Endo-Praxis 2023; 39(03): 114-115
DOI: 10.1055/a-2084-9760
10 Fragen an

Die Perspektive und den Blickwinkel des Anderen schärfen

10 Fragen an Alanna Leonhard Ebigbo
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  1. Was hat Sie in die Endoskopie geführt?

    Wie im persischen Märchen der drei Prinzen von Serendip, führten mich glückliche Zufälle ans Ziel. Eigentlich wollte ich Infektiologe werden. Nach meiner AiP Zeit in Würzburg suchte ich eine Klinik, die die Weiterbildung zum Infektiologen anbot. Ich fand im süddeutschen Raum die 3. Medizinische Klinik Augsburg, damals noch am Zentralklinikum Augsburg, heute das Universitätsklinikum Augsburg. In den ersten Jahren in Augsburg erkannte ich aber schnell meine Leidenschaft für die Gastroenterologie, insbesondere die Endoskopie. Zu der Zeit war viel Bewegung bei den endoskopischen Resektionstechniken. Helmut Messmann brachte diese neue, aufregende Technik, die Endoskopische Submukosa Dissektion (ESD), aus Japan mit. Es war eine spannende Zeit mit noch flachen Lernkurven. Wir Assistenzärzte, die die Sedierungen bei den ESD durchführten, waren nie komplett bei einer ESD dabei, weil sie meist mehrere Stunden dauerten. Innerhalb weniger Jahre ist die Technik aber weiter ausgereift. Als ich 2007 zum ersten Mal selbst endoskopieren durfte, wusste ich sofort, dass ich bleiben und meinen Platz in der Endoskopie suchen wollte. Die Kombination aus internistischem Grundwissen und handwerklichem Geschick hat mir sehr gut gefallen. Als Assistenzarzt hatte man eigentlich immer Angst und Sorge vor dem ersten Mal: der erste Nachtdienst, der erste Intensiveinsatz, der erste knifflige Fall in der Notaufnahme usw. Beim Endoskopieren hatte ich nie Angst vor dem ersten Mal; ich habe mich über jeden Tag, den ich in der Endoskopie verbringen durfte, gefreut und den Endoskopie-Bereitschaftsdiensten habe ich stets mit Vorfreude entgegengesehen.

  2. Wer oder was hat Sie in Ihrer Berufslaufbahn am meisten beeinflusst?

    Am meisten hat mich mein Lehrer und Mentor, Helmut Messmann, beeinflusst. Er hat mir die Möglichkeiten eröffnet, die diagnostische und die therapeutische Endoskopie in allen Facetten zu erlernen. Abgesehen davon, war ich aber schon immer ein ehrgeiziger und fleißiger Mensch, und habe stets versucht, das Beste aus jeder Situation zu machen.

  3. Wie beginnen Sie Ihren Arbeitstag … und wie beenden Sie ihn?

    Mein Arbeitstag beginnt ganz trocken mit E-Mails. Danach geht es weiter mit Stationsvisiten und der klassischen Frühbesprechung. Erst dann geht es los mit dem Endo-Programm. Und den Arbeitstag beende ich ebenfalls, ganz trocken, mit E-Mails.

  4. Was kann Sie bei der Arbeit so richtig auf die Palme bringen?

    Es gibt wenig, was mich so richtig auf die Palme bringen kann. Ich bin generell ein eher positiver und optimistischer Mensch. Unruhig werde ich bei endoskopischen Komplikationen, die durch mein unmittelbares Handeln entstanden sind. Selbst wenn ich alles richtig gemacht habe, die Indikation korrekt war und der Patient sorgfältig aufgeklärt wurde, hängen mir solche Situationen nach. In diesen Situationen hilft es, den direkten Kontakt mit dem Patienten wieder zu suchen.

