Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/a-1996-6002
Kommentar zu „Therapie-resistente arterielle Hypertonie: Endothelinantagonist Aprocitentan überzeugt“
Nach den ersten erfolgreichen Hypertonie-Interventionsstudien 1966/67 setzte eine schnelle Entwicklung neuer Antihypertensivaklassen ein, die Mitte der 1990er-Jahre mit der Zulassung des ersten Angiotensin-Rezeptorblockers Losartan zu einem vorläufigen Abschluss kam. Zwar wurde 2007 noch der direkte Renin-Inhibitor Aliskiren zur Hypertoniebehandlung zugelassen; dieser blieb aufgrund enttäuschender Studiendaten jedoch bedeutungslos. Weitere Neuentwicklungen von blutdrucksenkenden Wirkstoffen wie des steroidalen Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten Eplerenon 1995, des ersten SGLT2-Hemmers Dapagliflozin 2012, des Fusionsmoleküls Valsartan plus Neprilysin (Sacubitril, 2015) und zuletzt des nicht steroidalen Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten Finerenon 2021 sind nicht zur Hypertoniebehandlung zugelassen. Indikationen dieser Substanzen sind vielmehr Herzinsuffizienz, Diabetes mellitus und die chronische Niereninsuffizienz. Die Gründe für die fehlende Zulassung dieser Substanzen zur Hypertoniebehandlung sind vielfältig.
Nach knapp 30 Jahren ohne relevante Neuerung im Bereich der medikamentösen antihypertensiven Therapie wurden seit November 2022 für 2 hochselektive Aldosteron-Synthesehemmer (Baxdrostat und MLS-101) und für den Endothelin-Rezeptor-Antagonisten Aprocitentan 3 erfolgreiche Hypertonie-Interventionsstudien berichtet [1] [2] [3]. Die Studienpopulation aller 3 Studien – nämlich Patienten mit Therapieresistenz – weist darauf hin, dass die genannten Neuentwicklungen primär auf eine Nische bei der Hypertoniebehandlung abzielen: Die Erweiterung einer vorbestehenden Dreifachkombination inklusive Diuretikum bei unzureichender Blutdrucksenkung.
Dabei ist die Phase-3-Studie mit dem Endothelin-Rezeptor-Antagonisten Aprocitentan insofern bemerkenswert, als bis dato eine pharmakologische Intervention in das Endothelin-System zur Hypertoniebehandlung in der klinischen Routine nicht zur Verfügung steht. Eine Dosis-Findungsstudie hatte 2020 nach 8 Wochen Therapie mit 25mg Aprocitentan/Tag eine placebokorrigierte, signifikante Senkung des systolisch-diastolischen Praxisblutdrucks von 9,9/7,0 mmHg dokumentiert [4]. Diese liegt damit im Bereich anderer standardmäßig eingesetzter Antihypertensiva.
In der aktuell publizierten Studie an Patienten mit Therapieresistenz (PRECISION) war der systolische Praxisblutdruck durch die Zugabe von 12,5 und 25mg Aprocitentan/Tag zu einer Standard-Dreifachkombination nach 4 Wochen Behandlung placebokorrigiert in beiden Studienarmen um jeweils 3,7 mmHg abgesenkt. 2015 hatte die PATHWAY-Studie verschiedene antihypertensive Substanzen als Ergänzung einer vorbestehenden Standard-Dreifachkombination bei Therapieresistenz untersucht [5]. Dabei kam es unter Spironolacton in einer Dosis von 25–50 mg/Tag über 12 Wochen zu einer placebokorrigierten Senkung des von den Patienten zu Hause selbst gemessenen systolischen Blutdrucks von im Mittel 8,7 mmHg. Doxazosin ret. (4–8 mg/Tag) erreichte in dieser Studie eine Blutdrucksenkung von 4,6 mmHg und Bisoprolol (5–10 mg/Tag) von 4,2 mmHg. Bei ausgeprägten Unterschieden im Studiendesign, insbesondere bezüglich der Behandlungsdauer und der Blutdruck-Messmethoden, erlaubt der Vergleich der beiden Studien jedoch nur eingeschränkt Rückschlüsse auf die relative Wirksamkeit von Aprocitentan bei therapieresistenter Hypertonie.
Ähnlich wie andere vasodilatorisch wirksame Antihypertensiva bewirkt auch der Endothelin-Rezeptor-Antagonist eine ausgeprägte, dosisabhängige Ödemneigung, die unter 25mg Aprocitentan/Tag mit 18,4% angegeben wird (Placebo 2,1%). Bei 7 Patienten wurde aus diesem Grunde die Studie beendet. Unter der Annahme, dass dies ausschließlich in der Gruppe der mit 25mg Aprocitentan behandelten Patienten (n=245) auftrat, würde dies eine Abbruchrate von 2,9% bedeuten.
Zusammenfassend zeigt die PRECISION-Studie mit Aprocitentan bei Patienten mit therapieresistenter Hypertonie als Erweiterung einer Standard-Dreifachkombination einen moderaten Blutdruckeffekt und eine nicht zu ignorierende Nebenwirkungsrate. Die aktuelle Leitlinienempfehlung, in dieser klinischen Situation primär die diuretische Therapie, z.B. durch die Gabe von Spironolacton zu intensivieren, wird durch die neuen Daten daher nicht in Frage gestellt. Hinzu kommt, dass ein neues, patentgeschütztes Präparat für diese Indikation sich preislich mit generischen Konkurrenten messen müsste, die bezüglich Wirksamkeit und Verträglichkeit nicht übertroffen wurden.
Publication History
Article published online:
22 May 2023
© 2023. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
-
Literatur
- 1 Freeman MW, Halvorsen YD, Marshall W. et al. Phase 2 Trial of baxdrostat for treatment-resistant hypertension. N Engl J Med 2023; 388: 395-405
- 2 https://www.prnewswire.com/news-releases/mineralys-therapeutics-announces-positive-topline-phase-2-data-for-mls-101-in-the-target-htn-trial-evaluating-the-treatment-of-uncontrolled-and-resistant-hypertension-301679522.html
- 3 Schlaich MP, Bellet M, Weber MA. et al. Dual endothelin antagonist aprocitentan for resistant hypertension (PRECISION): a multicentre, blinded, randomised, parallel-group, phase 3 trial. Lancet 2022; 400: 1927-1937
- 4 Verweij P, Danaietash P, Flamion B. et al. Randomized dose-response study of the new dual endothelin receptor antagonist aprocitentan in hypertension. Hypertension 2020; 75: 956-965
- 5 Williams B, MacDonald TM, Morant S. et al. Spironolactone versus placebo, bisoprolol, and doxazosin to determine the optimal treatment for drug-resistant hypertension (PATHWAY-2): a randomised, double-blind, crossover trial. Lancet 2015; 386: 2059-2068