Nervenheilkunde 2023; 42(08): 536-541
DOI: 10.1055/a-2083-8220
Schwerpunkt

Spezialisierte Physiotherapie bei funktionellen Bewegungsstörungen

Specialized physiotherapy for functional movement disorders
Christof Degen-Plöger
1   Institut für Gesundheitswissenschaften, Fachbereich Physiotherapie, Universität zu Lübeck
,
Annemarie Reincke
2   Institut für Sportwissenschaften, Philosophische Fakultät, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
,
Bernhard Fasching
3   Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Wien
,
Kerstin Lüdtke
1   Institut für Gesundheitswissenschaften, Fachbereich Physiotherapie, Universität zu Lübeck
› Institutsangaben

ZUSAMMENFASSUNG

Die Physiotherapie bei funktionellen Bewegungsstörungen unterscheidet sich erheblich von einer konventionellen neurologisch ausgerichteten Physiotherapie. Sie folgt einem kognitiv-verhaltenstherapeutischem Ansatz, im Sinne einer psychologisch informierten Physiotherapie. Dabei werden multiple Faktoren in den Therapieprozess mit einbezogen, welche anhand des bio-psycho-sozialen Modells erhoben werden, um die hintergründigen Symptomtrigger und -modulatoren zu eruieren. Sie zielt darauf ab, dass der betroffene Patient das Krankheitsbild versteht und akzeptiert sowie den Therapieinhalten Bedeutung beimessen kann. Das Erarbeiten einer bewussten Aufmerksamkeitslenkung (Strategie), weg von der eigentlichen funktionellen Störung, ist ein zentraler Bestandteil. Diese erfolgt über die Nutzung unserer Sinnesreize, Verlagerung des Fokus auf intakte Bewegungsmuster, zielorientierten Handlungen sowie dem Einsatz einer bewussten Sprache. Das Selbstmanagement im Umgang mit beeinflussenden Faktoren, der Aufbau einer Toleranz gegenüber solchen und ein allgemein gesundheitsförderndes Verhalten runden die Therapie ab. Im vorliegenden Artikel stellen wir diesen Therapieansatz, welcher in Deutschland erstmalig im ambulanten Setting innerhalb einer Studie erprobt wird, vor und geben Empfehlungen für die Praxis.

ABSTRACT

Physiotherapy for functional movement disorders differs significantly from conventional neurologically oriented physiotherapy. It follows a cognitive-behavioral therapeutic approach, in the sense of a psychologically informed physiotherapy. Multiple factors are included in the therapy process, which are collected using the bio-psycho-social model to determine the underlying symptom triggers and modulators. It aims to ensure, that the affected patient understands and accepts the diagnosis and can attach importance to the content of the physiotherapy. The development of a conscious attention control (strategy) away from the actual functional disorder, is a central component. This takes place via the use of our sensory stimuli, shifting the focus to intact movement patterns, goal-oriented tasks, and the use of deliberated language. Self-management in dealing with influencing factors, the development of tolerance towards such and general health-promoting behavior complete the therapy. In this article, we present this therapeutic approach, which is being tested in an outpatient setting for the first time in Germany and give practical advice.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
02. August 2023

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