Sprache · Stimme · Gehör 2024; 48(04): 200
DOI: 10.1055/a-2193-6077
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Zeitverzögerung und Kammfiltereffekt in digitalen Hörgeräten

Vor vielen Jahrzehnten gab es nur analoge Hörgeräte, die einen „geradlinigen“ Signalweg, ähnlich wie ein Kofferradio, hatten. Die Signalübertragung in elektronischen Schaltungen geschieht in Lichtgeschwindigkeit und Verzögerungen zwischen der originalen Quelle und dem Ausgang am Ohr der Hörer waren mit den damaligen Geräten so minimal, dass sie nie thematisiert wurden. Auch digitale Signalübertragungen finden in Lichtgeschwindigkeit statt, aber die Wege in der elektrischen Schaltung sind viele Größenordnungen länger. Bei offener Anpassung hören die Hörgeräteträger die Signale zweimal: einmal durch den Vent oder Bohrung der Otoplastik zeitgerecht im Original und ein zweites Mal, verstärkt in den Frequenzen mit Hörverlust, zeitverzögert durch die Hörgeräte.

Fazit

Ein Aspekt wurde in der Arbeit nicht diskutiert: Die viel gepriesene „offene Anpassung“, d. h. besonders kleine Otoplastiken, Zusatzbohrungen, „Vents“ (Belüftungslöcher) und besonders auch der Verzicht von Otoplastiken unter Verwendung von offenen „Soft domes“ („Schirmchen“) kann Klangprobleme verursachen. Diese findet man bei Patienten, die oberflächlich betrachtet „perfekt“ angepasst sind, aber dennoch angeben, nicht genug zu verstehen, Sprecher nicht zu erkennen und Musik nicht wiederzuerkennen. Nun wissen Sie endlich, warum – und die Hersteller wissen, wie sie diese Probleme vermeiden können: Indem entweder die Hörgeräte schneller rechnen oder in der Anpasssoftware die Aktivierung von Funktionen so begrenzt wird, dass die Zeitverzögerung 1 ms nicht überschreitet.



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Article published online:
02 December 2024

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