NOTARZT 2022; 38(04): 194-195
DOI: 10.1055/a-1853-1210
Aktuelles

Nachruf auf Dr. Michael Burgkhardt

Sven Spenke
1   Klinik für Innere Medizin I - Kardiologie, Angiologie, Diabetologie, Internistische Intensivmedizin, Erzgebirgsklinikum gGmbH, Annaberg-Buchholz, Deutschland
› Author Affiliations

Wir trauern um Herrn Dr. med. Michael Burgkhardt, der am 31.05.2022 kurz vor Vollendung seines 77. Lebensjahres verstorben ist. Vor allem sein jahrzehntelanges Engagement in der prähospitalen Notfallmedizin machte Dr. Burgkhardt, der auch Mitbegründer der Sächsischen Landesärztekammer war, weit über die Grenzen von Sachsen hinaus bekannt.

Herr Dr. Johannes Michael Burgkhardt wurde am 20.06.1945 in Pößneck/Thüringen geboren. Er entstammte einer Leipziger Arzt- und Künstlerfamilie und setzte eine Familientradition fort. Der direkte Zugang zu Abitur und Medizinstudium blieben ihm in der DDR verschlossen. Sein eiserner Wille half ihm, seine beruflichen Ziele im weiteren Leben dennoch zu erreichen. Nach der 10. Klasse musste er hart kämpfen, um studieren zu können. Er bekam keine Zulassung und hatte nur die Chance, über die Arbeit als Hilfspfleger und Krankentransporteur sowie über das Abitur an der Volkshochschule zum Medizinstudium zu kommen. Motiviert wurde er immer wieder insbesondere durch seinen Großvater Dr. Bruno Gittner, der 48 Jahre lang Hausarzt im Leipziger Musikviertel war. Bereits als Kind und Jugendlicher begleitete Michael Burgkhardt seinen Großvater zu Hausbesuchen und bei der Behandlung von Notfällen.

Nach dem Abitur an der Volkshochschule Leipzig begann er sein Studium 1968 an der Karl-Marx-Universität Leipzig. Wegen „Verächtlichmachung führender Persönlichkeiten“ durch eine Büttenrede beim Medizinerfasching 1972, wo er den Spitznamen „Dr. Bumm“ bekam, musste er 1973/74 ein Jahr zur „Bewährung in der Produktion“. Die Leitung des Bereichs Medizin der Karl-Marx-Universität verstand keinen Spaß und stufte Humor schon als Angriff auf das System ein. 1975 legte er dann sein Staatsexamen ab und nahm seine Weiterbildung zum Facharzt für Urologie unter Prof. Dr. Dieterich an der Universität Leipzig auf. Die Facharztprüfung erfolgte 1981. Seine Diplomarbeit zum Rektumkarzinom konnte er 1978, seine Promotionsarbeit zum Thema „Urologische Verletzung bei polytraumatisierten Patienten“ 1983 erfolgreich verteidigen.

Von 1982 bis 1983 war Dr. Burgkhardt zunächst hauptamtlich als Notarzt in Pößneck beschäftigt und begann danach seine praktische Tätigkeit in Leipzig. 1986 wurde er zum Ärztlichen Direktor der Poliklinik Leipzig-Ost berufen – eine der größten Polikliniken der DDR. Er übte diese Tätigkeit bis 1990 aus. Von 1991–1993 war er Ärztlicher Leiter Rettungsdienst der Stadt Leipzig. 1993 ließ er sich als praktischer Arzt in Leipzig nieder. In diesem Zusammenhang legte er als Zweitfacharzt die Prüfung zum Facharzt für Allgemeinmedizin ab.

Dank seiner schöpferisch-kreativen Persönlichkeitsstruktur war er nach der friedlichen Revolution auch an zahlreichen Gründungsinitiativen maßgeblich beteiligt. Dazu gehörten der Landesverband Sachsen und der Regionalverband Leipzig e. V. des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB), die Arbeitsgemeinschaft Sächsischer Notärzte e. V. (AGSN), das Leipziger Kriseninterventionsteam und der Ärzteverband zu Leipzig.

