intensiv 2023; 31(03): 158-159
DOI: 10.1055/a-2036-4136
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Die Umsetzung des Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetzes, GKV-IPReG, muss aufgeschoben werden

Der Aufschub des Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetzes, kurz GKV-IPReG, bis die notwendigen Versorgungsstrukturen vorhanden sind, war eine der zentralen Forderungen bei der Veranstaltung „Quo vadis außerklinische Intensivversorgung? – Wie kann eine bedarfsgerechte Versorgung gewährleistet werden?“ am 28. Februar 2023 mit 120 Teilnehmenden und 100 Video-Zuschaltungen im Hotel Adlon in Berlin. Eingeladen hatte der GKV-IPReG ThinkTank, um über die konkreten Auswirkungen des Gesetzes sowie der daraus folgenden Richtlinien auf die sehr heterogene Gruppe von Menschen mit Beatmung zu diskutieren. An der zweistündigen Podiumsdiskussion nahmen Corinna Rüffer (Bündnis 90/Die Grünen), Kay Wilke-Schulz (Vorstandsmitglied der Deutschen interdisziplinären Gesellschaft für außerklinische Beatmung DIGAB e. V.), Hans-Joachim Fritzen (stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK Nordost), Laura Mench (Aktivistin und Beraterin bei aktiv und selbstbestimmt e. V.), Professor Dr. Michael Isfort (Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung), Dr. Kerstin Haid (leitende Ärztin – medizinischer Dienst Bund) und Julius Lehmann (Leiter der Abteilung „veranlasste Leistungen“ der kassenärztlichen Bundesvereinigung) teil.

Dabei wurde betont, dass wohl im Saal niemand etwas gegen eine Verbesserung der außerklinischen Intensivpflege einzuwenden habe. So habe das Gesetz bereits jetzt Erfolge – insbesondere in der Krankenhausbehandlung – gezeigt, weil die größte Behandlungslücke und Ursache der hohen Zahl an Patientinnen und Patienten durch die vorzeitige Entlassung aus dem Krankenhaus in die Außerklinik – unter Abreißen der ärztlichen Behandlungskette – vormals keine Chance auf eine Entwöhnung von der Beatmung oder einer Dekanülierung bekam –, nun durch die Auflage, die Entwöhnung zu versuchen und in ein spezialisiertes Weaningzentrum zu überweisen sowie Abschlagsforderungen bei Nichtbeachtung, geschlossen worden sei. Aber die Patientengruppe mit den höchsten Weaningpotenzialen – die frisch von Intensivstationen Entlassenen – deckt sich nicht mit den zum Teil bereits langjährig außerklinisch versorgten Menschen. Und von diesen waren viele, zum Teil von weit her, gekommen.

Viele Menschen mit Intensivpflege sind äußerst beunruhigt darüber, wie es nach dem 30. Oktober 2023 weitergehen wird. So ist völlig unklar, wie viele Ärzte die doch sehr zeitaufwendige Versorgung unter den neuen Voraussetzungen tatsächlich fortsetzen möchten. Aber wenn die Menschen mit Beatmung ab 30. Oktober 2023 ihrer Krankenkasse keine Bescheinigung über eine in den letzten drei Monaten durchgeführte Potenzialerhebung durch einen Facharzt vorlegen können, erhalten sie nach derzeitiger Gesetzeslage keine weitere Verordnung. Deshalb wurde vor allem an die Fachpolitik adressiert, die Umsetzungsfrist des GKV-IPReG so lange zu verschieben, bis die Versorgungsstrukturen vorhanden sind. Große Sorgen machen sich die Betroffenen auch, dass ihre selbstorganisierte und gut funktionierende häusliche Versorgung durch die hohen Qualitätsanforderungen zerstört und sie zu einem Umzug in eine stationäre Einrichtung gezwungen werden könnten. Dies sei ein unzumutbarer Eingriff in ihre Persönlichkeitsrechte.

Nach der von Christoph Jaschke moderierten Podiumsdiskussion wurden die Gespräche beim anschließenden World Café vertieft. Hier ging es um Selbstbestimmung, Versorgungsnetzwerke, Lebensformen heute und in Zukunft sowie Innovationen. Die Moderierenden an den Tischen, allesamt Mitglieder des GKV-IPReG Think Tank, hatten sich lange darauf vorbereitet und fassten am Ende der Veranstaltung die Ergebnisse prägnant zusammen. Sie werden in Kürze veröffentlicht.

Beim anschließenden Get-together hörte man von vielen Teilnehmenden, dass sie sehr viel gelernt hätten. Vor allem aber haben sich auch viele Menschen kennengelernt, die sich ansonsten nie begegnen würden. So blieben die meisten Experten, die bereits auf dem Podium gesessen hatten, bis zum Schluss und nutzten die Gelegenheit, sich insbesondere mit Menschen mit Beatmung sowie ihren An- und Zugehörigen auszutauschen. Gemeinsam kann und könnte man so viel erreichen, das hat sich in Berlin wieder gezeigt.

Der GKV-IPReG ThinkTank, Veranstalter dieser Tagung, wird deshalb diesen Austausch weiterhin pflegen und fördern. Inzwischen gehören ihm schon über 60 Teilnehmende an, darunter Menschen mit Intensivpflegebedarf, Angehörige, Menschen aus Verbänden und Vereinen der Selbsthilfe, Medizin, Wissenschaft, Medizintechnik, Pflege, Therapie und Sozialrecht. Wer mitarbeiten möchte und an den 14-tägigen Zoom-Meetings teilnehmen möchte, ist herzlich dazu eingeladen.

Quelle: GKV-IPReH ThinkTank



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Article published online:
08 May 2023

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