Zeitschrift für Komplementärmedizin 2023; 15(06): 12-23
DOI: 10.1055/a-2188-3671
Praxis
Tumorkachexie

Tumorkachexie: die Bedeutung von Ernährung und Bewegung in der Onkologie

Yurdagül Zopf
,
Hans Joachim Herrmann
,
Dejan Reljic
,
Luisa Marie Hardt

Summary

Die Tumorkachexie (TK), eine mit Inflammation assoziierte Mangel­ernährung mit dem Hauptmerkmal des Verlusts an Muskelmasse, -kraft und -funktion (= Sarkopenie), ist eine stark prävalente, die Lebensqualität einschränkende sowie prognoserelevante Komorbidität einer Tumorerkrankung. Eine supportive, kombinierte Ernährungs- und Bewegungstherapie, die möglichst früh im Krankheitsverlauf initiiert und individualisiert ausgestaltet wird, kann effektiv dazu beitragen, den Muskelstatus zu erhalten bzw. wiederaufzubauen. Dies kann den Krankheitsverlauf und die Prognose signifikant verbessern. Sie sollte daher immer als integraler Teil eines multimodalen onkologischen Behandlungskonzepts berücksichtigt werden.

Ein frühzeitiger, individualisierter Ernährungssupport mit Sicherstellung einer adäquaten Energie- und Proteinzufuhr stellt die Grundvoraussetzung für den Erhalt bzw. Wiederaufbau von Muskelmasse dar. Neben der erhöhten Proteinmenge ist zur Überwindung der anabolen Resistenz, wie sie unter TK vorliegt, besonders auch die Proteinqualität, d. h. eine ausreichende Zufuhr unentbehrlicher ­Aminosäuren, zu berücksichtigen. Es gibt Hinweise darauf, dass Omega-3-Fettsäuren bei TK als antiinflammatorische Substrate dazu beitragen können, einen progredienten Muskelabbau zu stoppen und den Wiederaufbau von Muskulatur zu fördern.

Aufgrund ihrer multifaktoriellen Genese lässt sich die Tumorkachexie allein durch konventionelle ernährungstherapeutische Maßnahmen nicht vermeiden bzw. umkehren. Vielmehr wird der frühzeitige Einsatz multimodaler Therapiekonzepte gefordert, um den drohenden Muskelschwund zu verhindern oder zu verzögern. Jede Ernährungsintervention sollte zum Aufbau der Muskelmasse von bewegungstherapeutischen Maßnahmen begleitet werden, um durch die synergistischen Wirkungen maximale Effektivität zu erzielen.

Regelmäßige körperliche Aktivität kann die Muskelmasse und -kraft bei Krebspatient*innen steigern, immunologische Prozesse positiv beeinflussen sowie den funktionellen Status und die Lebensqualität verbessern. Unterschiedliche Trainingsmodalitäten werden diskutiert, darunter konventionelles Krafttraining und progressives Widerstandstraining mit elastischen Bändern, genauso wie innovative Ansätze wie die Ganzkörper-Elektromyostimulation (WB-EMS). Auch sollte die Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems mittels Ausdauertrainings angestrebt werden. Bei der Erstellung des Trainingsplanes sind die individuellen Bedürfnisse, Gesundheitszustände und potenziellen Bewegungseinschränkungen (z. B. durch Knochenmetastasen oder Lymphödeme) der Krebspatient*innen zu berücksichtigen.



Publication History

Article published online:
12 December 2023

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