physiopraxis 2023; 21(04): 46-49
DOI: 10.1055/a-1986-5356
Perspektiven

Schwarzes Brett

Öfter mal ins Grüne tut der Seele gut – Psychische Gesundheit

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Mit Rumination wird das menschliche Grübeln über Unglück oder Pech bezeichnet. Aufenthalte in der Natur können dem positiv entgegenwirken. Quelle: © K. Oborny/Thieme

Städte sind eng, laut und haben wenig Grün. Auch sind einem dort die meisten Menschen fremd. Das sorgt für Stress und mehr psychische Störungen, so Professor Andreas Meyer-Lindenberg aus Mannheim. Öfter mal raus in die Natur und mehr Grün in den Städten könnte helfen.

Laut Meyer-Lindenberg, Direktor des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim, ist das Leben in Städten häufig Ursache für psychische Erkrankungen. Ein Grund ist beispielsweise, dass man in Städten sehr viel mehr Menschen begegnet, sie aber meistens nicht kennt. Auf dem Land ist es umgekehrt: Dort trifft man weniger Personen, kennt dafür aber viele davon. Entsprechend unterschiedlich ausgeprägt und intensiv ist auch das soziale Netzwerk, das wiederum Einfluss auf unsere psychische Gesundheit hat.

Meyer-Lindenberg ergänzt zudem: „Wir beobachten bei unseren Untersuchungen auch immer wieder, dass Städte unglücklich machen. Wenn wir Menschen nach Glück, Wohlbefinden und emotionaler Valenz fragen, dann nehmen solche Faktoren mit der Größe der Stadt linear ab. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Natur: Davon gibt es auf dem Land eben viel mehr als in der Stadt, und die ist für das Wohlbefinden ebenfalls relevant.“

Menschen, die in einer Stadt leben, erkranken zu 30–50 Prozent häufiger an Depressionen und Angsterkrankungen als Personen, die im ländlichen Raum wohnen. Bei Menschen, die in der Stadt sowohl geboren als auch aufgewachsen sind, ist das Schizophrenierisiko verdreifacht.

Viele Studien machen deutlich, dass die Natur das Wohlbefinden erhöht. Auch sind psychische Störungen umso seltener, je mehr Grün in der Umgebung ist, in der wir aufwachsen. Die Arbeitsgruppe rund um Prof. Meyer-Lindenberg konnte bestätigen, dass sich die Naturexposition positiv auf das Wohlbefinden auswirkt und dass dieser Effekt mit regulatorischen Hirnarealen zusammenhängt. Von diesem Effekt der Natur profitieren vor allem solche Menschen, die ängstlich sind und die ihre Emotionen selbst nicht gut regulieren können – für sie ist das Naturerlebnis besonders wichtig. Natur unterdrückt die Rumination, und die ist bekanntlich ein Risikofaktor zum Beispiel für Depressionen. Damit ist das menschliche Grübeln über Unglück, Pech oder Missgeschicke gemeint. Der Aufenthalt im Grünen blockiert das Grübeln fast so stark wie Achtsamkeitsmeditation. Daher rät Meyer-Lindenberg seinen Patient*innen auch, möglichst viel in die Natur zu gehen, denn dann beschäftigen sie sich weniger mit ihren Sorgen.

mru



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Article published online:
12 April 2023

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  • Literaturverzeichnis

  • 1 Arthur Schopenhauer. Die Kunst, Recht zu behalten