanNet ergaben, dass je ca. 20 % der Patient:innen nach Entlassung aus der Weaning-Einheit entweder in Form von invasiver oder nicht-invasiver außerklinischer Beatmung behandelt werden [6].

Die Zahlen der Patient:innen in der außerklinischen invasiven und nicht-invasiven Beatmung stiegen auch in Deutschland kontinuierlich. Jüngere Erhebungen ergaben einen rasanten Anstieg der Zahlen [7] [8] [9].

Vor diesem Hintergrund erfolgt mit der Serie „Außerklinische Beatmung“, die im Laufe diesen Jahres in der „Pneumologie“ erscheinen wird, eine Standortbestimmung zur aktuellen Situation der außerklinischen Beatmung, eng verbunden mit einer perspektivischen Betrachtung neuer Entwicklungen. So werden in 4 Einzelbeiträgen anerkannter Expert:innen, neben Versorgungsmodellen zwischen stationär und ambulant im aktuellen Journal, die Innovationen in der Technik, die Transition vom Jugendlichen zum Erwachsenen und schließlich Lebensqualität und ethische Aspekte thematisiert.

Wir danken den Autor:innen für Ihre hervorragend praxisbezogenen Beiträge und wünschen den geneigten Leser:innen hohen Erkenntnisgewinn, der sicherlich Einfluss auf das eigene Handeln in der Therapie von Patient:innen in der außerklinischen Beatmung haben wird.



Publication History

Article published online:
20 June 2022

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  • Literatur

  • 1 Lassen HC. A preliminary report on the 1952 epidemic of poliomyelitis in Copenhagen with special reference to the treatment of acute respiratory insufficiency. Lancet 1953; 1(6749): 37-41
  • 2 Muir JF, Voisin C, Ludot A. Organization of home respiratory care: the experience in France with ANTADIR. Monaldi Arch Chest Dis 1993; 48: 462-467
  • 3 Melloni B, Mounier L, Laaban JP. et al. Home-Based Care Evolution in Chronic Respiratory Failure between 2001 and 2015 (Antadir Federation Observatory). Respiration 2018; 96: 446-454
  • 4 Huttmann SE, Storre JH, Windisch W. [Home mechanical ventilation: Invasive and noninvasive ventilation therapy for chronic respiratory failure]. Anaesthesist 2015; 64: 479-486 quiz 487
  • 5 Lloyd-Owen SJ, Donaldson GC, Ambrosino N. et al. Patterns of home mechanical ventilation use in Europe: results from the Eurovent survey. Eur Respir J 2005; 25: 1025-1031
  • 6 WeanNet Study G. [WeanNet: The network of weaning units of the DGP (Deutsche Gesellschaft fur Pneumologie und Beatmungsmedizin) – results to epidemiology an outcome in patients with prolonged weaning]. Dtsch Med Wochenschr 2016; 141: e166-e172
  • 7 Klingshirn H, Gerken L, Heuschmann P. et al. [Quality of Care for People with Home Mechanical Ventilation in Germany: A Scoping Review]. Gesundheitswesen 2020; 82: 729-739
  • 8 Karagiannidis C, Strassmann S, Callegari J. et al. [Evolving Epidemiology of Home Mechanical Ventilation: A Rapidly Growing Challenge for Patient Care]. Pneumologie 2019; 73: 670-676
  • 9 Schwarz S, Wollsching-Strobel M, Majorski D. et al. Entwicklung der invasiven und nicht-invasiven außerklinischen Beatmung in Deutschland. Pneumologie 2021; 75: S10-S11