Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2023; 30(03): 138-139
DOI: 10.1055/a-2044-7950
Gesellschaft
DFR

Deutsche Fachgesellschaft für Reisemedizin e. V.

Burkhard Rieke

Liebe Kolleginnen und Kollegen in der DFR,

die Zeit kurz vor und nach den Abiturprüfungen ist wieder die Zeit, in denen sich junge Leute zur Beratung und Untersuchung vor ihrem „weltwärts“-Aufenthalt vorstellen. Dabei handelt es sich ja um meistens einjährige Aufenthalte im tropischen oder osteuropäischen Ausland, die von verschiedensten Organisationen nach einem pädagogisch definierten Standard des BMZ angeboten werden. Die jungen Leute, meist Abiturienten, gehen in Länder mit unkritisch erscheinender Sicherheitslage und leisten dort, auch an recht peripheren Standorten, in Projekten einen Dienst, für den es keine besonderen Qualifikationen braucht. Auch ohne Arbeitnehmer zu sein, sind sie in die gesetzliche Unfallversicherung einbezogen, was dann natürlich auch die Anerkennung von Berufskrankheiten einschließt.

Und in der Tat handelt es sich um eine Hochrisikogruppe: Eine Malaria in den ersten 4–6 Wochen, ein Dengue oder eine Schistosomiasis ereignen sich häufig, jemand fällt bei der Montage der Solaranlage vom Dach, überschlägt sich mit dem Trecker am Steilhang oder trifft mit der Machete den Fuß. Sexualisierte Gewalt und andere psychische Traumata kommen vor, es hat HIV-Infektionen gegeben.

Mit anderen zusammen haben wir immer wieder Vor- und Nachuntersuchungen gefordert, um gesundheitliche Folgen überhaupt aufdecken zu können. Seit wenigen Jahren gibt es sie endlich – allerdings erst auf Drängen des Bundesrechnungshofs (!), der auf die Analogie zur Entsendung von Arbeitnehmern hinwies. Für die von uns, die solche Vor- und Nachuntersuchungen vornehmen, gibt es Qualifikationsanforderungen, u. a. ist auch das 128-h-Zertifikat „Reisemedizin (DFR)“ anerkannt. Bei den Voruntersuchungen besteht die fachliche Herausforderung in der Vielzahl der Themen, die man in einer begrenzten Zeit und auch oft bei begrenzter Aufnahmekapazität „rüberbringen“ muss. Bei der Rückkehreruntersuchung geht es eher um die Auswahl an Tests, die sich nach Exposition und Wahrscheinlichkeit, aber ggfs. auch nach den im Gastland diagnostizierten Erkrankungen richtet, deren Vorliegen oder Ausheilung nun bestätigt werden soll.

Mindestens ebenso verantwortungsvoll ist aber auch die Aufgabe, die medizinischen Anteile von Vorbereitungskursen für die entsendenden Organisationen zu gestalten, in denen man für einen Nachmittag (oder weniger) 20 jungen Leuten gegenübersitzt, die von Bolivien bis Indien in die verschiedensten Länder gehen. Hier fehlen leider jede inhaltliche Norm und jede persönliche Qualifikationsanforderung. Manchmal geben Verwaltungsmitarbeiter Listen mit Impfungen für bestimmte Zielländer aus. Oder die Eltern früher entsandter junger Leute haben sich Informationen angelesen. Manchmal sind es die „Überlebenden des letzten Jahrgangs“, die, nun 19 Jahre alt und immer noch unqualifiziert, ihre Verhaltensweisen schildern, ohne zu wissen, wieviel Glück sie gehabt haben. „Alles nicht so wild.“ Manchmal mag auch die weltanschauliche Grundausrichtung der Entsendeorganisation mit Begriffen wie „Impfung“ oder „Malariaprophylaxe“ nicht gut harmonieren.

So wundert es nicht, wenn sich die Malaria auch früh schon oder erstaunlich oft ereignet. Cerebrale Form, Repatriierung mit Ambulanzflieger nach ineffektiven Behandlungsversuchen, fortbestehende Einschränkungen, Berufskrankheit, MdE mit 19 Jahren: Das ist ein konkreter Fall, den ich schon wiederholt begutachtet habe. Aber keinerlei Rückfragen an die Entsendeorganisation nach den gegebenen Ratschlägen, nach der Compliance. Die sozialrechtliche Fiktion lautet „Schicksal“. Für eine präventiv orientierte Disziplin wie die Reisemedizin ist das kaum erträglich.

Daher meine Bitte an Sie: Wenn Sie in der Beratung, als Eltern oder in einer anderen Rolle in Kontakt mit weltwärts-Entsendeorganisationen kommen, zeigen Sie Interesse an der Güte der reisemedizinischen Vorbereitung der jungen Leute! Fragen Sie nach, lassen Sie sich ggfs. Ansprechpartner geben, bieten Sie Unterstützung an! Was sich gegenwärtig ereignet, geht zulasten der jungen Leute aus. Hier muss eine nachvollziehbare Qualität geliefert werden.

Natürlich können wir uns als DFR im Bundesministerium melden. Doch sind meine Erfahrungen mit solchen Interventionen eher ernüchternd. Die inhaltliche, fachliche Ebene interessiert nicht, solange man die rechtlichen Rahmenbedingungen erfüllt hat. Jenseits dessen besteht kein Anspruch auf Verbesserung. Aber halt! Hat evtl. jemand Verbindung zum Bundesrechnungshof?

Mit besten kollegialen Grüßen!

Burkhard Rieke

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Artikel online veröffentlicht:
02. Juni 2023

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