PiD - Psychotherapie im Dialog 2023; 24(03): 111
DOI: 10.1055/a-1935-6738
Backflash

Vom Charme des kleinen Reisens nach der Pandemie

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(Quelle: Bettina Wilms)

Vor Kurzem hörte ich beim Frühstück in einer Pension am Nebentisch den Satz: „Es ist schön, wieder hier zu sein.“ Und die interessierte Antwort: „Wir haben uns bei Ihrer Anmeldung auch gefragt, wann Sie das letzte Mal da waren – ja, es war kurz vor der Pandemie, nun schon wieder mehr als drei Jahre her, wie die Zeit vergeht…“ Nun, der abschließende Satz dieser Konversation ist wohl ein typischer. Die Einteilung in „vor“ und „nach“ der Pandemie hingegen lässt die Zeit „während“ gleichermaßen innerlich verschwimmen zu einem mehr oder weniger einheitlichen Brei einer Lebensphase, in der kaum einzelne Ereignisse zur Unterscheidung anregen. Und dennoch: Mit Sicherheit hat es diese Ereignisse für jede und jeden von uns gegeben, zwischen den Lockdowns, Schnelltests und der bangen Frage, ob kurz vor dem Urlaub doch noch der PCR-Test positiv ist.

Ich kann mich an eine Reise durch Norddeutschland erinnern, weil eine Flugreise abgesagt worden war. Diese Reise hätten wir unter anderen Bedingungen in dieser Form wohl nicht gemacht. Ebenso wie wir auch die eine oder andere Woche nicht erlebt hätten, die wir, eingeschränkt zwar, aber dennoch froh über die Möglichkeit, auf unserem Lieblingsgolfplatz irgendwo in der Lüneburger Heide verbracht haben. Dort, wo jetzt „nach“ der Pandemie auch die Spuren in den Kleinstädten spürbar sind: Ladengeschäfte die leer stehen, Restaurants, die es nicht mehr gibt und kleine Fußgängerzonen, deren Attraktivität von Online-Anbietern herausgefordert wird. Und dennoch gibt es auch immer eine andere Seite, eine andere Lesart, und etwas Unerwartetes erscheint auf der Bildfläche.

So ist es uns mit dem „Topf-Frühstück“ gegangen: In Pandemiezeiten als eine Lösung für das „Problem“ mit dem Frühstücksbuffet in einem kleinen Hotel entstanden, finden wir es unerwartet wieder. Der Gänsebräter, der das „Privatfrühstück für Zwei“ enthält, hat es geschafft, die Mundwinkel der Gäste über Hygienevorschriften hinweg zu einem Lächeln zu bringen und ist hier nun quasi eine feste Einrichtung geworden. Ohne die schwere Zeit der letzten drei Jahre wäre dies wohl nicht passiert – jetzt kann man ihn als erstmals anreisender Gast in den Gästeinformationen im Internet finden. Klar, dazu hätte es wohl keine Pandemie gebraucht… Und dennoch: Auch wir haben ihn erfreut wiedererkannt – und nun erst recht ins Herz geschlossen.

Dr. Bettina Wilms, Querfurt



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Article published online:
28 August 2023

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