Seit 1990 war Dr. Michael Burgkhardt Mandatsträger der Kammerversammlung der Sächsischen Landesärztekammer. Er gründete 1990 den Ausschuss Notfall- und Katastrophenmedizin, dem er bis 2019 als Vorsitzender vorstand. Nach der Einführung der Zusatzbezeichnung Notfallmedizin 2006 leitete Dr. Burgkhardt die Prüfungskommission. Er erwarb sich große Verdienste um die notfallmedizinische Fort- und Weiterbildung in Sachsen und auf Bundesebene. Er leitete und organisierte über 100 zum Teil legendäre Kurse im Auftrag der Ärztekammer, zu denen Mediziner aus ganz Deutschland extra anreisten.

Sein besonderes Interesse galt frühzeitig der interdisziplinären Notfallmedizin mit summarisch über 150 Publikationen zum Thema. Er hielt zahlreiche Vorträge auf in- und ausländischen Kongressen und war Lehrbeauftragter für Allgemeinmedizin an der Universität Leipzig.

Dr. Michael Burgkhardt brachte sich seit 1990 in die Weiterentwicklung des sächsischen Katastrophenschutzgesetzes (heute Sächsisches Gesetz über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz) auf Landesebene ein. Unter seiner Mitwirkung wurden zudem zahlreiche Stellungnahmen zum Landesrettungsgesetz sowie zum Hilfeleistungsgesetz erarbeitet. Er förderte die Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen und Bildungseinrichtungen bei Projekten zur Frühdefibrillation im Rettungsdienst sowie in der Arbeitsgemeinschaft Sächsischer Notärzte e. V. Durch seine Initiative entstanden 2016 die von der Sächsischen Landesärztekammer herausgegebenen „Lerninhalte für Notfallsanitäter im Freistaat Sachsen“ als Ausbildungs- und Prüfungsgrundlage. Er trat vehement einem Qualitätsverlust in der notfallmedizinischen Strukturqualität im Freistaat Sachsen entgegen.

Mit Beginn der politischen Wende 1989 begann Dr. Burgkhardt, Kontakte mit Notfallmedizinern in den alten Bundesländern herzustellen. Die Zerschlagung des DDR-Rettungsdienst-Systems „Schnelle Medizinische Hilfe“ sah er bis zuletzt kritisch. Unermüdlich war er mit dabei, das Rettungswesen in Sachsen den neuen Bedingungen anzupassen.

Von 1990 bis 2015 war Dr. Burgkhardt Vertreter der Sachsen in der BAND e. V., von 2006 bis 2011 stellvertretender Vorsitzender und von 2011 bis 2015 Vorsitzender der BAND e. V. Als Kenner der Szene gelang es ihm auch auf Bundesebene, notfallmedizinische Themen voranzubringen. Dabei halfen ihm neben exzellenter Vernetzung seine strukturierte Herangehensweise, eine brillante Rhetorik und die oft mit Humor gespickte Argumentation.

Als langjähriger Stadtrat der Stadt Leipzig war Dr. Burgkhardt ebenso aktiv und für seine streitbare Art bekannt und anerkannt. Mit seinem politischen Engagement wollte Dr. Burgkhardt zeigen, dass ein Arzt große Möglichkeiten hat, die Gesellschaft mitzugestalten und dass er diese nutzen sollte. Das vermisste er bei so manchem seiner Kollegen. Ein Arzt hatte nach seiner Ansicht eine große soziale Verantwortung und Gestaltungsspielraum in der Gesellschaft. Dr. Burgkhardt suchte niemals die Konfrontation, war eher ausgleichend, aber konsequent in seinem Handeln.

Für sein Wirken um die Ärzteschaft erhielt Dr. Burgkhardt 2011 die Herrmann-Eberhard-Friedrich-Richter-Medaille der Sächsischen Landesärztekammer. Im Jahr 2022 verlieh der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer Herrn Dr. Michael Burgkhardt für sein herausragendes Engagement unter anderem beim Aufbau eines leistungsfähigen Rettungsdienstes in Sachsen und für Verbesserungen in der Notfallmedizin den Sächsischen Verdienstorden.

Alle, die Dr. Michael Burgkhardt gut gekannt haben, vermissen ihn sehr und drücken der hinterbliebenen Familie ihr herzlich empfundenes Beileid aus.

Zoom Image
Abb. 1 Dr. med. Michael Burgkhardt.

Dipl.-Med. Sven Spenke

Arbeitsgemeinschaft Sächsischer Notärzte e. V.



Publication History

Article published online:
04 August 2022

© 2022. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany