Zeitschrift für Palliativmedizin 2024; 25(06): 273-274
DOI: 10.1055/a-2286-0899
Editorial

„Suizidprävention – Lasst uns darüber reden“

Die 90-jährige Dame hatte sämtliche Schmerzmittel und den Rest ihrer Schlafmittel auf einen Schlag eingenommen, wurde allerdings von ihrem Sohn in benommenem Zustand zu Hause gefunden und in die Notaufnahme gebracht. Nach medizinischer Behandlung wurde eine psychiatrische Konsiliaria hinzugezogen, der sie sagte, sie wolle sterben. Ihr Mann sei vor einem Jahr durch Suizid gestorben und sie wolle nicht mehr leben. Die Psychiaterin wollte dem Wunsch der Patientin zu sterben nachkommen und verlegte sie auf eine geriatrische Palliativstation des Hauses. Dort wurde ein Psychosomatiker hinzugezogen, der in mehreren Gesprächen mit der Patientin einen zugrundeliegenden Konflikt klärte: Der Sohn, bisher im Nachbarhaus lebend, hatte entschieden zu seiner Partnerin in eine andere Stadt zu ziehen und ihr vorgeschlagen, mit ihm mitzukommen. Dies erlebte sie als äußerst belastend, wollte sie doch nicht in einer fremden Stadt so abhängig vom Sohn sein. Andererseits fühlte sie sich von ihm verlassen und nicht ausreichend versorgt. Im Gespräch konnte die Alternative eines Probewohnens in einem Alten- und Pflegeheim entstehen. Verbunden mit einem Angebot einer ambulanten, aufsuchenden Psychotherapie entschied die Patientin sich für diese Option.

Suizidalität ist eine menschliche Reaktionsweise, die sehr häufig in existenziellen Notsituationen auftritt. Die Auslöser für Suizidalität sind oftmals Trennungs- und Verlusterfahrungen, wie auch Probleme in der Bewältigung notwendiger Entwicklungsschritte im Lebensverlauf. In Deutschland sind die Suizidraten hochaltriger Menschen hoch, besonders älterer Männer über 75 Jahren. Die Angst davor, einer unangenehmen, ablehnenden und lieblosen Versorgung ausgeliefert zu sein, kann verschiedene Formen der Suizidalität auslösen, auch das Anliegen eines assistierten Suizids. Dies kann sowohl Professionelle wie auch Betroffene besonders im Kontext palliativmedizinischer Behandlung und hospizlicher Begleitung unter einen erheblichen Druck setzen.



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Article published online:
04 November 2024

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