Nephrologie aktuell 2023; 27(10): 458
DOI: 10.1055/a-2083-9666
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Ernährung bei chronischer Nierenerkrankung

Martin K. Kuhlmann
1   Berlin
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Prof. Dr. med. Martin K. Kuhlmann, Berlin

Für jeden Menschen, wie auch für jeden Leser dieses Schwerpunktheftes der „Nephrologie aktuell“, sind Ernährung, Essen und Trinken ein tagtägliches Thema, welches meist bei Auftreten von akuten oder chronischen Erkrankungen noch zusätzlich an individueller Bedeutung gewinnt. Krankheiten können durch Fehlernährung ausgelöst werden – als Beispiele seien hier gewisse Formen der Adipositas oder die seltene, aber klinisch durchaus relevante enterische Form der Oxalat-Nephropathie genannt. In den meisten Fällen werden Ernährungsempfehlungen aber mit dem Ziel genutzt, den Verlauf von Erkrankungen positiv zu beeinflussen und Komplikationen zu vermeiden, gerade bei chronischen Nierenerkrankungen ist dies seit Jahrhunderten der Fall.

Historisch stand zu Zeiten, als Nierenersatztherapie noch nicht breit und kurzfristig für jeden verfügbar war, eine strenge Eiweißrestriktion im Vordergrund – mit dem Ziel, den Stoffwechsel zu entlasten und die Produktion von Urämietoxinen zu reduzieren. Trotz der zum Teil langfristigen starken Nebenwirkungen (Mangelernährung) wird dieses Konzept zum Teil auch heute noch propagiert, obwohl Erkenntnisse der letzten Jahre ein klares und deutliches Abrücken von diesen Empfehlungen begründet haben. Heute wird Menschen in allen CKD-Stadien, einschließlich solcher mit Dialysepflicht, primär eine pflanzenbasierte Kost nach mediterranen Prinzipien empfohlen, wobei der Konsum tierischen Eiweißes zugunsten pflanzlichen Eiweißes reduziert werden soll. Nachweislich profitieren Betroffene von dieser Ernährungsform nicht nur hinsichtlich des Verlaufs ihrer Nierenerkrankung, sondern auch durch Senkung des kardiovaskulären Risikos. Selbst bei zunehmender Niereninsuffizienz, bei der es leichter zu metabolischer Azidose und Hyperkaliämie kommen kann, ist eine pflanzenbasierte Kost zu präferieren. Allerdings sind bestimmte Grundkenntnisse und Regeln zu berücksichtigen, die Barbara Contzen, Bergisch Gladbach, in ihrem sehr schönen Beitrag übersichtlich darlegt.

In der intensiven Diskussion zum Thema Klimawandel wird immer wieder darauf hingewiesen, dass Ernährung einen wichtigen Teil unseres täglichen CO2-Fußabdruckes ausmacht. Ein Großteil der ernährungsassoziierten CO2-Emissionen entsteht bei der Erzeugung von Fleisch und tierischen Produkten, wohingegen sich durch Anbau und Verzehr pflanzlicher Nahrungsmittel deutlich an CO2 einsparen lässt. Dr. Susi Knöller, Bremen, bietet in ihrem sehr aktuellen Beitrag eine tolle Übersicht über den Impact unserer Ernährungsgewohnheiten im Spannungsfeld von Klimawandel und Gesundheit unter besonderer Berücksichtigung der Niereninsuffizienz.

Ist das Kind ernährungsmäßig erst einmal in den Brunnen gefallen, kommt es da nur schwer wieder raus. Dies gilt in hohem Maße für Dialysepatientinnen und -patienten, bei denen sich eine Mangelernährung, oder Protein-Energy Wasting, entwickelt hat. Dieser mit einem progredienten Verlust an Muskel- und Fettmasse verbundene Zustand geht meist mit anhaltendem Appetitmangel einher, sodass orale Zusatzkost alleine therapeutisch oft nicht wirksam ist. Da gegenüber einer passageren Implantation einer PEG-Sonde meist (unbegründete) Zurückhaltung besteht, eröffnet sich hier das Feld für eine intradialytische parenterale Ernährung, die von PD Dr. Tobias A. Marsen, Köln, hinsichtlich Indikation und Durchführung eindrücklich dargestellt wird.

Abgerundet wird diese Darstellung klinisch wichtiger Aspekte zum Thema Ernährung durch den Journal-Club, in dem die Rolle von industriell hochverabeiteten Lebensmitteln bei der CKD-Progression beleuchtet wird. Dies ist auch wieder ein Anlass, zu einer mehr natürlichen, pflanzenbasierten Ernährung zurückzukehren.

Bei den Autorinnen und Autoren, die zum Schwerpunktheft „Ernährung bei CKD“ so lesenswerte Beiträge erstellt haben, möchte ich mich ganz herzlich bedanken. Leserinnen und Lesern wünsche ich bei der Lektüre viel Vergnügen und Anregungen für die tägliche Praxis und vielleicht auch für die eigene Ernährung.



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Article published online:
18 December 2023

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