  5. Welches Gerät müsste man einmal erfinden?

    Kleine Roboter, die als Kapsel geschluckt werden und im Darm gezielt ihre Aufgabe, für die sie programmiert wurden, erfüllen. Wenn das zu Sci-Fi ist, dann etwas realistischer: ein Gerät, dass das Problem der fehlenden zweiten Hand des Endoskopikers löst. Möglicherweise werden wir im Bereich der Robotik, ähnlich dem Davinci-System der Viszeralchirurgen, sehr bald Geräte haben, die mit zusätzlichen Greifarmen das Problem der Traktion während endoskopischer Resektionen erleichtern werden. Leicht steuerbare Zusatzelemente am Geräteende, die aber die Flexibilität und Beweglichkeit des Endoskops nicht beeinträchtigen.

  6. Mit wem würden Sie gerne einen Tag den Arbeitsplatz tauschen?

    Endoskopie ist Teamarbeit; die erfolgreichsten Untersuchungen in der Endoskopie habe ich nur dann erleben dürfen, wenn ich mit der Endoskopie-Assistenz im Einklang war. Das Verständnis füreinander muss stimmen. Deshalb würde ich gerne einen Tag lang den Arbeitsplatz mit der Endoskopie-Assistenz tauschen, um für beide Seiten die Perspektive und den Blickwinkel des Anderen zu schärfen. Diesen Tausch würde ich gerne auch auf Leitungs- bzw. berufspolitischer Ebene fortsetzen, um strukturelle Herausforderungen und Hürden auf beiden Seiten besser zu verstehen.

  7. Was war der mutigste Moment in Ihrem Leben?

    Ohne es damals zu wissen, war der mutigste Moment in meinem Leben als ich mit knapp 18 Jahren meine Heimat in Nigeria verließ, um das Medizinstudium in Deutschland aufzunehmen. Das neue Umfeld, die Sprache, die Gewohnheiten und die Kultur waren mir zwar nicht ganz fremd, weil ich multikulturell und mehrsprachig aufwuchs, dennoch musste ich mich gedanklich neu strukturieren. Als junger, neugieriger Mensch fiel es mir leicht und die Herausforderungen sah ich immer dankbar vor dem Hintergrund der Möglichkeiten, die mir damit eröffnet wurden.

  8. Mit welcher Person der Weltgeschichte würden Sie gerne einen Kaffee trinken gehen?

    Mary Slessor war eine schottische Missionarin und Krankenschwester im 19. Jahrhundert, die viele Jahre in Süd-Nigeria unter den Efik und Igbo lebte. Ihre Aufklärungsarbeit führte dazu, dass die Tötung von Zwillingen, die als böser Fluch gesehen wurden, vom Volk der Efik und Igbo abgeschafft wurde. Sie litt mehrmals unter Malaria, musste immer wieder wegen Fieberschüben nach Edinburgh zurückreisen, sprach die einheimische Sprache der Efik fließend und adoptierte Zwillinge, die dem Tod überlassen wurden. Sie starb 1915 an Malaria und wurde in der Nähe von Calabar beerdigt.

  9. Welche Gabe würden Sie gerne besitzen?

    Ich würde gerne auf Knopfdruck abschalten können. Ruhe und Ausgleich sind wichtige Erholungsfaktoren, um den Stress des Berufslebens besser kompensieren zu können.

  10. Welchen Wunsch möchten Sie sich in Zukunft erfüllen?

    Eine Weltreise durch alle Kontinente und dabei fremde Kulturen, Sprachen, Ansichten und Landschaften kennenlernen.

Die Fragen stellte Ute Pfeifer.

Zur Person

Dr. med. Alanna Ebigbo ist Facharzt für Innere Medizin, Gastroenterologie und Infektiologie am Universitätsklinikum Augsburg. Seine endoskopischen Behandlungsschwerpunkte sind Resektionsverfahren (Endoskopische Submukosa Dissektion [ESD], Endoskopische Mukosaresektion [EMR], Endoskopische Vollwandresektion [FTRD]) und Perorale Endoskopische Myotomien (POEM) bei der Achalasie und bei hyperkontraktilen Motilitätsstörungen. Seine endoskopischen Forschungsschwerpunkte hat er bei künstlicher Intelligenz in der GI-Endoskopie, endoskopischen Resektionsverfahren, POEM und Cascade Guideline.alanna.ebigbo@uk-augsburg.de



Publication History

Article published online:
30 August 2023

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